Digital Casebooks – Fallbasierte Selbstlernumgebungen zur Förderung des Theorie-Praxis-Transfers im Lehramtsstudium

Newsletter Lehre 04 2021

Dr. Franziska Greiner-Dörchert

Foto: Dr. Franziska Greiner-Dörchert

Nicht erst durch die „Corona-Semester“ wird deutlich, dass die Studierendenschaft in steigendem Maße heterogen ist. So zeigen sich aus lernpsychologischer Sicht deutliche Unterschiede bezüglich des Vorwissens und der Interessen der Studierenden. Der Vielfalt an Lernvoraussetzungen steht noch immer eine von Gleichschritt geprägte universitäre Lehre gegenüber: Alle Studierenden lernen die gleichen Inhalte auf die gleiche Weise im gleichen Tempo. Lernende können ihr Leistungspotenzial in diesen Settings nicht optimal ausschöpfen.

Lehramtsstudierenden eine praxisnahe Berufsorientierung an der Universität ermöglichen

Mit Blick auf die Zielgruppe der Lehramtsstudierenden – an der Uni Jena Jena sind aktuell 3.130 Lehramtsstudierende immatrikuliert, was 17,5% Prozent aller Studierenden der entspricht – widerspricht die noch immer dominierende theoretische Wissensvermittlung der starken Berufsorientierung von angehenden Lehrkräften. Auf Fragen wie „Was mache ich, wenn … passiert?“ wird in der bildungswissenschaftlichen Lehre häufig entgegnet, dass dies nicht pauschal beantwortet werden kann, sondern eine Betrachtung des Einzelfalls erforderlich ist. Dem Wunsch von Lehramtsstudierenden, handlungsbezogenes Wissen zu erwerben, wird somit (zu) selten nachgekommen. Daher sind Lernangebote vorzuziehen, die eine Verknüpfung des theoretischen Wissens mit den praktischen Erfahrungen ermöglichen und von den Studierenden als nützlich für die schulische Praxis bewertet werden.

Dr. Franziska Greiner-Dörchert wird seit April 2021 zwölf Monate lang vom Stifterverband und TMWWDG gefördert und möchte sich der beschriebenen Herausforderung im Rahmen des Fellowships für Innovationen in der digitalen Hochschullehre stellen. Ziel des Projektes „Digital Casebooks – Fallbasierte Selbstlernumgebungen zur Förderung des Theorie-Praxis-Transfers im Lehramtsstudium“ ist es, die Theorie-Praxis-Verzahnung durch fallbasierte E-Learning-Angebote zu stärken. Dafür werden sogenannte Digital Casebooks entwickelt, in denen Wissen über Depressionen bei Schüler:innen, Schulabsentismus und Essstörungen bei Schüler:innen entlang eines konkreten, authentischen Fallbeispiels erworben und auf schulpraktische Fragestellungen angewendet werden soll.

Aufbau eines Digital Casebooks

Foto: Dr. Franziska Greiner-Dörchert

Konzeption und Aufbau der Digital Casebooks

Zugrunde liegt den Digital Casebooks eine klare, gleichbleibende Struktur, die den Studierenden das selbstregulierte Lernen erleichtern soll (vgl. Abbildung links).

Nach einführenden Informationen zum Aufbau der Digital Casebooks und den Lernzielen folgt die Vorstellung des zu bearbeitenden Falls. Dieser bildet somit den zentralen Ausgangspunkt für die weitere Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema. Für jeden Fall stehen den Studierenden verschiedenste Inhalte in Form von einzeln auswählbaren Lernbausteinen zur Verfügung. Der Aufbau der Lernbausteine jedes Casebooks ist dabei an den einheitlichen Prüfungsanforderungen in allen Bundesländern – den Anforderungsbereichen Reproduktion (deklaratives Wissen), Reorganisation (Anwendung/Übung) und Reflexion (z. B. für die zukünftige Unterrichtspraxis) orientiert. Für Studierende mit tiefergehendem Interesse an den Inhalten eines Lernbausteins stehen außerdem weiterführende Quellen in der Rubrik Vertiefung zur Verfügung. Nach der Überprüfung der Lernziele jedes einzelnen Lernbausteins erfolgt abschließend eine Zusammenfassung des gesamten Digital Casebooks. Begleitend steht zu jedem Digital Casebook ein Glossar zur Verfügung, in dem Fachbegriffe erläutert werden.

Um die Heterogenität der Studierenden stärker zu berücksichtigen, werden die Digital Casebooks unter Nutzung digitaler Technologien multimodal, interaktiv und barrierearm gestaltet. Hierbei wird vor allem die große Bandbreite der Moodle-Aktivität H5P-Interactive Book (z. B. Interactive Video, Flashcards, Hot-Spot-Images und Lückentexte) genutzt, um Studierende interaktiv in die Lage zu versetzen, das theoriebezogene Wissen auf einen konkreten praktischen Fall anzuwenden. Um die Digital Casebooks möglichst barrierearm umzusetzen, wurden Checklisten als Arbeitsgrundlage erarbeitet (Link).

Nach der Erprobung der Digital Casebooks an drei ausgewählten, praxisrelevanten Themen soll die Lehrinnovation für andere Disziplinen innerhalb und außerhalb der Lehrkräftebildung nutzbar gemacht werden.

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