Dr. Julia Drube (l.) und Raphael Haider analysieren die Regulation G-Protein-gekoppelter Rezeptoren.

Toolbox hilft, Regulation von Rezeptoren systematisch zu untersuchen

Ein Forschungsteam aus Jena und Bonn entwickelte ein Zellsystem zur Analyse der Regulation G-Protein-gekoppelter Rezeptoren.
Dr. Julia Drube (l.) und Raphael Haider analysieren die Regulation G-Protein-gekoppelter Rezeptoren.
Foto: Michael Szabó/UKJ
  • Forschung

Meldung vom: | Verfasser/in: Uta von der Gönna

Ein Forschungsteam aus Jena und Bonn entwickelte ein Zellsystem zur Analyse der Regulation G-Protein-gekoppelter Rezeptoren. Zum Schutz vor einer Überreizung können diese pharmakologisch wichtigen Rezeptoren durch spezifische Enzyme im Zellinneren inaktiviert werden. Dieser Desensitisierungsmechanismus steht im Verdacht, bei der Entstehung des Gewöhnungseffekts an Schmerz-oder Asthmawirkstoffe eine Rolle zu spielen. Mit seiner jetzt im Journal Nature Communications vorgestellten Toolbox ermöglicht das Team rezeptorspezifisch die systematische Aufklärung des Desensitisierungsverhaltens, das wichtige Hinweise für die Toleranzentwicklung bei Wirkstoffkandidaten geben kann.

Sie stehen im besonderen Fokus der Arzneimittelforschung – die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Diese Rezeptoren sitzen als große Proteinmoleküle in den Zellmembranen und reichen ihre Signale über die namensgebenden G-Proteine in die Zelle weiter. Die mehr als 800 Mitglieder zählende Rezeptorfamilie spielt auf diese Weise eine zentrale Rolle bei der Zellkommunikation und der Verarbeitung von Schmerz– und Sinnesreizen. Etwa 30 Prozent aller Medikamente, zum Beispiel Opioide, Betablocker oder Neuroleptika, zielen auf diese Rezeptoren.

Sind die Rezeptoren einem Überangebot der spezifischen Botenstoffe ausgesetzt, binden Enzyme im Zellinneren Phosphatgruppen und das Gerüstprotein Arrestin an das Rezeptormolekül und unterbrechen so die Signalweiterleitung. In der Folge gelangt der Rezeptor in die Zelle und wird dort abgebaut. Dieser als Desensitisierung bezeichnete Vorgang ist eine Art Schutzmechanismus der Zelle vor einer Überreizung. Er steht aber auch im Verdacht, beim Gewöhnungseffekt an ein Medikament eine Rolle zu spielen. Diese Entwicklung einer Toleranz gegenüber einem Wirkstoff hat zur Folge, dass für eine bestimmte Schmerzlinderung oder Allergiehemmung immer größere Wirkstoffmengen oder stärkere Wirkstoffe nötig werden, verbunden mit entsprechend mehr Nebenwirkungen. Welche sogar gesellschaftlich relevanten Ausmaße dieser Prozess annehmen kann, zeigt die von der sorglosen Verwendung synthetischer Schmerzmittel ausgelöste Opioidkrise in den USA. 

„Während wir für die Vielzahl der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren jeweils spezifische G-Proteine kennen, sind es in der Zelle im wesentlichen vier Enzyme, die die Desensitisierung dieser Rezeptoren vermitteln“, so Prof. Dr. Carsten Hoffmann, Direktor des Instituts für Molekulare Zellbiologie am Universitätsklinikum Jena. „Aber welche Rolle jede der vier bei einem konkreten Rezeptor spielt, wissen wir nicht.“ Das Jenaer-Team hat sich zusammen mit Partnern von der Uni Bonn genau dieser Frage angenommen und präsentiert in der Fachzeitschrift Nature Communications das Mittel zu ihrer Beantwortung.

Die Enzyme agieren so universell in der gesamten Klasse der Rezeptoren, dass Tiermodelle, denen das Gen für eines der Enzyme fehlt, nicht lebensfähig sind. „Wir haben deshalb mit der CRISPR/Cas-Technik in Zellen die Gene ausgeschaltet, und zwar nicht nur für jeweils ein Enzym, sondern in fast allen möglichen Kombinationen bis hin zur gleichzeitigen Ausschaltung aller vier Enzyme“, beschreibt Dr. Julia Drube ihr Vorgehen bei der Erstellung der Zelllinien.  Die Biochemikerin und Molekularbiologin erzeugte und vervielfältigte die Zellen im Rahmen ihrer Tätigkeit als Postdoktorandin am Institut für Molekulare Zellbiologie. Diese verschiedenen Zelllinien nutzte das Team nun als Toolbox, um das Bindungsverhalten von Arrestin an Rezeptoren systematisch zu untersuchen. Es wählte dafür exemplarisch zwölf Vertreter der Rezeptorfamilie aus, darunter auch Rezeptoren, die an der Schmerzweiterleitung, der Regulation des Herzschlages oder Autoimmunprozessen beteiligt und Zielmoleküle entsprechender Wirkstoffe sind. Durch eine Farbstoffmarkierung der Arrestinmoleküle wurde im Fluoreszenzmikroskop sichtbar, ob die Bindung mit dem Rezeptor stattgefunden hatte oder nicht.

„Diese Desensitisierungsreaktionen laufen sehr spezifisch ab“, fasst Doktorand Raphael Haider das Ergebnis zusammen. „Wir können die untersuchten Rezeptoren grob in zwei Gruppen einteilen: Bei einer spielen zwei bestimmte der vier Enzyme eine Rolle, bei der anderen Gruppe sind alle vier an der Desensitisierung beteiligt.“ Darüber hinaus konnte das Forschungsteam Rezeptoren finden, die auch ohne Stimulation durch einen Botenstoff eine Arrestin-Bindung eingingen, wenn nur genügend Enzyme der richtigen Art vorhanden waren.

„Wir gehen davon aus, dass unsere Zell-Plattform die systematische Aufklärung der Regulation von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren erleichtern wird und so zur weiteren detaillierten Beschreibung dieser pharmakologisch hoch relevanten Rezeptoren beitragen kann“, sagt Carsten Hoffmann – und sieht sich von Anfragen anderer Laborteams bestätigt. Bereits mehrfach hat seine Forschungsgruppe ihre Zell-Toolbox für Kooperationen weitergegeben.

Information

Original-Publikation:

Drube J, Haider RS, et al. GPCR kinase knockout cells reveal the impact of individual GRKs on arrestin binding and GPCR regulation.Externer Link Nat Commun. 2022 Jan 27;13(1):540. doi: 10.1038/s41467-022-28152-8.

Kontakt: