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Meldung vom: | Verfasser/in: Laura Weißert
Reine Mathematik hat eine philosophische Komponente – dieser Meinung ist Prof. Dr. Hendrik Süß. Denn im Gegensatz zur angewandten Mathematik werden hier ganz grundlegende Fragen beantwortet, deren Ursprung meist schlicht und einfach Neugier ist. Genau diese Neugier ist es auch, die den neuen Professor für Algebra der Friedrich-Schiller-Universität Jena antreibt.
Die Begeisterung für die Mathematik wurde bei Hendrik Süß schon früh geweckt: „Ich hatte das Glück, dass meine Lehrer in der Grundschule erkannten, dass ich für Mathematik eine Begabung habe, und mich besonders förderten.“ Eine Lehrerin war es auch, die ihn darin bestärkte, seine schulische Laufbahn an einem Gymnasium mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt fortzusetzen. Hier nahm er in der Oberstufe am sogenannten Schülerstudium teil, einem Förderprogramm der Berliner Universitäten, das Schülerinnen und Schülern einen ersten Einblick ins Mathematikstudium ermöglichte. Ein echter Glücksfall für Süß, dem schnell klar war, dass er hier genau richtig war – obwohl sich die universitäre Mathematik in ihrer Herangehensweise stark von dem unterschied, was er aus dem Schulunterricht kannte. „Die Grundlage der Mathematik ist eigentlich Abstraktion – konkrete Dinge werden auf ein abstraktes Level gehoben“, erklärt er. „Man sieht sich Gemeinsamkeiten an, die einem vielleicht auf den ersten Blick gar nicht auffallen, und versucht, viele verschiedene Konzepte gedanklich als ein gemeinsames Konzept zu erfassen. Und das hat mich ungemein fasziniert, was da möglich ist.“
Auf das Wesentliche konzentrieren
Genau diese Faszination für die Abstraktion als Grundlage der Mathematik ist es auch, die Hendrik Süß als Dozent seinen Studierenden vermitteln möchte. „Man könnte sagen, die Mathematik ist die Wissenschaft der Abstraktion.“ Das fiele den meisten Menschen eher schwer, weil man sich dabei von dem entfernt, was man aus dem Alltag kennt. Stattdessen müsse man einen Schritt zurücktreten und versuchen, das große Ganze zu sehen. „Das ist es, was Abstraktion ausmacht.“ Unwesentliches weglassen, sich auf das Wesentliche konzentrieren, um Probleme zu lösen – so beschreibt Süß den Prozess. Dadurch ließe sich auch eine Klasse von Problemen auf einen Schlag lösen, ohne dass man jedes Mal von vorne beginnen muss. Dennoch ist dem Mathematiker bewusst, dass es auf den ersten Blick vielleicht so aussieht, als würde man sich die Arbeit damit schwieriger machen. „Ich will den Studierenden klarmachen, dass wir das nicht nur tun, um sie zu quälen oder um die Dinge künstlich kompliziert zu machen, sondern dass es einen Grund dafür gibt und es die Sache am Ende einfacher macht.“
Die Sache – das ist im Fall von Hendrik Süß die algebraische Geometrie. Bereits seit seiner Diplomarbeit widmet er sich diesem Teilgebiet der Mathematik, das sich mit dem Lösen von polynomiellen Gleichungen befasst, beispielsweise x2 + y2 = 1. Trägt man die Zahlenpaare, die diese Gleichung erfüllen, ins ebene Koordinatensystem ein, bilden die Punkte einen Kreis mit dem Radius 1. Es geht also um Gleichungen, deren Lösungen sich als geometrische Objekte betrachten lassen. In seiner Arbeit beschäftigt Süß sich allerdings mit weitaus komplexeren Gleichungen. Ziel ist es, qualitative Aussagen über die Lösungsmenge dieser Gleichungen oder auch einer ganzen Klasse solcher Probleme zu machen und so ihre Eigenschaften, z. B. die Dimension, zu beschreiben. „Die Fragestellung ist also eine algebraische, aber die Methoden, die wir benutzen, sind geometrisch“, fasst der Mathematiker die Grundidee seines Forschungsgebietes zusammen.
Über Russland und Großbritannien zurück nach Deutschland
Den Großteil seiner wissenschaftlichen Karriere seit seiner Promotion 2010 an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg verbrachte Süß im Ausland – zunächst als Stipendiat der Humboldt-Stiftung in Moskau, bevor es ihn nach Großbritannien zog. Nach anderthalb Jahren als Postdoc in Edinburgh und sechs Jahren als Dozent in Manchester kehrte er nun zurück nach Deutschland. „Meine Familie und ich haben uns in England sehr wohlgefühlt, aber wir haben uns trotzdem gefreut, als ich den Ruf nach Jena bekam“, erinnert sich der 43-Jährige. Der Freistaat ist ihm alles andere als fremd – seine Mutter kommt von hier, Teile seiner Kindheit verbrachte er bei seinen Großeltern in Arnstadt. „Ich hatte also immer einen guten Draht nach Thüringen und die Idee, hierher umzuziehen, war mir gleich sympathisch.“
In Jena fühlt sich der gebürtige Berliner sehr wohl. Besonders die Nähe zur Natur genießt der passionierte Skilangläufer nach seiner Zeit in Manchester. Einziger Wermutstropfen: Aufgrund der Corona-Pandemie gab es bisher noch keine Möglichkeit, einmal in großer Runde mit den Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Mathematik zusammenzukommen und sich besser kennenzulernen. Das soll in diesem Sommersemester nachgeholt werden.