Prüfung am Laptop

Lehre NACHGEFRAGT

Newsletter Lehre 03 2022
Prüfung am Laptop
Foto: MHH/Tom Figiel

Vier Fragen an Dr. Clémence Dubois und PD Dr. Holger Graf zum Thema elektronische Präsenzprüfungen an der Universität

Dr. Clémence Dubois ist seit dem Wintersemester 2018/19 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Fernerkundung an der Chemisch-Geowissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena. PD Dr. Holger Graf lehrt und forscht seit 2000 am Lehrstuhl für Mikroökonomik an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, seit 2010 ist er Privatdozent. Beide haben im aktuellen Sommersemester erstmals elektronische Präsenzprüfungen durchgeführt. Anders als bei den aus der Corona-Zeit bekannten Online-Prüfungen sind Studierende und Lehrende hierbei nicht räumlich voneinander getrennt, sondern führen die Prüfung elektronisch im selben Seminarraum oder Computerpool durch. PD Dr. Graf hat das Format mit einer kleinen Studierendengruppe getestet, Dr. Dubois hat eine elektronische Präsenzklausur mit 100 Teilnehmenden durchgeführt.

Dr. Clémence Dubois und PD Dr. Holger Graf
Dr. Clémence Dubois und PD Dr. Holger Graf
Foto: Kai Heckel, Privat

Im Rahmen Ihrer Lehrveranstaltung haben Sie im Sommersemester 2022 mit die ersten elektronischen Präsenzklausuren an der Uni Jena geschrieben. Wie kam es dazu, dass Sie sich für ein digitales Format auch in Präsenz entschieden haben und nicht einfach zur Papierklausur zurückgekehrt sind?

Holger Graf: Meine Erfahrungen mit den Online-Prüfungen auf Moodle während der Corona-Zeit waren sehr positiv, sodass ich das Tool gerne weiter nutzen wollte. Allerdings denke ich auch, dass in einem gemeinsamen Raum eine bessere Prüfungsatmosphäre entsteht, als wenn Studierende und Lehrende separiert zuhause arbeiten. Natürlich spielen auch Bedenken über unerwünschte Kommunikation zwischen den Studierenden eine Rolle. Die elektronische Präsenzprüfung hat für mich mehrere Vorteile gegenüber der papierhaften: Es ist recht einfach möglich, Klausuren zu individualisieren, einige Frageformen sind nur online möglich und natürlich verringert sich der Korrekturaufwand. Die Möglichkeit direktes Feedback zu einzelnen Antworten zu geben, finde ich ebenfalls sehr angenehm, weil sich die Studierenden dadurch zeitnah und detailliert über ihre Leistungen informieren können. In diesem Semester konnte ich diese Prüfungsform in einem kleinen Kurs testen und kann mir gut vorstellen, diese zukünftig auch in größeren Kursen anzuwenden.

Clémence Dubois: Ich habe mich ebenfalls aus verschiedenen Gründen für eine elektronische Präsenzprüfung entschieden. Das Sommersemester 2022 war das erste wieder halbwegs normale Sommersemester seit der Corona-Pandemie. Im Sommersemester 2020 hatte ich noch eine Präsenzklausur in Papierform durchgeführt, im Sommersemester 2021 habe ich mich jedoch für eine reine Online-Klausur unter digitaler Aufsicht entschieden. So konnte ich die Vor- und Nachteile beider Formate miterleben. Eine Online-Klausur ist meines Erachtens aufgrund der begrenzten Möglichkeit der Aufsicht mittels Webmeeting nur im Open-Book Format realistisch. Das Open-Book-Format ist ein Prüfungsformat, bei dem die Verwendung von Hilfsmitteln, wie den Vorlesungsunterlagen, zugelassen ist und welches dadurch eine didaktische Anpassung der Klausurfragen erfordert. Die Fragen sollten dann eher auf das Verständnis des Stoffes als auf die reine Kenntnisabfrage abzielen. Präsenzklausuren erlauben eine vereinfachte Aufsicht und damit die Möglichkeit Closed-Book-Formate, also klassische Klausurformate, bei denen die Verwendung von Hilfsmitteln nicht zugelassen ist, durchzuführen. Hier kann also eine direkte Abfrage des Erlernten erfolgen. Anderseits bedeutet die Korrektur von Präsenzklausuren in Papierform für ca. 100 Studierende einen hohen Aufwand. Dieser Overhead wird durch eine gut konzipierte elektronische Prüfung stark reduziert und die Auswertung kann binnen Minuten geschehen. Um die Vorteile beider Prüfungsformate beizubehalten, habe ich mich dieses Semester für eine elektronische Präsenzklausur entschieden.

Wie genau sah die Umsetzung der elektronischen Klausur in Ihrem Fall aus?

Clémence Dubois: Nachdem ich bereits zu Semesterbeginn die Studierenden über die Prüfungsform informiert hatte, habe ich einen digitalen Prüfungsraum im Moodle Prüfungsserver beantragt und dort meine Klausurfragen mit entsprechender Bewertung und Einstellungen abgelegt (z.B. randomisierte Fragen- und Antwortabfolge). Circa einen Monat vor meiner geplanten Klausur hat das Multimediazentrum (MMZ) mit mir Kontakt aufgenommen, und mich informiert, dass das MMZ dieses Semester als Pilotprojekt einige Computerpools speziell für elektronische Präsenzprüfungen mit Safe-Exam-Browser-Einstellungen gestaltet hat. Die Gelegenheit habe ich sofort genutzt, um Studierenden die Möglichkeit anzubieten, die nicht über ausreichende technische Ausrüstung verfügen, die Klausur in den MMZ-Pools zu schreiben; zudem versichert eine solche Umgebung, dass kein Täuschungsversuch über das Internet stattfindet. In der Pilotphase waren allerdings noch keine 100 Pool-Plätze verfügbar. Die eigentliche Klausur fand deshalb in zwei getrennten Gruppen und Räumen statt, eine größere Gruppe im Hörsaal mit eigenen Rechenressourcen und eine Gruppe von ca. 20 Studierenden in einem vom MMZ zur Verfügung gestellten Computer-Pool. Die Klausur war für alle gleich, lediglich ein Duplikat wurde erzeugt, um die Safe-Exam-Browser Einstellungen auf den MMZ Computern einzurichten. Das MMZ hat mir auch sehr viele nützliche technische Tipps gegeben und dabei geholfen, einige rechtliche Fragen zu klären. Zum Beispiel ist bei einer elektronischen Präsenzklausur die vorherige Einholung der Eigenständigkeitserklärung der Studierenden nicht mehr nötig, da die Identität auch vor Ort mit der Thoska-Karte überprüft werden kann. Auch der Tipp, eine Erinnerungsemail an die Studierenden zu senden, dass der Akku ihres eigenen Laptops oder Tablets für die gesamte geplante Zeit der Klausur und noch etwas länger halten sollte, war sehr hilfreich.

Zwei Wochen vor dem Prüfungstermin konnte ich dann in beiden Settings auch eine Testklausur durchführen. Die eigentliche Klausur ist dann in beiden Räumen ohne weitere technische Probleme gelaufen – nur bei einigen Studierenden haben die Drag- und Drop-Fragen auf dem eigenen Tablet nicht funktioniert, wie schon in früheren Semestern festgestellt. Da hilft es, einige Papierkopien zu haben, die die betroffenen Studierenden spezifisch für diese Aufgaben nutzen können.

Holger Graf: Die Umsetzung unterschied sich in meinem Fall nicht wirklich von den Online-Prüfungen der vergangenen Semester und ich habe sie in einem normalen Seminarraum durchgeführt. Die Klausur wurde auf dem Prüfungsserver als Open-Book-Klausur mit einer Mischung aus verschiedenen Fragetypen gestellt. Die Studierenden wurden gebeten, ihren Laptop mitzubringen. Konzeptpapier wurde gestellt für Studierende, die Schwierigkeiten beim schnellen Tippen langer Antworten haben bzw. auch als Backup falls es zu technischen Problemen kommen sollte. Da nur die Vorlesungsunterlagen als Hilfsmittel zugelassen waren, konnte eine Aufsichtsperson die Bildschirme auf unerlaubte Anwendungen, wie zusätzliche Browserfenster oder Chatprogramme, überprüfen.

Welchen didaktischen Unterschied erleben Sie zwischen einer Papierklausur und einer elektronischen Klausur? Gibt es Unterschiede in der Überprüfung des Kompetenzerwerbs bei den Studierenden?

Holger Graf: Für mich ergibt sich der Unterschied eher über die Frage ob es eine Open- oder Closed-Book-Prüfung ist. Der Schwerpunkt der Open-Book-Klausur verlagert sich auf Transferaufgaben, die reine Wiedergabe erlernten Wissens rückt dabei in den Hintergrund. Aus Diskussionen mit den Studierenden im Vorfeld der Prüfung habe ich erfahren, dass es den Prüfungsstress reduziert, wenn die Studierenden die Kursunterlagen nutzen dürfen. Nach der Prüfung bekamen wir durchweg positives Feedback. 

Clémence Dubois: Ich würde die Frage gerne mit Ja und Nein beantworten, da es wie bereits erwähnt davon abhängt, welche Kompetenzen bei den Studierenden abgefragt werden (sollen). In meiner Veranstaltung ging es vor allem um den Erwerb von Grundkenntnissen und Grundlagen des Faches Fernerkundung, damit zukünftige Lehrer und Lehrerinnen wichtige Konzepte und Begriffe schon mal gehört haben, um dies später in der Schule auch erwähnen und Grundprinzipien nutzen zu können. Hier werden deshalb viele Kenntnisse abgefragt, die sich gut mit Multiple-Choice Fragen abfragen lassen. Gleichzeitig lässt dies wenig Spielraum, was Tiefe und Schwierigkeit der Aufgaben betrifft. Geplant ist hierfür, in den kommenden Jahren einen großen Fragenkatalog aufzubauen, aus dem die Klausurfragen jedes Jahr neu zusammengestellt werden – wer lernt, besteht. Vor allem bei Fächern in höheren Mastersemestern, bei denen viel Eigenleistung und ein tiefgreifenderes Verständnis des Stoffes für eine zukünftige spezifische tägliche berufliche Anwendung und Umsetzung abgefragt werden sollen, sehe ich eine größere Herausforderung bei den elektronischen Klausuren. Oft werden dann Lösungswege oder Verständnisfragen in Form von Freitext benötigt. Zwar unterstützen mittlerweile viele Moodle-Plugins und Tools die Formel-Eingabe, sowie auch Programmierungsaufgaben und Freitexteingaben. Deren Vorteil und Handhabung im Vergleich zu einem einfachen Papier, auf dem die Studierenden etwas skizzieren und schnell auch wieder wegstreichen können, muss sich noch zeigen. Oft haben solche Veranstaltungen in höheren Semestern jedoch eine geringere Teilnehmerzahl, sodass hier auch in flexible Analogformate zurückgekehrt werden könnte.

Welchen Rat würden Sie anderen Lehrenden mitgeben, die sich ebenfalls vorstellen können in der Zukunft digital im Hörsaal zu prüfen?

Holger Graf: Ich denke, das hängt stark vom Fach und von den eigenen Erfahrungen mit Online-Prüfungen ab. In jedem Fall würde ich die technischen Voraussetzungen mit den Studierenden vorab klären und testen. Von Seiten der Studierenden wurde die Sorge geäußert, dass es zu Ausfällen des WLANs bei zu vielen Zugriffen kommen könnte, diese Bedenken erwiesen sich zumindest in der kleinen Gruppe von 15 Studierenden als unbegründet. Außerdem sollte gewährleistet sein, dass die Stromversorgung der Endgeräte gesichert ist. Wir haben im Vorfeld die Anzahl an Steckdosen überprüft und zur Sicherheit ein paar Mehrfachstecker mitgenommen. Da die Studierenden während der Prüfung am Computer sitzen, halte ich eine Closed-Book-Klausur für schwer durchführbar. Hier wird das Pilotprojekt des MMZ, an dem Frau Dubois teilgenommen hat, zeigen, wie gut der Safe-Exam-Browser funktioniert. Individualisierte Klausuren mit unterschiedlicher Reihenfolge der Fragen, Antworten und zufällige Fragen aus einem Pool vergleichbarer Fragen reduzieren das Risiko der Kommunikation der zu Prüfenden untereinander.

Clémence Dubois: Ich würde zuerst andere Lehrende ermutigen, ein solches Prüfungsformat auszuprobieren, denn es hat aus meiner Sicht viel mehr Vorteile als Nachteile – einige Kollegen meines Lehrstuhls haben dies auch bereits erfolgreich erprobt. Zuerst sollten sie sich aber überlegen, was sie didaktisch erreichen möchten (Kenntnisabfragen oder weitere Kompetenzen) und sich mit den vielen Möglichkeiten auseinandersetzen, die der Prüfungsserver von Moodle anbietet, um dies zu erreichen. Auch die Unterstützungsangebote der Universität möchte ich empfehlen. Die Stabsstelle Digitale Universität bietet gemeinsam mit der Servicestelle LehreLernen und dem Moodle Team bereits sehr viel hilfreiche Informationen und Unterstützung, was die verschiedenen Prüfungsformate betrifft (https://www.elearning.uni-jena.de/digitalpruefen). Wenn das didaktische Grundgerüst steht, sind aus meiner Erfahrung die technischen und rechtlichen Fragen relativ schnell geklärt. Ich würde auch empfehlen, die verfügbaren Computerpools des MMZ zu nutzen, denn dies erleichtert die Durchführung der Klausur und ermöglicht gleiche Prüfungsbedingungen unter den Studierenden.

Kontakt

Clémence Dubois, Dr.
Wiss. Mitarbeiterin
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Lehrstuhl Fernerkundung
JenTower, Raum Süd, 26. Etage
Leutragraben 1
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link