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Mehrere überlebensgroße und tonnenschwere Skulpturen aus Eisen, Stahl, Aluminium und Bronze, ineinander verschraubt, zusammengepresst und -geschweißt, regen seit 1996 auf dem Jenaer Uni-Campus am Ernst-Abbe-Platz zur Auseinandersetzung mit moderner Kunst und Transformation an. Sie sind das Werk von Frank Stella, einem der bedeutendsten Künstler der Gegenwart und Ehrendoktor der Friedrich-Schiller-Universität. Die vier Plastiken aus der Serie „Hudson River Valley“ sind weltweit das größte Skulpturenensemble des US-amerikanischen Künstlers im öffentlichen Raum. Eine der Plastiken schenkte der Künstler der Universität, drei gingen in den Besitz der JENOPTIK AG über. Eine fünfte Skulptur ging 2011 nach Ablauf der Leihfrist in den Besitz des Künstlers zurück.
Wie häufig bei moderner Kunst im öffentlichen Raum, zogen die Skulpturen auch unerwünschte Publikumsreaktionen an. Sie wurden mit Stickern und Kaugummi beklebt und mit Graffiti versehen. Zudem nagte der Zahn der Zeit an der Oberfläche. Mit Hilfe von Spenden von Freunden und Förderern der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der JENOPTIK AG werden die Arbeiten, die nach Städten im Hudson River Valley benannt sind, nun gesäubert. Die Restaurierungsarbeiten finden unter Leitung des Restaurators Jens Linke im Rahmen des International Summer Seminar for Young Academics (ISA) statt, bei dem angehende Restauratorinnen die Kunstwerke unter professioneller Anleitung reinigen. Die Restaurierungsarbeiten werden Anfang September abgeschlossen sein. „Die Universität dankt ihren Freunden und Förderern, der JENOPTIK AG und den jungen Restauratorinnen für die Unterstützung. Besucherinnen und Besucher, die die Stadt auch wegen ihrer bedeutenden modernen Skulpturen und der Transformationsgeschichte besuchen, werden dann hoffentlich lange Zeit wieder die Spiegelungen in Frank Stellas Werken fotografieren können“, so Prof. Rosenthal, Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Frank Stella gilt als einer der weltweit innovativsten lebenden Maler und Bildhauer unserer Zeit und hat mit seiner Kunst immer wieder Begeisterung und Irritationen ausgelöst. Der 86-jährige New Yorker Künstler ist dabei bis heute stets auf der Suche nach neuen Möglichkeiten des Kunstschaffens. 1958 erfand er mit seinen Black Paintings die Moderne Kunst neu und war einer der ersten Vertreter des Minimalismus. Später widmete er sich raumgreifenden Skulpturen und Architektur. 1996 wurde Frank Stella die Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Jenaer Universität verliehen – neunzig Jahre nach Auguste Rodin. Und wie Rodin zu seiner Zeit löste auch Stella mit seiner Kunst eine Kontroverse in der Stadt aus, denn für die einen handelt es sich um Jahrhundertwerke der urbanen Stadtkunst, für die anderen schlicht um „Schrott-Skulpturen“.
Zeitgenössische Kunst als Ausdruck der Transformation in Jena nach 1990
Frank Stella bezeichnete seine Skulpturen selbst als „Ausdrucksformen, sich am Ende des Jahrtausends mit der Welt auseinanderzusetzen“. Die 1995 in New York entstandenen Skulpturen seien durch einen Besuch in Jena während des Abbruchs des Zeiss-Werkes in den frühen 1990er Jahren angeregt worden und symbolisierten den Transformationsprozess von Altem zu Neuem. Namensgebend war das Flusstal des Hudson, das eine zentrale Rolle in der zivilisatorischen Entwicklung der USA und auch in der amerikanischen Landschaftsmalerei spielte und von Stella in weiteren Bildern und Plastiken aufgegriffen wurde. Sie erzählen so von der Transformationsgeschichte des Hudsons-Tales, das einst eine bedeutende Rolle in der Industrialisierung spielte und dessen Städte mit dem Rückgang der Stahlproduktion an Bedeutung verloren. Der Ernst-Abbe-Platz in Jena erzählt seine eigene Transformationsgeschichte: Als Teil des Zeiss-Hauptwerks gestaltete und prägte er die Industrialisierung. Nach 1946/47 wurde das Werk fast vollständig demontiert und in der DDR zum VEB Carl Zeiss Jena wieder aufgebaut. 1990 kam der VEB unter die Verwaltung durch die Treuhand und wurde in den folgenden Jahren umstrukturiert. Mit dem Abriss der Produktionsstätten wandelte sich der Platz in einen Uni-Campus. Stellas Plastiken greifen die Transformationsgeschichte des Ortes auf und verbinden sie mit ihrer eigenen Erzählung zu einer universalen Geschichte von Wandel und Aufbruch.