- Forschung
Meldung vom: | Verfasser/in: Sebastian Hollstein
Ist die Frau zufrieden, dann ist auch mit der Beziehung alles in Ordnung. So lautet eine vermeintliche Regel, die in englischer Sprache gern mit der simplen Formel „Happy wife – happy life“ pointiert zusammengefasst wird und mit der sich auch hierzulande ganze Comedyprogramme füllen lassen. Vereinzelte wissenschaftliche Befunde schienen in den 1980er Jahren durchaus nahezulegen, dass Frauen sensitiver für Beziehungsthemen seien und sich daraus Rückschlüsse auf die Zukunft einer Beziehung ziehen ließen. Doch ein internationales Team von Psychologinnen und Psychologen – darunter auch ein Experte der Friedrich-Schiller-Universität Jena – berichtigt nun diese Fehldeutungen. In einer breit angelegten Studie belegt es, dass sich auch aus der Wahrnehmung der Männer die Zufriedenheit innerhalb einer Beziehung vorhersagen lässt. Über seine Forschungsergebnisse berichtet das Team im renommierten Forschungsmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).
„Wir freuen uns, dass wir dazu beitragen konnten, dieses Klischee zu widerlegen“, sagt Prof. Dr. Franz J. Neyer von der Universität Jena, der an der Studie mitgewirkt hat. „Es passt zwar ins Geschlechtsrollenstereotyp, dass Frauen Beziehungswesen oder auch Beziehungsexpertinnen seien und dass dementsprechend einzig deren Wahrnehmung eine Diagnostizität besäße, aus der man die zukünftige Beziehungszufriedenheit herauslesen könne, aber dafür ließen sich bei unserer systematischen Untersuchung keine Beweise finden. Die Wahrnehmung der Männer ist genauso prädiktiv wie die der Frauen.“
Für ihre Studie befragten die Forschenden insgesamt über 4.000 Paare: 900 von ihnen gaben in tagebuchähnlichen Einträgen Auskunft über ihre Beziehung. Die Angaben von 3.400 weiteren Paaren sind langfristiger angelegt und umfassen einen Zeitraum von fünf Jahren. In beiden Fällen leiteten die Expertinnen und Experten Aussagen zur Entwicklung der zukünftigen Beziehungszufriedenheit ab, die dann auch so eintrafen. „Mit den vorliegenden Ergebnissen beseitigen wir nicht nur gesellschaftliche Stereotype, sondern wir unterstützen damit auch wirkungsvolle therapeutische Ansätze, die Menschen mit Beziehungsproblemen helfen können“, sagt Neyer.
Ende von „pairfam“ – Erfolgsgeschichte geht weiter
Die Langzeitdaten für die Untersuchung stammen aus dem Beziehungs- und Familienpanel „pairfam“, in dem seit 2008 Daten zu partnerschaftlichen und familialen Beziehungen in Deutschland erhoben werden und das nun nach 14 Jahren beendet wird. Im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Studie wurden jährlich bis zu 12.000 Personen, deren Partnerinnen und Partner sowie deren Eltern und Kinder befragt. „Pairfam besaß ein äußerst innovatives Konzept, das nicht nur Fokuspersonen einbezog, sondern ebenso deren familiäres Umfeld, was es uns ermöglichte, auch intergenerationale Beziehungen zu untersuchen“, sagt Franz J. Neyer, der die Forschung zu Paarbeziehungen innerhalb des Projekts acht Jahre lang koordinierte. „Mit den Erhebungen der zurückliegenden Jahre hinterlassen wir einen großen Datenschatz, der für Langzeitanalysen erst jetzt richtig nutzbar wird. Die Erfolgsgeschichte geht also weiter.“
Es gibt keine „Generation Beziehungsunfähig“
Doch schon während der Laufzeit sind aus dem Langzeitprojekt wegweisende Forschungsergebnisse hervorgegangen. Über 200 Publikationen konnten die Forschenden in renommierten Magazinen platzieren. So trug pairfam etwa dazu bei nachzuweisen, dass es die vielbesprochene sogenannte „Generation Beziehungsunfähig“ nicht gibt. „Wir können das aus unserer Perspektive nicht bestätigen. Die meisten Menschen suchen und haben Partnerschaften“, sagt Neyer. Zwar sei der Anteil stabiler Bindungen, die länger als ein Jahr dauern, bei jungen Erwachsenen etwas gesunken, aber der Trend gehe zu kurzfristigeren Beziehungen, so dass sich der Zeitraum, während dem sie in einer Beziehung sind, nicht verändere. „Vielleicht sind junge Erwachsene heute experimentierfreudiger, bevor sie sich langfristig binden“, vermutet der Jenaer Psychologe.
Auch das Suchen und Finden von Partnerinnen und Partnern hat sich in den vergangenen Jahren verändert, arbeiteten die Psychologinnen und Psychologen aus den pairfam-Daten heraus. Das Online-Dating hat deutlich an Bedeutung gewonnen, wovon vor allem Frauen mit hohem Bildungsgrad profitieren, die dadurch häufiger eine Ehe beginnen konnten.
Langzeitpanel bleibt erhalten
Aus der Langzeitstudie gingen dementsprechend wichtige Forschungsimpulse hervor, der wertvolle Datenschatz wird noch lange weitere Ergebnisse ermöglichen und neu entstandene Netzwerke vertiefen die internationale Zusammenarbeit. So kooperieren die Jenaer Psychologinnen und Psychologen beispielsweise mit Kolleginnen und Kollegen aus Kanada, die ein ähnliches Projekt wie pairfam für den nordamerikanischen Staat entwickeln wollen. Und auch das Langzeitpanel von pairfam bleibt erhalten. Es wird im Rahmen des neuen Formats „FreDA – das familiendemografische PanelExterner Link“, das sich ebenfalls den Themen Beziehungen und Familienleben in Deutschland widmet und am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung angesiedelt sein wird, weitergeführt. Auch Franz J. Neyer ist daran weiterhin beteiligt.
Original-Publikation:
D. Johnson, J. A. Lavner, A. Muise, M. Mund, F. J. Neyer, Y. Park, C. Harasymchuk and E. A. Impett: Women and Men are the Barometers of Relationships: Testing the Predictive Power of Women’s and Men’s Relationship Satisfaction, PNAS, DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.2209460119Externer Link
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