Notizen

Was ich kurz loswerden musste

eine kleine Selbstreflektion zum 'Berichten'
Notizen
Foto: Antonia Mesgarha

Ich habe mich immer davor gescheut, zu schreiben und scheue mich immer noch davor. Nicht, weil ich nichts erlebe, dass ich gern festhalten würde. Nicht, weil ich glaube, ich hätte gar nichts zu erzählen, was irgendjemanden vielleicht ein bisschen interessieren könnte. Auch nicht – und das am aller wenigsten-, weil ich keinen Spaß am Umgang mit Worten und Sprache habe. Nein, der einzige Grund dafür, dass ich kaum etwas zu Papier bringe, was ich im Kopf habe, weder Blog, noch Tagebuch, nicht einmal besonders viele Briefe schreibe, ist die Irrelevanz- diese unglaubliche Unbedeutsamkeit, die ich meinen eigenen Gedanken zuschreibe. Wie könnte ich auch nur meinen kleinen individuellen Gedanken erlauben, in einer Welt Platz einzunehmen, die so komplex, vielseitig und riesengroß ist. Wie könnte ich mir anmaßen, die Vielschichtigkeit, das Zusammenspiel aus so vielen Faktoren, die zu ihrem aktuellen Zustand beigetragen haben, zu missachten, indem ich NUR meine Perspektive berichte? Wo doch meine Sicht auf die Dinge so geprägt ist von persönlichen Umständen, von Erfahrung und Erwartung und hindurchgeht durch den Filter des Privilegs meiner Lebensumstände, eingenommen von Zeit und Raum und unfähig über diese Blase hinaus wahrzunehmen und zu erfahren. Wie kann ich mit diesen Hintergedanken Worte aufs Papier bringen, die so unvollkommen, so wenig vielschichtig und wenig allumfassend das beschreiben können, was in der Welt wichtig und viel wichtiger ist, als all das, was ich wahrscheinlich während meines gesamten Lebens je zu erzählen habe?

An einer Stelle macht der Gedankenweg, der mich in der Vergangenheit so oft vom Schreiben abgehalten hat, eine Kurve: Doch vielleicht geht es gar nicht darum, vielleicht ist das nicht der Anspruch eines Texts – ALLES zu berichten – offensichtlich ist es der nicht. Vielleicht darf man sich trotzdem trauen Platz einzunehmen, etwas zu hinterlassen, was nicht all die wichtigen Punkte beachtet, weil EIN Mensch eben auch nicht ALLES sein kann, sondern immer nur ein winziger Teil des Ganzen und die Wahrheit immer aus vielen Wahrheiten besteht.

Uff, man fragt sich wahrscheinlich- wieso schreibe ich das alles an dieser Stelle? :D Ich glaube, um unbeschwert von meinen Erfahrungen berichten zu können, musste ich das kurz loswerden. Mir ist wichtig, dass jede Person, die einen Blick auf diesen Bericht wirft, versteht, ihn einzuordnen- als EINE Erfahrung. Meine Perspektive ist nicht frei von Stereotypen, die wiederrum meine Erwartungen und wiederrum meine Erfahrungen während meines Aufenthalts prägen werden. Doch nun habe ich das Gefühl, an dem Punkt zu stehen, von dem ausgehend ich trotzdem frei berichten kann – ganz persönlich- und ich hoffe sehr, dass ich damit das eine oder andere Interesse wecken oder stillen kann.

LG, Antonia :)  

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Foto: Antonia Mesgarha