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Vorbereitungen
Man las viel. Man las auch die kompletten Memoires von Gandhi und Mandela und den südaf-rikanischen Krimi „13 Stunden“ von Deon Meyer, besuchte die Veranstaltung „Das südliche Afrika zwischen Chancen und Herausforderungen der Philosophischen Fakultät der FSU“, unterzog sich sprachlichen Prüfungen. Man hat sich für PROMOS Stipendium beworben und es erhalten. Man meldete sich bei dem Internationalem Büro der FSU als „Botschafter“ an, und erstellte einen Blog über den Studienaufenthalt in Pretoria an der Universitätswebseite. Man ließ sich immatrikulieren, staunte bei der Breite der Auswahl der Sportkurse der Gastuniversität (Rugby, Cricket, Golf, Yachting, Underwater Hockey…) und meldete sich bei einigen an. Man kontaktiere die zuständigen Personen der Universität Pretoria, besorgte sich das Visum in der Botschaft in Berlin, den internationalen Führerschein bei dem Bürgerservice der Stadt Jena, kaufte ein und packte den carry-on Koffer nach Vorgaben der einen Direktflug anbietenden Lufthansa. Man kündigte das Zimmer bei Studierendenwerk Thüringen, verschenkte die Möbel und das Fahrrad und aß eine letzte Thüringer Bratwurst am Paradiesbahnhof.
Einreise
An dem Oliver Tambo gewidmeten Flughafen in Johannesburg wartete ein sehr freundlicher Mann, der bereit war, einem die Geldautomaten zu zeigen, abzuwarten, den carry-on Koffer tragen zu helfen und einen für ungefähr 30€ bis vor den Eingang in die studentische Residenz Tuksdorp an der Grosvenor Street 538 in Pretoria im Auto mitzunehmen. Auf dem Weg erkundigte sich man über die dortigen Bergwerke, die noch aktuelle Inhaftierung des ehemaligen Präsidenten, die Distanz zwischen Pretoria und den Stränden in Durban und übers Wetter. „In Pretoria the weather is always good,“ sagte der Mann, “The only ocean you can swim in Pretoria is your shower” sagte der gleiche Mann, “wenn Sie ein Auto anmieten, dann nehmen Sie niemals, hören Sie mich, niemals einen Hitchhiker ins Auto mit“ erzählte er weiter „wenn Sie auf einer Kreuzung stoppen müssen, schließen Sie sofort die Türen“ oder „lassen Sie niemals etwas im Auto rumliegen, was man von außen sehen kann“ und so weiter. Das wars mit Lachen. Alles klar. Ich weiß Bescheid. Vielen Dank, bis demnächst!
Am Eingang wartete der Wächter, in einer marineblauen Strickmütze, dicker Jacke und langen Winterstiefeln, es ist ja nur noch August, Frühling, also etwa 15 Grad. „Willkommen Sie“ sagte der Wächter, nachdem ich mich vorgestellt „Warten Sie bitte kurz hier, ich hole Jana, sie begleitet Sie dann weiter“. Ms Fourie, eine der die Tuksdorp Residenz leitenden Personen, also neben Mr. & Ms. Smith und dem Studentischen Ausschuss, dem sogenannten „Mancom“, heißt eigentlich Jana Fourie und war meine erste, und bis zur Einreise die wichtigste, Verbindung in Wohnangelegenheiten.
Die Residenz besteht aus vielen kleinen Häuschen, die entweder als Bungalows oder als 2-stöckige, stark an die Cape Dutch Architecture erinnernde Gebäude mit vielen gärtnerischen Schöpfungen rund um einem bis zu 2 m tiefem Pool unter den Palmen und schmalen, abends beleuchteten Gehwegen zwischen den einzelnen Häusern bis zu Parkplätzen und sämtlichen Rezidenzeingängen. Ich war begeistert. Anders als im benachbarten Stadteil Brooklyn ist der Zaun rund um die Residenz zwar hoch, den elektrischen Draht unter Stromspannung und 2 Meter hohe dicke Mauer ließ man hier aber weg. Hurra, dachte ich, bald fängt der Sommer an und ich studiere, bin eigentlich aber doch im Urlaub!
Das Zimmer am ersten Obergeschoss ist zwar klein, man fühlt sich aber, nach 2 Jahren in einem gleich großem Zimmer während lauter Ausgangssperren am Erdgeschoss in Jena eigentlich wie ein Baas (Afrikaans für Boss, gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung beleidigend). Man begrüßt die Mitbewohner- zwei junge Französen aus Paris und Versailles, die einem den Deutschen aus dem Nebenzimmer vorstellen. Man stellt sich bei den Damen im House 8 vor und los geht’s – Einkaufen. Nicht weit, und man nimmt zurück „ein Uber“, denn es ist hier unglaublich günstig. Am Abend gibt es französischen Dinner, wir sind zu neunt.
Studium
Studienliteratur besorgte man sich nach den Anweisungen der Lehrpersonen im Vorfeld online. Die Lehrbücher waren damit zur Abholung bereit im Bookmarks Laden, der direkt am Campus operiert. Man trifft sich mit Ms Mphahlele, der „Mutti“ der internationalen Studierenden – wie ich selbst Sie gerne nenne - und lässt sich abfotografieren und eine Student Card ausstellen, die als Schlüssel für sämtliche Einrichtungen und Areale der sieben Campuse der Universität Pretoria, zur Bedienung von Geräten, als Ausweis und als Guthabenkarte dient.
Das zweite Semester fängt zum Anfang August an, das erste Anfang Februar. Man registriert sich in Absprache mit Ms Mphahlele, die selbst nur als „Mahlogonolo“, also mit Vornamen vorstellig wird, und mit den zuständigen Personen der jeweiligen Fakultät im Vorfeld der Einreise. Danach geht alles glatt.
Campus
Der Hauptcampus steht in Hatfield, der Sportscampus in Hillcrest, die anderen sind über Pretoria verstreut. Im Hatfield Campus stehen einige Bibliotheken, Kantinen, ein Amphitheater oder eine Kapelle und unter anderem die Fakultäten für Rechtswissenschaft, die Wirtschaftswissenschaften, Politikwissenschaften, Mathematik, Zoologie, Agrarwissenschaften und Informatik. Besonderheiten gibt es allerlei, vor allem sind hier seit 1910 bis in die 2010er Jahren Fakultäten eine nach der anderen entstanden, die jeweils in einem eigenen Baustil angefertigt und in das Areal eingeblendet wurden, ein Spektakel, das mir den Atem raubte, als ich hier zum ersten, zweiten und zu den weiteren Malen, manchmal auch mit anderen Studierenden spazieren gegangen, oder sogar in einem Golfmobil, wie es hier üblich ist, gefahren bin. Es gibt hier einige Springbrunnen und Wasserfälle, einen kleinen Teich und viel, viel grüne – und im Sommer in allen Farben strahlender und nach unzähligen exotischen Düften riechender – Natur. Man findet an jeder Ecke einen geheimen Platz, wo man den Ganzen Tag über beim Lernen rumhocken mag. Am sommerlichen Nachmittag sieht man gelegentlich Gärtner an Rasenflächen, im Schatten der Palmen mit geschlossenen Lidern ruhen, bereits am frühen Morgen sind sie alle da um den Campus, der eigentlich ein großer botanischer Garten zu sein scheint, sauber und in Form zu halten – Pflanzen pflegen, die Bäume sägen, Gehwege fegen, Grass schneiden, gießen, die Springbrunnen reinigen und erst abends geht man wieder Heim. So auch etwa die Professoren, sowie die Köche und Köchinnen, nur die Wächter wechseln höchstens die Schicht und mit ihnen bleibt, zumindest in der Hauptbibliothek der Humanisten, rund um die Uhr das Bibliothekpersonal. Es sind hier einige Kantinen, ein Restaurant, Fastfood-Kiosks, Snack-Automaten und Kaffees mit oder ohne Terrassen, je nach Ort und Einrichtung. Man verbleibt oft den ganzen Tag im Campusareal, wechselt den Standort, die Gesellschaft, mal geht man Klavier oder Orgel spielen, mal spielt man an den Bänken oder den dazu bestimmten Flächen Gartenschach, am Abend nutzt man die dazu gezeichneten Pfade zum Joggen.
Die Stadt
Pretoria ist von einer Seite mit Bergen umringt, auf der anderen ist es flach bis nach Johannesburg und weiter fort. Das Zentrum ist bergab, Hatfield gehört dennoch zum sog. CBD (Abgekürzt für „Central Business District“). Rund um den Campus findet man die Botschaften nahezu aller Völker der Welt, also etwa 135 Stück. Zu Fuß schafft man die altbekannten Aussichtspunkte der Festungen Klapperkop Schanskop, Wonderboomport, der Union Buildings, Freedom Park oder das Voortrekker Monument. Die Stadt verfügt über Dutzende öffentlich zugängliche Freizeitbäder, davon 4 Schwimmbäder mit olympischem Format. Täglich hat man die Gelegenheit, zu Fuß in die Groenkloof Nature Reserve, National Zoological Gardens, National Botanical Gardens, Rietvlei Nature Reserve oder Austin Roberts Bird Sanctuary und so weiter zu gehen. Der größte von Menschenhand geschaffene städtische Wald der Welt und zugleich die größte Stadt in der Welt, die nicht an einem See, Fluss oder einer Küste liegt, Johannesburg, ist etwa 20 km entfernt. Es bietet sich an, die Bergwerke und die Townships, insbesondere Soweto zu besuchen, ein Slum mit der einzigen Straße in der Welt, an der gleich zwei Nobelpreisträger – Präsident Nelson Mandela und Erzbischof Desmond Tutu- gewohnt haben. Von der Endstation Hatfield erreicht man die Endstation in Johannesburg mit dem überregionalen Gautrain in weniger als einer Stunde. Eine weitere Besonderheit sind die sogenannten „Taxis“, die weißen Toyota Minibusse, die bereit sind, jeden abzuholen, und zwar egal wo, die man aber nicht per Telefon anrufen kann, sondern es kommt hier und da immer wieder einer und holt einen ab. Dies erinnert in gewisser Situation stark an den „Fahrenden Ritter“ aus Harry Potter und kommt einem mit seinem unschlagbaren Preis zugute.
Tipps
Zeigt der Ampel rot, geht man los. Wer an roter Ampel steht, zeichnet sich als Ausländer aus – und Ausländer sind bei 34% Arbeitslosigkeit in der Republik gut geeignet, einem ein Mahl zu besorgen. Wenn man zu Fuß geht, läuft man an der linken Seite der Gehwege, sonst stellt sich man den anderen in den Weg und zeichnet sich als Ausländer aus. Wenn man jemanden begrüßt, fragt man „How are you“ oder „Howzit“, das wird als höflich empfunden. Wenn jemand „schäp“ (geschrieben „xap“) sagt, bedeutet das in etwa so viel wie „jawohl“. Reisen Sie viel – Südafrika ist an manchen Stellen sehr arm, an den anderen unvorstellbar reich. Nutzen Sie Ihre Zeit – lernen Sie Menschen kennen, machen Sie Sport, essen Sie auswärts, besuchen Sie Plätze wie Soweto und Stellenbosch oder wie Bergwerke und Nationalparks, besuchen sie beide Ozeane Südafrikas (das Indische, z.B. Durban, sowie den Atlantik, z. B. Cape Town) und wenn es Ihnen gelingt, finden Sie sich Praktikum, denn erst solche Erfahrungen können Sie wirklich in das „echte Leben“ in Südafrika erleben- außerhalb unserer studentischen Bubble.
*Dominik hat auch als Auslandsbotschafter der Uni Jena einen Blog verfasst. Den Link dazu findet man hier.