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Die Stadt Jena hat am 29. September die Bewerbungsunterlagen für das „Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Cottbus abgegeben. Neben dem Unterstützungsschreiben der Thüringer Landesregierung konnten ebenfalls Unterstützerbriefe namhafter Unternehmen, Wissenschaftseinrichtungen und von zivilgesellschaftlichen Akteuren aus Jena, Thüringen, der Jenaer Partnerstädte und der osteuropäischen Partnernetzwerke beigefügt werden, darunter u. a. von Emil Constantinescu, ehemaliger Präsident von Rumänien, dem ehemaligen Vorsitzenden des International Council of Science, Gordon McBean, Carl Zeiss AG, Jenoptik AG, Schott AG, Club of Rome sowie vom Leibniz-Institut für Alternsforschung. Die Stadt geht mit zwei einstimmigen Stadtratsbeschlüssen zur Unterstützung der Bewerbung und zur Übertragung von Grundstücken an den Bund in das Bewerbungsverfahren. Ein einstimmiger Senatsbeschluss der Friedrich-Schiller-Universität, die sich gemeinsam mit der Stadt Jena um das Zukunftszentrum bewirbt, gibt der Jenaer Bewerbung zusätzliches Gewicht.
„Die Zukunft bleibt anders“
Rückenwind für die Jenaer Bewerbung gab zudem die Kommunikationskampagne „Die Zukunft bleibt anders“ mit der zentralen Webseite www.diezukunftbleibtanders.deExterner Link. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden in den vergangenen Monaten über Webseite, Social Media und bei öffentlichen Veranstaltungen mit Informationen zum Zukunftszentrum in Jena erreicht. Sie waren eingeladen, ihre eigenen Erzählungen von Umbrüchen und Aufbrüchen zu teilen. Zudem wurden einige Transformationsgeschichten von Menschen aus Osteuropa dadurch sichtbar gemacht, dass sich zwei Mitglieder des Jenaer Bewerbungsteams auf eine Reise begeben haben, die sie in 10 Tagen durch 10 Länder Osteuropas führte. Keine andere Bewerberstadt hat in diesem Umfang bereits konkrete Transformationserfahrungen sichtbar gemacht und Anknüpfungspunkte für die künftige Arbeit des Zukunftszentrums in Jena bereitgestellt.
Bei einer Pressekonferenz, die am 29. September 2022 anlässlich der Abgabe der Bewerbungsunterlagen in der Thüringer Landesvertretung in Berlin stattfand, bekräftigte Ministerpräsident Bodo Ramelow die Unterstützung der Thüringer Landesregierung für Jena als zukünftigen Standort des Zukunftszentrums: „Die Bewerbung von Jena ist ein Glücksfall. Jena erfüllt alle Anforderungen, die im Rahmen des Standortwettbewerbes von der Bundesregierung formuliert wurden, in ausgezeichneter Weise. Insbesondere durch die Zusammenarbeit mit der Friedrich-Schiller-Universität nimmt Jena eine bedeutende Führungsrolle ein, wenn es um die Erforschung und Umsetzung von Projekten zu Zukunftsthemen geht.“
Oberbürgermeister Dr. Thomas Nitzsche sagte bei der Vorstellung des Bewerbungskonzeptes: „Jena hat eine eigene, für eine ostdeutsche Stadt dieser Größe besondere Transformationsgeschichte zu erzählen. Neben den Umbrüchen und Verwerfungen der Wendezeit kann Jena auch von Aufbrüchen, neuen Chancen und einer erfolgreichen Entwicklung berichten. Ich bin überzeugt: Ein Zukunftszentrum kann nur funktionieren, wo die Gesellschaft vor Ort beides erlebt hat, und wo sich diese Vielfalt der Erfahrungen abbilden kann.“
Eichplatz als Standort
Er stellte weiterhin die Vorteile des Standortes Jena heraus: „Mit dem Eichplatz hat Jena einen idealen Standort für das Zukunftszentrum: mitten im Zentrum gelegen, mit bewegter Transformationsgeschichte und bis heute Sinnbild für Demokratie und Bürgerbeteiligung. Keine andere Bewerberstadt hat einen vergleichbar zentralen Platz in der Innenstadt anzubieten, der von so hoher Lebensqualität geprägt ist, an dem sich Besuchende wirklich gern aufhalten möchten. Für mich ist klar: Wir wollen das Zukunftszentrum in Jena, aber auch umgekehrt: das Zukunftszentrum selbst möchte nach Jena.“
Neben dem attraktiven Standort, einer engagierten Zivilgesellschaft und der ganz eigenen Transformationsgeschichte Jenas bringt die Stadt ebenfalls eine exzellente Wissenschaftslandschaft und ein weitreichendes Netzwerk nach Osteuropa mit in die Bewerbung um das Zukunftszentrum ein.
Jena verfügt über eine exzellente Wissenschaftslandschaft und ist ein international renommiertes Zentrum der Transformationsforschung. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena und mehrere Forschungsinstitutionen vor Ort beschäftigen sich seit langem mit den Ursachen, Auswirkungen und Erfahrungen von Umbrüchen, sowohl vor und im Besonderen nach 1989/90, aber auch mit Umbrüchen der Gegenwart und Zukunft. In Jena forschen exzellente Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler und entwickeln Szenarien, wie die Transformationen, die uns bevorstehen, gelingen können. Von diesen Synergieeffekten wird ein Zukunftszentrum in Jena enorm profitieren. Das sieht auch der Senat der Universität, der in einem einstimmigen Beschluss dem Zukunftszentrum die Unterstützung der ganzen Universität zugesagt hat.
Prof. Dr. Walter Rosenthal, Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Das Zukunftszentrum wird in Jena in unmittelbarer Nähe zum Imre Kertész Kolleg errichtet. Durch dieses Wissenschaftskolleg ist das Zukunftszentrum direkt mit zahlreichen Partnern in Osteuropa verbunden. Die Geschäftsführerin des Imre Kertész Kollegs, Daniela Gruber, sagte bei der Vorstellung: „Keine Bewerberstadt hat ein so weitreichendes Netzwerk in das östliche Europa hinein. Das Imre Kertész Kolleg ,Europas Osten im 20. Jahrhundert' hat in den vergangenen zwölf Jahren mit seinem umfangreichen Fellow-Programm mit über 150 Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftlern ein wissenschaftliches Netzwerk in der Region geschaffen, das von Ostmitteleuropa über Südosteuropa bis in die Nachfolgestaaten der Sowjetunion reicht. Es ist ein in dieser Form einzigartiges Netzwerk, das für das Zukunftszentrum ein sehr vielversprechendes und fruchtbares Umfeld bietet, von dem die dort zukünftig angesiedelte Forschung nur profitieren kann. Das ist ein echter Standortvorteil, der es ermöglicht, dass die Forschungsarbeit am Zentrum quasi sofort beginnen kann."
Was die Jenaer Bewerbung auszeichnet und für den Jenaer Standort spricht
In Jena wird Transformation aktiv gestaltet
- In Jena waren – wie in jeder anderen Region Ostdeutschlands – die sozialen und wirtschaftlichen Erschütterungen und Verwerfungen, die der Friedlichen Revolution nach 1989 überall in Ostdeutschland und Osteuropa folgten, deutlich erfahrbar. Massenentlassungen passierten.
- Jena hat jedoch eine eigene, für eine ostdeutsche Stadt dieser Größe besondere Transformationsgeschichte zu erzählen, die von Aufbrüchen und Neuorientierungen geprägt ist. Seit der Wiedervereinigung hat sich die Stadt erfolgreich entwickelt.
- Der Blick auf das Umland Jenas macht die Heterogenität noch deutlicher. Neue, prosperierende Unternehmen wie die Analytik AG, Abbott oder INTERSHOP in Jena stehen abgewickelten Unternehmen wie z. B. dem Pößnecker Wälzlagerhersteller ROTASYM gegenüber. Weiterhin schrumpfende Städte mit ausgedünnter sozialer Infrastruktur bilden ein Gegenbild zu Jena, das (inter)nationalen Zuzug erlebt.
- Das Zukunftszentrum muss eins leisten: die Heterogenität dieser Erfahrungen in Ostdeutschland und im östlichen Europa – die sich je nach Herkunft, Sozialisierung und Bildungsgrad deutlich voneinander unterscheiden – gerecht werden und die individuellen Erfahrungen der Menschen in ihrer Vielfalt abbilden. Städte aus dem Umland Jenas waren daher direkt in den Bewerbungsprozess für das Zukunftszentrum eingebunden.
Jena ist als Ort demokratischer Beteiligung und starker Zivilgesellschaft ein Nährboden für das Zukunftszentrum
- Jena ist ein Ort, an dem Erfolg durch demokratische Beteiligung erlebbar wird.
- Als ein Beispiel für Transformation mit Schattenseiten diente lange Jahre der Rechtsextremismus in Jena. Die Täter des NSU kamen aus Jena.
- Es ist einer starken Zivilgesellschaft und einem starken Netz politischer Bildungsakteure zu verdanken, dass die Transformationsfolgen des Rechtsextremismus in Jena erfolgreich bekämpft werden konnten. Jena steht heute für eine erfolgreiche Rückdrängung des Rechtsradikalismus. Die Stadt hat sich diesem Aufarbeitungsprozess gestellt und stellt sich auch heute noch. Mit dem Programm „Kein Schlussstrich“Externer Link hat Jena im vergangenen Jahr deutschlandweite Aufmerksamkeit erlangt.
- Die Vielfalt des Engagements in Jena ist „Nährboden“ für die zivilgesellschaftliche Arbeit des geplanten Zukunftszentrums. Jena hat eine Stadtgesellschaft, die sich das Zentrum aneignen wird und zu einem lebendigen Ort werden lässt. Damit wird vor Ort im Zentrum gelebt, was das Zentrum ausstrahlen soll: Transformation muss miteinander demokratisch gestaltet werden, um erfolgreich zu sein.
Jena verfügt über einen attraktiven Standort im Zentrum der Innenstadt
- Mit dem Eichplatz hat Jena einen idealen Standort für das Zukunftszentrum: mitten im Zentrum gelegen, keine 400 Meter vom Bahnhof entfernt, mit bewegter Transformationsgeschichte und bis heute Sinnbild für Demokratie und Bürgerbeteiligung.
- Keine andere Bewerberstadt hat einen so zentralen Platz in der Innenstadt anzubieten, an dem sich die Besuchenden auch wirklich gern aufhalten möchten, da die Umgebung von hoher Lebensqualität geprägt ist – Cafés, Restaurants, Museen, das Theaterhaus Jena, das ZEISS-Planetarium, der Botanische Garten, der Paradiespark als grüne Lunge der Stadt, die Saale als Naherholungsgebiet – all das befindet sich in einem Radius von 500 Metern zum Zukunftszentrum.
- Dabei steht der Eichplatz als Sinnbild für Transformation und kooperative Stadtentwicklung mit aktiver Bürger:innenbeteiligung: Jahrzehntelang wurde um die Gestaltung des Areals gerungen und gestritten, vier Planverfahren scheiterten. Aus dieser Erfahrung heraus entschied sich die Stadt 2015 für einen umfangreichen Bürgerbeteiligungsprozess. Der städtebauliche Rahmenplan für das Eichplatzareal ist das Ergebnis eines Werkstatt- und Beteiligungsverfahrens. Andere Bewerberstädte müssen einen Beteiligungsprozess erst starten. Die Stadt Jena hat bereits den Rahmenplan für die Entwicklung des Prozesses vorliegen.
- Das Zukunftszentrum wird in Jena einen immensen Raum in der Innenstadt einnehmen. Nicht nur die Stadt übergibt Grundstücke an den Bund, sondern auch die Universität Jena. Das unterstreicht die Partner-Bewerbung und enge Kooperation von Stadt und Universität, die einzigartig ist bei den Bewerberstädten.
Jena ist wissenschaftlicher Exzellenz-Standort und Zentrum für Transformationsforschung
- Jena verfügt über eine exzellente Wissenschaftslandschaft und ist ein international renommiertes Zentrum der Transformationsforschung. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena und eine Vielzahl weiterer Forschungsinstitutionen beschäftigen sich seit langem mit den Auswirkungen und Erfahrungen von Umbrüchen. Einschlägig ausgewiesene und renommierte Sozialwissenschaftler:innen forschen in Jena zu Transformationen.
- Dabei verfügt die Universität Jena über langjährige und herausragende Expertise in der Erforschung der Transformationen vor und im Besonderen nach 1989/1990, sowohl mit Blick auf (Ost-)Deutschland als auch auf die Länder des östlichen Europas.
- Nicht nur Expertise für die Erforschung vor und nach 89/90, sondern auch ein starker Gegenwartsbezug der Sozialwissenschaften zeichnen den Wissenschaftsstandort Jena aus. Fragen aktueller Forschungsvorhaben sind u. a.: Wie werden der Umgang mit dem Klimawandel und die notwendige sozialökologische Transformation unserer Gesellschaft, oder auch die wachsende Skepsis oder gar Bedrohung demokratischer Grundwerte von den Transformationen der letzten Jahrzehnte bestimmt?
- Die Universität unterstützt Irina Scherbakowa und Memorial – die Internationale Gesellschaft für historische Aufklärung, Menschenrechte und soziale Fürsorge –, die wissenschaftliche Arbeit im Exil fortzusetzen. Scherbakowas Aufenthalt wird zu einem Teil von der Thüringer Staatskanzlei, zum überwiegenden Teil von der Körber-Stiftung finanziert. Sie steht in direktem Kontakt mit dem Imre Kértész Kolleg. Ab 1. Januar 2023 steht ihr eine gestiftete Stelle zur Verfügung. Die Universität stellt dem Archivar von Memorial Russland für zwei Jahre eine Mitarbeiterstelle zur Verfügung.
Jena hat mit dem Imre Kertész KollegExterner Link ein einzigartiges Netzwerk nach Osteuropa
- Das Imre Kertész Kolleg „Europas Osten im 20. Jahrhundert“ hat in den vergangenen zwölf Jahren mit seinem umfangreichen Fellow-Programm (über 150 Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler) ein wissenschaftliches Netzwerk im östlichen Europa geschaffen, das von Ostmitteleuropa über Südosteuropa bis in die Nachfolgestaaten der Sowjetunion reicht. Keine andere Bewerberstadt kann ein solch weitreichendes Netzwerk in das östliche Europa hinein vorweisen.
- Ein Forschungsschwerpunkt am Imre Kertész Kolleg ist „Challenges of Modernity“ mit Transformation und sozialem Wandel. Das Ziel ist, ein besseres Verständnis der Erfahrungen Mittel- und Osteuropas in der Zwischenkriegszeit, während des Sozialismus und in den Transformationsprozessen nach 1989 und ihren tiefen sozialen Verwerfungen zu fördern.
- Seit Sommer 2021 besteht ein von der Volkswagen-Stiftung gefördertes Forschungsprojekt im Verbund zwischen Jena, Erfurt, Budapest, Prag, Warschau.
- „Cultures of History Forum“ ist eine am Imre Kertész Kolleg Jena angesiedelte Online-Zeitschrift, die hinterfragt, wie die Gesellschaften Mittel-, Ost- und Südosteuropas Geschichte debattieren und reflektieren.
Die Vision für ein Zukunftszentrum in Jena
- Ein offenes Bürger:innen-Haus für grenzüberschreitendes Erinnern, Forschen und Diskutieren.
Das Zukunftszentrum wird nicht nur ein Ort für Wissenschaft und Politik sein, sondern eine lebendige Werkstatt und ein innovatives Forum, in dem sich die Besucher:innen auf Grundlage der eigenen Erlebnisse und der Erfahrungen anderer auf die Suche begeben nach nachhaltigen Lösungen für die aktuellen Herausforderungen in Deutschland und ganz Europa. - Demokratisch: ein Lernort für gelebte Bürger:innenbeteiligung und die Stärkung von Demokratiekompetenzen.
In Anbetracht der sinkenden Zustimmung zur parlamentarischen Demokratie, des Zuspruchs zu rechtspopulistischen Positionen und der Verhärtung der gesellschaftlichen Debatte in Ostdeutschland, im östlichen Europa, aber auch darüber hinaus, muss die Stärkung der Demokratie und der dafür benötigten Fähigkeiten zentrales Anliegen des geplanten Zukunftszentrums sein. Jena kann dabei seine Erfahrungen der Gestaltung demokratischer Prozesse und breiter Bürgerbeteiligung einbringen. - Gemeinsam: die Vielfalt der Initiativen und Netzwerke in Jena, der Region sowie Mittel- und Osteuropa wird Nährboden für die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit:
Das Zukunftszentrum wird ein Ort, der zum Mitmachen anregt und für die Besucher:innen Transformation als etwas erfahrbar macht, das gemeinsam im demokratischen Miteinander gestaltet werden kann. - In dem Sinne ist das Zukunftszentrum auch transformierend: ein Ort, der Transformation erlebbar werden lässt und zum Mitgestalten aufruft.
- Nachhaltig: ein auf die bevorstehenden Transformationen ausgerichtetes Gebäude, aber auch ein Raum, der weit über Jena hinaus zur nachhaltigen, gerechten Entwicklung der Gesellschaften beiträgt und Fragen der Zukunft gemeinsam sichtbar macht sowie Lösungen anbietet.