Meldung vom: | Verfasser/in: Sebastian Hollstein
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Beobachtungsgabe ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die Studierende der Biologie entwickeln müssen. Denn das Erkennen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bei Pflanzen und Tieren sowie von Einflüssen aus der Umgebung ist elementar, um evolutionsbiologische Prozesse zu verstehen. Deshalb stellt Prof. Dr. Holger Schielzeth, Ökologe an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, das Beobachten in den Mittelpunkt seiner Übung zur Evolutionsbiologie und hat damit Erfolg – nicht nur bei den Studierenden. Denn Schielzeth erhält für die Lehrveranstaltung den diesjährigen Lehrpreis der Universität Jena im Themenschwerpunkt „Förderung eigenständigen Studierens und wissenschaftlichen Arbeitens“. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 2.500 Euro verbunden, das die Sparkassenstiftung Jena-Saale-Holzland zur Verfügung stellt, und wird während des „Dies Legendi“ am 22. November 2022 verliehen.
Im Zentrum von Schielzeths Konzept steht ein Simulationsprogramm, das den Studierenden die Möglichkeit bietet, in einem frühen Stadium des Bachelorstudiums grundlegende evolutionsbiologische Prinzipien nahezu spielerisch selbst zu entdecken. Der Jenaer Ökologe verwendet dafür die in den USA entwickelte Modellierungsumgebung „NetLogo“, mit der sich verschiedene Simulationsmodelle entwickeln und anpassen lassen.
Digitale Mäuse vom Aussterben bedroht
Während der Übung „Evolutionsbiologie“ können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beispielsweise auf einer entsprechenden vereinfachten Oberfläche die Entwicklung einer Mäusepopulation mit verschiedenen Genvarianten gestalten. Durch Regler lassen sich die Rahmenbedingungen des Models manipulieren, Fressfeinde können an- und abgeschaltet werden und unterschiedliche Helligkeiten des Hintergrundes markieren unterschiedliche Umgebungsbedingungen, die ebenfalls Einfluss auf die Entwicklung der Tiere haben. Im Zeitraffer erleben die Nutzerinnen und Nutzer dann, wie sich bestimmte Parameter auf die Entwicklung der Population auswirken. Gibt es etwa besonders viele schwarze Mäuse auf einem hellen Hintergrund, dann sind sie schnell vom Aussterben bedroht, da Greifvögel sie besser erkennen und jagen können. Bestimmte Genvarianten setzen sich bei der Reproduktion durch und verdrängen andere Kombinationen.
„Die Studierenden sollen mit dem Programm spielen, verschiedene Settings ausprobieren und dann beobachten, was passiert“, erklärt Holger Schielzeth. „Auf diese Weise erleben sie zum einen schlaglichtartig evolutionsbiologische Prinzipien wie Selektion oder genetische Drift. Zum anderen lernen sie, aufmerksam zu sein, zu beobachten, Abweichungen zu erkennen, das Beobachtete zu hinterfragen und Hypothesen zu bilden – eben all das, was wissenschaftliches Arbeiten in unserer Disziplin ausmacht.“
Simulationen kennenlernen, soziale Kompetenzen stärken
Über ihre Ergebnisse tauschen sich die angehenden Biologinnen und Biologen in Kleingruppen aus und stellen sie dann in einer Kurzpräsentation zur Diskussion. Auch diese Teamarbeit ist dem Jenaer Ökologen wichtig, denn so gleichen sich unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten an, soziale Kompetenzen werden gefördert und die Studierenden sammeln Erfahrungen im wissenschaftlichen Diskutieren. Erst nach diesem Prozess schaltet sich der Lehrende erneut ein, wertet die Präsentationen aus und geht explizit auf die evolutionsbiologischen Inhalte ein. „Selbst für mich sind die Beobachtungen, die die Teilnehmenden gemacht haben, spannend. Manchmal tauchen in der Simulation Phänomene auf, die ich auch nicht sofort erklären kann“, sagt Schielzeth. „Die Diskussionen sind daher sehr lebendig und fruchtbar.“ Die Rückmeldungen zur Übung seien entsprechend positiv.
Zudem arbeiten die Studierenden in einer sehr frühen Phase ihres Studiums mit wissenschaftlichen Daten und Simulationsmodellen, die in vielen wissenschaftlichen Disziplinen inzwischen zu einem Standardwerkzeug geworden sind. Aus diesem Grund soll Schielzeths Übung in Zukunft auch in das Zertifikatsprogramm zu Data-Literacy der Universität Jena (DaLiJe) aufgenommen werden.