- University of Rhode Island
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Ich habe mich für zwei Seminare eingetragen. Im Kurs „International Ocean Law“ ging es um völkerrechtliche Verträge im Seerecht. Weitere maritime Themenschwerpunkte waren Klimawandel und die damit verbundenen Herausforderungen, politische Konflikte und internationale Organisationen, die sich mit Seerecht beschäftigen. Ich hatte zwei Veranstaltungen pro Woche, für die ich jeweils Literatur vorbereiten musste. An dem Kurs hat mir insbesondere die Leidenschaft der Dozentin für das Thema gefallen und die hohe Diskussionsbereitschaft der Student*innen. Den Kurs hat in mir das Interesse für Seerecht geweckt, die Inhalte habe ich als sehr bereichernd für mein weiteres Studium empfunden. Mein zweiter Kurs hieß „Theories of Nonviolence and Peace“, dabei ging es zum einen um theoretische Annäherungen an friedvollen Widerstand in Situationen, die durch Ungerechtigkeit geprägt sind, sowie um praktische Ausprägungen in Vergangenheit und Gegenwart. Dieser Kurs hat mir verschiedene Theoretiker*innen und Aktivist*innen nähergebracht und mich auch auf persönlicher Ebene über den friedvollen Umgang mit meinen Mitmenschen nachdenken lassen. Der Dozent war ein ehemaliger Mönch aus Tibet und seine Einstellungen zum Leben und seine Erfahrungen haben mich sehr beeindruckt.
In beiden Kursen musste ich bereits während des Semesters Prüfungsleistungen ablegen. In International Ocean Law hat sich meine Endnote aus Beteiligung am Unterricht, zwei Klausuren und einer Hausarbeit (bestehend aus Exposé, 1. Version und 2. überarbeiteter Version) zusammengesetzt. In Theories on Nonviolence and Peace zählte auch die Beteiligung im Unterricht, eine Podcastfolge, Hausarbeit und Präsentation sowie ein Reflektionspapier als Prüfungsleistung. Gemessen an der Menge der Prüfungsleistungen und der Credits, die ich für die Kurse bekomme, musste ich deutlich mehr arbeiten als in Jena. Die Kürze des Semesters hat dazu geführt, dass ich bereits vor Weihnachten alle Prüfungen absolvierte. Zum einen war es toll, Weihnachten entspannt zu verbringen, zum anderen hat mich das stark komprimierte Semester insbesondere am Ende stärker gestresst. Allerdings war es leichter, sehr gute Noten zu bekommen und Fristen für Abgaben zu verschieben. Meine Kommilitonen in den beiden Seminaren waren großartig. Ihre Hilfsbereitschaft, ihr Interesse und ihre Diskussionsfreudigkeit haben für eine angenehme Lernatmosphäre gesorgt.
Als weitere Prüfungsleistung habe ich ein gemeinsames Forschungsprojekt mit einer Professorin des Instituts für Politikwissenschaft durchgeführt. Dabei geht es um die Faktoren, die die öffentliche Meinung zu internationalen Organisationen beeinflussen. Konkreter untersuchen wir, wie Positionen von politischen Eliten die öffentliche Meinung über die Vereinten Nationen, die NATO und die Weltgesundheitsorganisation beeinflussen. Im Laufe des Projektes hatten wir entschieden, uns damit bei der Konferenz der Midwest Political Science Association (MPSA) zu bewerben, die Anfang April 2022 in Chicago stattfindet. Wir wurden angenommen. Im Moment arbeiten wir an einem einen schriftlichen Beitrag und einer Präsentation für diese Konferenz. Ich habe für unser Projekt selbstständig Recherchen durchgeführt und die Ergebnisse schriftlich zusammengefasst. Die Professorin hat die Berechnungen durchgeführt und meine schriftlichen Arbeiten verbessert. Diese Zusammenarbeit hat mir umfassende Einblicke in das wissenschaftliche (Zusammen-)Arbeiten gegeben und die Möglichkeit, meine Arbeit auf einer Konferenz vorzustellen, ist einmalig.
Erfahrungen mit und auf dem Campus
Der Campus der University of Rhode Island ist wie eine kleine Stadt organisiert. Alle Gebäude der Universität befinden sich an einem Ort, genauso wie einige Wohnheime, Sportstätten, Mensen, die Bibliothek und ein paar Geschäfte. Der Campus liegt in einem ländlichen Gebiet, mit Busanbindungen zum nächsten Bahnhof und zur Hauptstadt des Bundesstaates Rhode Island, Providence. Supermärkte, Bars, Clubs oder Gaststätten sind nur mit dem Auto zu erreichen. Aufgrund der abgeschiedenen Lage und dass es für mich nicht in Frage kam, für vier Monate ein Auto zu kaufen, entschied ich mich für einen Platz im Wohnheim.
Mein Wohnheim war Teil es „International Engineering Programs“ der Universität und dem-entsprechend haben dort viele Studierende der Ingenieurs- und Sprachwissenschaften gelebt. Typisch für das amerikanische College Life hatte ich nicht die Möglichkeit, in einem Einzelzimmer zu wohnen, sondern habe mir mein Zimmer geteilt. Meine Zimmerpartnerin war eine Bachelorstudierende im zweiten Jahr. Wir haben uns gut verstanden, obwohl wir teilweise sehr unterschiedliche Interessen und Tagesabläufe hatten. Dafür, dass ich mir noch nie mein Zimmer geteilt habe, lief es gut zwischen uns beiden, aber das Zimmer zu teilen ist keine Erfahrung, die ich nochmal brauche. Im Preis für das Wohnheim war außerdem die Essensversorgung inbegriffen, wir hatten eine eigene Kantine mit Köchen. Dadurch hat man jeden Tag den Großteil der Bewohner*innen getroffen und mit diesen geredet. Das ist zum einen schön, da man immer jemanden zum Austauschen findet, andererseits kann es auch anstrengend sein, wenn man jeden Tag mit über 60 Leuten in Kontakt kommt. In meinem Wohnheim haben viele andere Austauschstudent*innen gewohnt, der Großteil aus den Ingenieurswissenschaften und aus Deutschland. Mit einem Teil der Austauschstudierenden habe ich mich sehr gut verstanden, aber mit einem anderen Teil bin ich ehrlicherweise nie warm geworden. Was zum einen daran lag, dass ich eine hohe Arbeitslast hatte, während Austauschstudierende im Bachelor weniger ausgelastet waren. Die Stimmung hat sich dann an einigen Abend von einer Living and Learning-Community zu einer Hostelatmosphäre gewandelt. Ein Vorteil des Wohnheims war, mit vielen Amerikaner*innen in Kontakt zu kommen. Bei meinem Erasmus-Austausch im Bachelor hatte ich kaum Kontakt zu Menschen aus dem Gastland, aber in den USA sehr stark. Die Gespräche waren interessant und eine meiner liebsten Erinnerungen im Wohnheim sind die Halloweenparty und gemeinsame Spieleabende. Ein ungewöhnlicher Zwischenfall in dem Wohnheim ereignete sich nach einem Sturm im Herbst, als wir für 48 Stunden keinen Strom oder W-Lan hatten. Das war eine starke Einschränkung und wohl niemand hätte gedacht, dass das in den USA passieren können.
Die Coronaregeln auf dem Campus habe ich prinzipiell als sehr gut empfunden. Alle Student*innen und Angestellten mussten doppelt geimpft sein, Maske in den Gebäuden der Universität tragen und es wurden kostenlose PCR-Tests auf dem Campus angeboten. Mit der einsetzenden Omicronvariante haben diese Maßnahmen dann nicht mehr ausgereicht, weshalb es in meinem Wohnheim in der letzten Woche des Semesters ein größeres Ausbruchgeschehen gab. Nur durch Glück habe ich mich nicht angesteckt. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mich gegen eine Ansteckung noch mehr hätte schützen können, außer ich hätte weitestgehend auf meine sozialen Kontakte verzichtet. Durch die vielen Fälle konnte ich mich von drei engeren Freund*innen nicht mehr verabschieden, was in dem Moment weh getan hat.
Auf dem Campus gab es einige Möglichkeiten, Freizeitaktivitäten nachzugehen. Mir hat es besonders Spaß gemacht, Sportveranstaltungen zu besuchen. Es wird ein großer Hype um einige der Universitätsmannschaften gemachten, insbesondere beim Basketball und American Football. Die Stadien dafür sind riesig und die Stimmung grandios. Außerdem gab es jeden Tag Vorträge und Workshops zu verschiedenen Themenbereichen. Oftmals konnte man dabei etwas kleines Basteln oder andere Goodies abgreifen. Hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich mich sicherlich in einem der zahlreichen Studiclubs engagiert, die es zu einem diversen Themenspektrum gab. Freund*innen von mir waren bei der Leichtathletik, beim Segeln oder beim Roboter-bauen. Als Student*in hat man die Möglichkeit, das große Fitnesscenter und Sportkurse kostenlos zu benutzen. Das habe ich getan, im Fitnesscenter gesportelt und an Meditations- und Spinningklassen teilgenommen.
Erfahrungen auf Reisen
Ich war sehr daran interessiert, meine unmittelbare Umgebung und andere Staaten der USA kennenzulernen. Denn wenn man sich wochenlang nur auf dem Campus aufhält, kann man leicht vergessen, überhaupt in den USA zu sein. Rhode Island ist ein wunderschöner Staat, mit kilometerlangen Stränden, Inseln und Wäldern. Im September und Oktober konnte ich noch am Strand liegen und schwimmen. Der “Ocean State” ist geprägt durch das Meer, und ich habe es genossen durch Fischerdörfer und am Strand zu spazieren. Providence ist eine nette Abwechslung zum ländlichen Teil des Staates, mit Malls, der renommierten Brown University und Geschäften.
Außerdem habe ich es geliebt, wie Amerikaner*innen den Herbst feiern. Mit meiner Zimmer-bewohnerin habe ich ein Wochenende in ihrer Heimatstadt in Massachusetts verbracht. Wir sind gemeinsam auf Bauernhöfe gefahren, haben Äpfel gepflückt und waren in DEM Ort für Halloween, Salem. Ich habe ihre Familie kennengelernt und ein Wochenende in Familie zu verbringen, war toll.
Mit Freund*innen aus dem Haus bin ich zudem nach New Hampshire und Chicago verreist. Nach New Hampshire sind wir mit einem Leihauto gefahren, um die herbstlichen Verfärbungen der Laubwälder („Indian Summer“/Fall Foliage) zu beobachten. Es war atemberaubend schön und wir könnten sogar in den White Mountains, ein Teil der Appalachen, wandern. Nach Chicago sind wir mit dem Flugzeug geflogen. Jedes Mal, wenn ich in größere amerikanische Städte gereist bin, hat es sich wie im Traum angefüllt. Wir könnten Orte und Museen besuchen, die wir aus Fernsehserien kannten, das war wirklich überragend. Die Museen und Kunstgalerien in den USA sind meistens riesig und bestens ausgestattet mit einzigartigen Ausstellungsstücken. Ein absolutes Highlight meines Aufenthaltes war meine Reise nach Vancouver/Kanada an Thanksgiving. Ich habe eine kanadische Kommilitonin getroffen, die ich aus Jena kannte. Sie hat mir Vancouver gezeigt und wir haben einen Ausflug in die verschneiten Berge in den Olympiaaustragungsort Whistler gemacht. In den letzten Wochen war ich zudem noch in Boston und New York. Boston ist eine etwas kleinere Stadt, dafür umso interessanter für seine abwechs-lungs- und bedeutungsreiche Geschichte.
Alles in allem habe ich meinen Auslandsaufenthalt an der University of Rhode Island als sehr bereichernd empfunden. Es war toll, in einem Land zu leben, das ein bisschen weiter weg ist von Deutschland und eine Kultur und Gesellschaft kennenzulernen, die sich mehr von dem aus Europa gewohnten kulturellen Umfeld unterscheidet. Ich habe sehr nette Menschen kennengelernt, leckeres Essen probiert und viele verschiedene Orte besuchen können. Die Kurse an der Universität waren super und die Leidenschaft der Dozent*innen für ihre Forschungsbereiche inspirierend. Ihr Feedback auf meine Arbeiten motiviert mich für anstehende akademische Herausforderungen. Ich habe festgestellt, dass ich die Vorzüge, in einer Stadt zu leben, vermisst habe. Ich hätte gerne noch mehr in meiner unmittelbaren Umgebung entdeckt, allerdings ist das ohne Auto nicht möglich. In einem amerikanischen Wohnheim im engen Kontakt zu den anderen Bewohner*innen zu leben war okay, aber ich habe festgestellt, das für mich WGs während des Studiums die perfekte und überschaubarere Wohnform sind. Meine vielen Ausflüge und Wochenendtrips waren eine wichtige Abwechslung zum Studi-Alltag. Ich bin sehr, sehr dankbar für die Möglichkeit, dass ich ein Semester in den USA verbringen konnte. Ich habe so viele Orte gesehen und Menschen kennengelernt, von denen ich noch lange erzählen werde. Das Auslandssemester hat mir wieder gezeigt, wie bereichernd es sein kann, Deutschland zu verlassen und dass ich große Herausforderungen, die so ein Semester mit sich bringt, meistern kann.