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Mehr Meer und weniger Land
Tatsächlich sehr offensichtlich, denn wohin man schaut man kann ziemlich schnell das große weite Meer sehen und erreichen. Der Horizont verschwindet im Ozean und die besten Sonnenuntergänge sieht man dort, wo die Sonne abends ins Meer abtaucht. Es ist wahnsinnig schön und beruhigend diese riesigen Wassermassen um sich zu haben und an den Küsten weht einem der Salzduft und Nieselwellen-Nebel entgegen. Je nachdem, auf welcher Insel man ist, hat man unterschiedlich schnell die Insel umrundet und kann auf Aussichtspunkten sogar an mehreren Seiten den Ozean sehen. Es ist ein riesiger Luxus so schnell am Meer zu sein, man muss nur das Handtuch einpacken und man kann mal eben ins Wasser springen oder am Meer picknicken. Mein Plan, jeden Tag im neuem Jahr baden zu gehen hat bisher auch ganz gut geklappt (so zu 90%) und mit um die 15°C ist es erfrischend aber auch immer eine kleine Herausforderung. :)
Probier's mal mit Gemütlichkeit
Die Menschen hier prägt eine allgegenwärtige Gelassenheit und Offenheit, die vermutlich der wahnsinnig schönen Natur und der Lage fernab der geschäftigen und globalisierten Zivilisation geschuldet ist. Das ist auch auf bürokratischer Ebene und im Arbeitsfeld zutreffend, aber vor allem menschlich herrscht eine sehr schöne entspannte Atmosphäre. Ich habe super gute Erfahrungen beim Trampen gemacht und wurde von sehr netten Leuten ohne lang warten mitgenommen. Auch wenn man irgendwo Hilfe oder Auskunft braucht, wird einem sehr schnell weitergeholfen. Zu dieser Entspanntheit kommt auch ein Gefühl von Sicherheit, denn quasi keiner hat hier Angst, ausgeraubt zu werden. Man könnte seine Wohnung theoretisch einfach offenlassen und wenn man irgendwo eine Tasche liegen lässt, ist sie fünf Stunden später sicherlich immer noch da. Ich habe auch am Anfang überlegt, ob ich mir überhaupt ein Fahrradschloss kaufe, habe es dann aber doch gemacht. Sehr angenehm ist es auch, nicht immer die ansteckbaren Fahrradlichter abmachen zu müssen und wenn ich daran denke, dies in Deutschland immer gemacht zu haben, kommt mir das ein bisschen komisch vor.
Man kennt sich und man trifft sich
Es ist ein bisschen wie ein noch sehr viel kleineres Jena. Man lernt super schnell Leute kennen, weiß gleich, wer neu auf der Insel ist und ist nach einem Bier bei der Bar bei Porto Pim sofort überall connected. Nicht nur die DOP-Bubble ist überall allgegenwärtig, mischt mit und schmeißt ein bisschen den Laden hier, auch andere Leute der Insel, die man zugegebenermaßen erst peux a peux kennenlernt, trifft man später überall. Man kann nicht aus dem Haus gehen ohne zig Menschen, die man kennt zu sehen. Dies kann manchmal vielleicht ein bisschen anstrengend sein, aber ich genieße das sehr und fühle mich eher wie in einer großen Familie. So wird der Besuch beim Supermarkt zu einer Social Experience und der Weg zur Arbeit ist voll freundlich nettem Grüßen zu allen Seiten.
Man nimmt, was man kriegt
Bei einer Stadt mit um die 9000 Einwohner ist zugegebenermaßen das Angebot an Aktivitäten, Einkaufsmöglichkeiten, Nachtleben nicht besonders groß. Trotzdem bin ich immer wieder überrascht, wie breit aufgestellt man hier ist und was es für Nischen am Ende doch gibt. Generell kann man sich also mit dem Angebot meist zufrieden stellen, manchmal nur muss man ein bisschen suchen :) Besonders im Winter ist es mit Ausgehen in Restaurants oder Bars manchmal ein bisschen zäh und viele Möglichkeiten zum Tanzen hat man auch nicht, außer es gibt irgendwo mal eine Hausparty oder man geh zu dem Club außerhalb der Stadt (ich war noch nicht da, aber ist laut Hörensagen bisschen mit dem F-Haus vergleichbar). Ansonsten wenn man speziellere Wünsche hat und zum Beispiel einen Decathlon oder ein Piercing-Geschäft benötigt, muss man sich das für eine Reise nach Ponta Delgada aufsparen. Für Menschen, die hier ein Haus bauen wollen oder einrichten wollen, kann dies zur Unmöglichkeitsaufgabe werden und man muss sehr viel Geld zahlen, um Materialien einzuschiffen. Und das kann gut mal dauern. Auch bei der Post ist das ähnlich. Das Paket meiner Eltern hat um die vier Wochen gedauert und online Sachen zu bestellen versuch ich erst gar nicht. Wenn man sich dann umschaut, findet man meistens das, was man sucht. Bei Lebensmitteln, Materialien, Hobbies & Co – man übt sich an Genügsamkeit und Dankbarkeit und letztenendes ist es auch okay, mal ein Jahr kein Sushi, Soja-Schnetzel, Sauna, Techno-Schuppen oder Tuch-Akrobatik zu haben.
Es grünt, es schimmelt, es rostet
Hier herrscht eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit, sowohl im Sommer als auch im Winter. Sie bringt Poster zum Fallen, Papier zum Wellen, Scheiben zum Kondensieren und alles Mögliche zum Schimmeln. Tatsächlich ist Schimmel in der Wohnung Alltag und es ist eine Mordsarbeit, Häuser vollkommen trocken zu legen – deswegen wird wirklich alles mit Lack beschichtet. Hinzu kommt, dass die Salzluft alle möglichen Arten von Metallen angreift und somit hier z.B. Autos und Fahrräder in Kombination mit viel Niederschlag eine sehr viel geringere Lebenserwartungen haben. Abgesehen von den menschlichen Bauten, ergrünt die Natur unter dieser Luftfeuchte und den sehr regelmäßigen Regenfällen. Man findet strahlend grüne Wiesen, alle möglichen Arten von wunderschönen Moosen und Farnen und generell eine sehr diverse Vegetation, die von den endemischen Lorbeerwäldern bis zu Heiden- oder Buschwäldern, Palmen, blau blühenden Hortensien etc. reicht.
Alle Jahreszeiten an einem Tag
Bleiben wir gleich beim Wetter und kommen zu der wahnsinnig wilden meteorologischen Vielfalt und Willkürlichkeit. Neben einem allgegenwärtigen Wind, der einem unterschiedlich stark entgegenwehen kann und einem in ein paar trockenen Stunden die Wäsche rettet, erlebe ich gerade im Winter einen Mix aus Regen, Nieselregen, Sturm, Nebel, Sonnenschein, Wolken und klaren Himmel. So langsam habe ich es auch raus, die Wettervorhersage zu lesen, aber bis auf drei Tage vorher, sollte man sich darauf eigentlich nicht verlassen. Deswegen am besten Regenjacke als Dauerausstattung und eine Regenhose in der Tasche ist auch nie verkehrt. Ansonsten wird es hier im Winter nie kälter als 10°C und pendelt sich meist bei um die 15°C ein. Im Sommer ist das Maximum bei um die 30°C. Jedoch spielt die Luftfeuchte (meist um die 80%) mit der subjektiv empfundenen Temperatur und kann einen ganz schön schlauchen. Tatsächlich mag ich das Klima sehr gerne und es ist sehr spannend, nicht ganz zu wissen was einem so meteorologisch erwartet. Manchmal ist alles bewölkt und man sieht Pico fünf Tage nicht und auf einmal ist er einfach wieder da. Auch der Regen ist erfrischend und man sollte sich nicht wirklich dagegen wehren, sonst kommt man nicht weit :) Man darf nicht vergessen, dass man mitten im Atlantik ist und all dem, was sich über den Ozean aufbraut, ausgesetzt ist. Im Sommer ist es jedoch weniger wechselhaft und ein wenig beständiger als das winterliche Regenroulette. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich das Wetter über die nächsten Monate ändert und auch froh darüber, dass man hier die Jahreszeiten überhaupt zu spüren bekommt.
Das Schiff kommt donnerstags
Das habe ich am Anfang gelernt, als ich mich gewundert habe, warum gegen Mitte der Woche das Angebot im Supermarkt immer spärlicher wird. Tatsächlich ist also der perfekte Zeitpunkt, um einkaufen zu gehen am Donnerstag Spätnachmittag oder Freitag. Je nachdem, was dann mit an Board war, sind auch wieder die Regale gefüllt und das hin und wieder mit einer überraschenden Willkürlichkeit. So gibt es manchmal ganz neue Produkte und wenn zum Beispiel die Eier aus sein sollten, dann sind sie auch wirklich aus und am nächsten Tag findet man auch nichts im Regal. Auch die Preise durchlaufen extreme Schwankungen, manchmal finde ich Hafermilch für knapp einen Euro und manchmal kostet sie über zwei Euro oder mehr.
Der Tanz auf dem Vulkan
Es hat ein bisschen gedauert, nachdem ich mein Leben noch nie wirklich mit einem Vulkan konfrontiert wurde, mich daran zu gewöhnen, dass hier wirklich alles Vulkan ist. Überall sieht man Krater in der Landschaft raus ragen und die Küstenlinie dominieren wildes, erstarrtes Vulkangestein oder dunkle Klippen. So findet man hier relativ wenige Sandstrände, aber die, die es gibt, sind grau bis schwarz gefärbt. Auch in der Stadt findet man die Farbe des Vulkangesteins wieder, so ist es in Mauern oder Ziegelsteinen, Gehwegen oder Straßen verbaut und ein allgegenwärtiger Rohstoff.
Vor 6 Mio Jahren wurde Santa Maria, die geologisch älteste Insel aus der Erdkruste gespuckt und heute sind es neun Inseln auf denen Menschen wandeln, Pflanzen erblühen und Kühe entspannen. Ein verdammt guter Ort, um mal ein Jahr abzuhängen und ich laufe jeden Tag durch die Straßen, fasziniert von den vulkanischen Elementen und geblendet von Pico in der Ferne.