Der Mikrobiologe Prof. Dr. Kai Papenfort.

Kleine RNA-Moleküle sowie Fragmente der Stoiker erforschen

Zwei bedeutende europäische Forschungsförderpreise gehen an die Universität Jena
Der Mikrobiologe Prof. Dr. Kai Papenfort.
Foto: Anne Günther (Universität Jena)
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Meldung vom: | Verfasser/in: Ute Schönfelder/Axel Burchardt

Gleich zwei bedeutende und mit jeweils rd. zwei Millionen Euro dotierte Forschungsförderpreise gehen an die Friedrich-Schiller-Universität Jena, wie der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) heute mitgeteilt hat. Einen sogenannten „Consolidator Grant“ erhalten der Mikrobiologe Prof. Dr. Kai Papenfort und der Altertums­wissenschaftler Prof. Dr. Christian Vassallo. Unterstützt werden Papenforts Vorhaben „ArtRNA – Artificial RNA regulators to probe, control, and design gene regulatory networks in bacteria“ sowie Vassallos Projekt „APATHES – Assessing Philosophical Authors and Texts from Herculaneum and elsewhere on Early Stoicism: Insights into ancient logic, physics, and ethics towards a new von Arnim”.

Kleine RNA-Moleküle regulieren Genaktivität in Bakterien

Der Mikrobiologe Kai Papenfort widmet sich mit seinem Team im Rahmen des Exzellenz­clusters „Balance of the Microverse“ der Universität Jena der Funktion kleiner RNA-Moleküle (small RNA, sRNA). RNA kommt in allen Organismen vor und spielt vor allem als Informa­tionsträger in der Proteinbiosynthese eine wichtige Rolle. „Darüber hinaus übernehmen kleine RNA-Moleküle aber auch regulatorische Aufgaben im Zellstoffwechsel“, sagt Papenfort. In Bakterien etwa wird die Aktivität von schätzungsweise eines Fünftels aller Gene durch kleine RNA-Moleküle gesteuert. Sie können Gene praktisch an- oder abschalten.

Diesen in der Natur verbreiteten Mechanismus machen sich Papenfort und sein Team für Anwendungen in der synthetischen Biologie zunutze: Sie entwickeln künstliche sRNA-Mole­küle, mit denen sie gezielt in die Genetik von Bakterien eingreifen können. „Mit künstlichen sRNA-Regulatoren lassen sich die molekularen Mechanismen der mikrobiellen Genexpres­sion detailliert untersuchen“, erläutert der 41-Jährige. So lassen sich durch gezieltes RNA-Design definierte Gene ansteuern und ihre Aktivität steuern. „Auf diese Weise können wir zum einen grundlegende Erkenntnisse über die Genfunktionen und Regulations­kreise in den Organismen gewinnen.“ Zum anderen ermögliche diese Methode beispiels­weise auch, die Reaktion auf Antibiotika in pathogenen Bakterien systematisch zu untersuchen. 

Kampf gegen multiresistente Krankheitserreger

Dafür besteht nach wie vor großer Bedarf: Weltweit gehen jedes Jahr Millionen Todesfälle auf das Konto antibiotikaresistenter Bakterien. Daher haben die Europäische Kommission und die WHO den Kampf gegen multiresistente Krankheitserreger zu einem zentralen Ziel in ihren Programmen für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit erklärt. „Wir gehen davon aus, dass die in unserem Projekt skizzierte Arbeit dazu beitragen wird, dieses Ziel zu erreichen und ein besseres Verständnis der Entstehung von Antibiotikaresistenzen und der zugrunde­liegenden molekularen Mechanismen zu fördern“, sagt Papenfort, der 2017 bereits einen ERC „Starting Grant“ erhalten hat.

Mit dem Fördergeld des „Consolidator Grants“ werden in den kommenden fünf Jahren zwei Postdoktoranden- und eine Promovierendenstelle in Papenforts Team besetzt. „Konkret haben wir uns drei Arbeitsbereiche vorgenommen“, kündigt der Jenaer Mikrobiologe an. Zunächst sollen anhand großer sRNA-Bibliotheken mit mehr als 250.000 verschieden aufge­bauten sRNA-Molekülen die Mechanismen aufgeklärt werden, die bei der Interaktion von sRNA und den bakteriellen Genen eine Rolle spielen. Darauf aufbauend wollen die Forschen­den gezielt Bakteriengene ansteuern, die für Antibiotikawirkungen bzw. -resistenzen eine Rolle spielen. Und drittens wollen sie diese Techniken so weiterentwickeln, dass sich mit künstlichen sRNA-Molekülen beinahe jedes bakterielle Gen regulieren und beispielsweise für biotechnologische Anwendungen nutzen lässt.

Neuausgabe des Klassikers zu den antiken Stoikern

Der Altertumswissenschaftler Prof. Dr. Christian Vassallo.

Foto: privat

Einen weiteren ERC Consolidator Grant erhält Prof. Dr. Christian Vassallo. Der italienische Philosophiehistoriker, Klassische Philologe und Papyrologe von der italienischen Universita della Calabria, Cosenza ist in diesem Jahr mit einem Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung als Gastwissenschaftler an der Universität Jena tätig. Gemeinsam mit Jenaer Altertumswissenschaftlern erforscht er die Grundlagen für eine systematische Re­konstruktion der Philosophie des Diogenes von Babylon und seiner Rolle in der Geschichte des frühen Stoizismus. 

Auch am ERC-geförderten internationalen Projekt APATHES ist das Jenaer Institut für Alter­tumswissenschaften beteiligt. „Jena wird der Bezugspunkt für das ‘Internationale Zentrum für Stoizismus-Forschung’ sein, dessen Errichtung ein wichtiger Teil meines APATHES-Pro­jekts ist“, sagt Prof. Vassallo. Ein Forschungsteam unter seiner Leitung will ein Standardwerk zu den antiken Stoikern, die „Stoicorum Veterum Fragmenta“ von Johannes von Arnim (1903/1905), auf dem aktuellen Stand der Forschung neu herausgeben. Die Neuausgabe der Fragmente der antiken Stoiker sollen dieses Mal die auf Papyrusfragmenten überlieferten Texte einschließen und um eine englische Übersetzung ergänzt werden.

Der Einfluss der Stoiker auf die Geschichte der Philosophie ist enorm“, betont Vassallo. Der im 4.-3. Jahrhundert v. Chr. gegründete Stoizismus stellt für den Italiener „eines der faszinie­rendsten philosophischen Systeme in der Geschichte des antiken Denkens dar“. Da die Mehr­heit ihrer Originalwerke verlorenging, „ist die Wissenschaft bei der Untersuchung der großen Anzahl von Zeugenaussagen, die sie betreffen, mit enormen Interpretationsproblemen kon­fron­tiert“, beschreibt Vassallo, warum er die Neuauflage des Werkes angehen wird. Dabei ist ihm bewusst, dass das Vorhaben „sehr ehrgeizig und wirklich beängstigend sein kann“. Aber er glaubt an die Realisierung und setzt dabei auf ein zentrales Ziel der stoischen Ethik: apathês – «leidenschaftslos» und gleichgültig gegenüber Leidenschaften und Störungen zu sein, wie er schmunzelnd hinzufügt.

Präsentation des APATHES-Projekts am 16. Februar

Wer Interesse am ERC-Projekt APATHES hat und Christian Vassallo kennenlernen möchte, hat dazu am 16. Februar von 16-18 Uhr die Gelegenheit. In der Papyrussammlung der Fried­rich-Schiller-Universität Jena (Fürstengraben 25) findet ein öffentliches Forschungs­seminar zu Diogenes von Babylon statt. Dabei wird die Struktur der Neuausgabe der Fragmente dieses wichtigen Vertreters des frühen Stoizismus, dessen Denken vor allem dank der Papyri aus Herculaneum rekonstruiert werden kann, vorgestellt. Bei diesem Seminar wird außerdem Karlheinz Hülser von der Universität Konstanz die Fragmente zur Dialektik von Diogenes von Babylon kommentieren. 

Kontakt:

Kai Papenfort, Univ.-Prof. Dr.
vCard
Professur für Allgemeine Mikrobiologie
Bioinstrumentezentrum, Raum M1-E3
Winzerlaer Straße 2
07745 Jena Google Maps – LageplanExterner Link
Christian Vassallo, Prof. Dr.
Institut für Altertumswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 25
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link