Neuberufene 2023
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Julia Asbrand
Denomination: Klinische Psychologie des Kindes- und Jugendalters
zuvor: Humboldt Universität Berlin
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Benjamin Auer
Denomination: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre / Finance
zuvor: TU Cottbus-Senftenberg
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Vladan Blahnik
Denomination: Optisches Systemdesign und Simulation
zuvor: Hensoldt AG, Oberkochen
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Andrea de Camargo
Denomination: Datengetriebene Glaswissenschaften
zuvor: University of São Paulo | BRA
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Holger Cartarius
Denomination: Physik und ihre Didaktik
zuvor: Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Mario Chemnitz
Denomination: Intelligente Photonische Systeme
zuvor: Leibniz-Institut für Photonische Technologien
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Diana Dudziak
Die dendritischen Zellen sind nach den Verästelungen ihrer Zellmembran benannt, mit denen sie Gewebe abtasten und Krankheitserreger erkennen können. Die deshalb auch als Wächterzellen des Immunsystems bezeichneten Zellen binden solche körperfremde Strukturen oder auch Teile von Tumorzellen, verarbeiten sie und bewegen sich zum nächsten Lymphknoten. Dort alarmieren sie weitere Immunzellen wie zum Beispiel T-Zellen und lösen damit eine Immunantwort aus. „Dendritische Zellen verbinden das angeborene und das erworbene Immunsystem“, so Prof. Dr. Diana Dudziak. „Über die Funktion der verschiedenen dendritischen Zellpopulationen als wichtige Regulatoren des Immunsystems und darüber, wann sie warum in welchem Gewebe vorkommen, wissen wir wenig.“ Genau das ist das Forschungsgebiet der Biologin, die seit dem vergangenen Semester als neuberufene Professorin das Institut für Immunologie am Universitätsklinikum Jena leitet.
Die gebürtige Thüringerin hat in Bayreuth und Erlangen Biologie studiert und fertigte anschließend am Helmholtz-Zentrum München ihre Dissertation über Signalprozesse des Epstein-Barr-Virus' an. Mit einem Emmy-Noether-Stipendium forschte sie an der Rockefeller University in New York und wurde danach zur Professorin für die Biologie Dendritischer Zellen in Erlangen berufen. Zuletzt war sie mit ihrer Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe und einer Förderung durch das Bayerische Genomforschungsnetzwerk an der Hautklinik des Uniklinikums Erlangen an mehreren großen Forschungsverbünden beteiligt.
Diana Dudziak: „Wir beschäftigen uns mit der Funktion der dendritischen Zellen in verschiedenen Geweben und wie diese bestmöglich stimuliert und aktiviert werden können. Das ist für die Entwicklung von Impfstoffen relevant. So könnte man sich vorstellen, dass der Ort der Immunisierung dem des natürlichen Infektionsweges so nah wie möglich sein sollte, um so zu verbesserten Impfantworten beizutragen, beispielsweise bei der Impfung gegen Influenza mittels Nasenspray.“
Weitere Forschungsthemen sind die Rolle der dendritischen Zellen bei der Tumorentwicklung und Metastasierung. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, dass dendritische Zellen nicht nur Tumorzellen in einem Milieu erkennen müssen, in dem Gefahrensignale stark reduziert vorliegen, sondern auch die Barrieren eines Tumors durchbrechen müssen. „Hier beschäftigen wir uns damit, die ‚andere‘ Funktion von dendritischen Zellen zu verstehen, nämlich die Aufrechterhaltung von Toleranz. Dies ist ein Mechanismus, den wir benötigen, um Autoimmunreaktionen in unserem Körper zu verhindern. Bei einer Tumorantwort muss jedoch dieser Schutzmechanismus durchbrochen werden, da Tumorzellen körpereigen sind und unser Immunsystem gelernt hat, körpereigenes Gewebe nicht zu bekämpfen.“ Eine Immunmodulation der dendritischen Zellen ist ein wichtiger Ansatz in der Initiation von Immunantworten gegen einen Tumor.
Prof. Dudziak ergänzt sowohl das Jenaer Infektionsforschungsnetzwerk als auch das Mitteldeutsche Krebszentrum CCCG und sieht hier ideale Anknüpfungspunkte für ihre Arbeit: „Die dendritischen Zellen sind ein wichtiger Ankerpunkt, der die immunologisch-interessierten Arbeitsgruppen in Jena verbinden wird. Zukünftig wollen wir unter anderem untersuchen, wie die reduzierte Immunabwehr als Langzeitfolge von Sepsis reaktiviert werden kann.“
Uta von der Gönna
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Martin Gärttner
„Quantenmechanik ist anders als das, was uns im Alltag begegnet und sie ist auch schwer mathematisch zu beschreiben“, sagt Prof. Dr. Martin Gärttner. „Wenn wir Quantensysteme mit vielen Teilchen am Computer simulieren wollen, dann ist das schwieriger als bei klassischen Systemen – und das hindert uns daran, manche Phänomene zu verstehen, die z. B. in der Festkörperphysik oder Hochenergiephysik auftreten.“ Um solche Quantensysteme, die sich nur eingeschränkt im Labor untersuchen oder am Computer simulieren lassen, zu erforschen, braucht es die Quantensimulation. Und genau damit beschäftigt sich Gärttner, der seit September 2023 Professor für Theorie der Quanteninformation (mit Tenure Track) an der Universität Jena ist.
„Die Idee ist, dass wir Quantensysteme im Labor in einer kontrollierten Umgebung nachbauen und dann praktisch dieses Quantenexperiment als Simulator nutzen können statt eines klassischen Computers“, erklärt der Physiker. Als Theoretiker ist Gärttner vor allem an den quanteninformationstheoretischen Grundlagen interessiert – das Experiment betreiben am Ende andere. Seine Aufgabe sieht er darin, Methoden zu finden, um die Quantensimulatoren besser zu verstehen und so effizienter zu machen.
Auch wenn er in der Grundlagenforschung zu Hause ist, sind es nicht nur reine Neugier und der Spaß, Neues zu entdecken oder Theorien zu erweitern, die Martin Gärttner antreiben: „Für mich ist es schon auch eine Motivation, zu wissen, dass ich an einem Thema arbeite, das Auswirkungen auf gesellschaftlich relevante Technologien hat – auch, wenn ich nicht selbst ‚hands-on‘ einen Beitrag dazu leiste.“ Anwendungen, die durch Quanteneffekte verbessert werden können, sind beispielsweise Kryptographie, Sensorik oder Bildgebung. „Ein großes Thema ist natürlich auch Quantencomputing, auch hier in Jena gibt es Anstrengungen, mit Photonen Quantencomputer zu bauen“, sagt Gärttner. „Aber bei allen Plattformen für Quantencomputing gibt es technische Hindernisse, die noch überwunden werden müssen – es bleibt also noch viel zu tun.“
Der 38-Jährige, der ursprünglich aus der Nähe von Heilbronn kommt, freut sich, seine Forschung nun an der Friedrich-Schiller-Universität fortsetzen zu können. „Hier sind so viele junge Menschen, die tolle Sachen machen und es ist so viel in Bewegung, gerade auf dem Gebiet der Quantentechnologie.“ Mit nach Jena gezogen ist Gärttners Arbeitsgruppe, die er an der Universität Heidelberg aufgebaut hat. Hier hat er auch Physik studiert und später promoviert, sammelte aber zwischendurch auch Auslandserfahrungen. Nach dem Studium inklusive Auslandssemester in Melbourne (Australien) absolvierte Gärttner einen Forschungsaufenthalt im spanischen Granada und nach seiner Promotion verbrachte er als Postdoc mehr als zwei Jahre am Forschungsinstitut JILA in Boulder (USA), bevor er 2017 an seinen Studienort zurückkehrte. „Heidelberg war immer meine Basis – jetzt ist es Jena.“
Der Ruf an die Friedrich-Schiller-Universität kam genau zum richtigen Zeitpunkt, sagt Martin Gärttner. Hier hat der zweifache Vater die langfristige Perspektive, die er sich gewünscht hat. „Die Wissenschaft ist eben ein pyramidales System und nicht jeder schafft es am Ende, eine Professur zu kriegen. Ich hatte auch Phasen, in denen ich daran gezweifelt habe, ob ich das noch weitermachen will“, erinnert er sich. Umso glücklicher ist er, nun in Jena zu sein, wo er gerne ein Kompetenzzentrum für Quanteninformation mit aufbauen möchte. Außerdem gibt es Bemühungen, an der Uni Jena einen Studiengang für Quantentechnologien zu etablieren. „Wenn das Erfolg hat, will ich mich natürlich auch daran beteiligen, indem ich entsprechende Vorlesungen ausarbeite und durchführe.“
In seinen Lehrveranstaltungen legt Gärttner besonders viel Wert auf das forschungsorientierte Lernen, indem er etwa Übungsaufgaben in aktuelle Forschungskontexte einbettet. „Das motiviert, denn dann weiß man, warum man etwas lernt und wozu das gut ist.“ Auch die kleinen Programmierübungen, die er in die Vorlesungen integriert, kommen bei den Studierenden gut an. Statt 90 Minuten Tafelvortrag will er die Teilnehmenden dazu animieren, sich aktiv zu beteiligen. Entgegen kommt ihm dabei, dass die Physikalisch-Astronomische Fakultät in Jena um einiges kleiner ist als die in Heidelberg. „Das ist zwar schon eine Umstellung, aber es macht Spaß, mit einer kleineren Gruppe zu arbeiten – da kann man ganz anders auf die Einzelnen eingehen.“
In Jena haben sich Gärttner und seine Familie gut eingelebt. Seine Freizeit verbringt der 38-Jährige am liebsten an der frischen Luft, z. B. beim Joggen oder Fahrradfahren. Nur eines vermisst er in der Stadt an der Saale: „Ich bin ein Bergmensch – leider bin ich jetzt etwas zu weit weg von den Alpen. Aber um Jena herum kann man auch schön wandern.“
Laura Weißert
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Christian Geis
Denomination: Neurologie
zuvor: Friedrich-Schiller-Universität Jena
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Janine George
Dr. Janine George von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) ist zur Professorin für Materialinformatik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ernannt worden. Die Ernennung erfolgt gemeinsam mit der BAM, an der George weiterhin die Nachwuchsgruppe Computergestütztes Materialdesign leitet.
Schwerpunkt der Professur an der Physikalisch-Astronomischen Fakultät der Universität Jena ist die Frage, wie sich mit Methoden der Künstlichen Intelligenz, maschinellem Lernen und Hochdurchsatzrechnungen die Entwicklung neuer Materialien vorantreiben und beschleunigen lässt.
Inzwischen können deren Eigenschaften voraussetzungsfrei am Computer vorhergesagt werden, ohne dass sie im Labor synthetisiert und experimentell charakterisiert werden müssen. Das ermöglicht es, viel schneller nach neuen Werkstoffen für die Energiewende, z. B. für Batterien oder für Solarzellen, zu suchen. Gleichzeitig lassen sich dabei Kosten sparen sowie gezielt Aspekte wie Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit berücksichtigen.
„Die Ernennung eröffnet mir die Chance, das innovative und interdisziplinäre Forschungsgebiet der Materialinformatik, das Materialwissenschaften, Informatik und Datenwissenschaften miteinander verbindet, in Lehre und Forschung an der Universität Jena zu etablieren und mit Studierenden und Forschenden im Bereich der computer- und datengetriebenen Materialwissenschaft eng zusammenzuarbeiten. Die Berufung nach dem Thüringer Modell erlaubt es mir zudem, meine Arbeit an der BAM, einer exzellenten außeruniversitären Forschungseinrichtung des Bundes, fortzusetzen“, sagt Prof. George.
„Die durch Janine George etablierte enge Beziehung zur BAM ist für uns sehr wichtig“, unterstreicht der Dekan der Physikalisch-Astronomischen Fakultät Prof. Dr. Ulf Peschel und ergänzt: „Darüber hinaus wird uns Frau George dabei unterstützen, in Forschung und Lehre unser Profil durch den sich gerade rasant entwickelnden Bereich der Materialinformatik zu ergänzen und damit ein Studium an unserer Fakultät noch attraktiver zu machen.“
Janine George hat vor ihrer Tätigkeit an der BAM an der RWTH Aachen und der belgischen Université Catholique de Louvain im Bereich der computergestützten Festkörperchemie, der Festkörperphysik und der Materialwissenschaften geforscht. In ihrer Promotion an der RWTH Aachen beschäftigte sie sich mit dichtefunktionaltheoretischen Betrachtungen intermolekularer Wechselwirkungen und thermischer Bewegung in Molekülkristallen und metallorganischen Verbindungen. Die Lehrtätigkeit in Jena wird sie zum Vorlesungsstart am 16. Oktober aufnehmen.
Ralf Berhorst/Axel Burchardt
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Clemens Grelck
Denomination: Systemsoftware
zuvor: Universität Amsterdam | NL
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Edda Humprecht
Das Forschungsfeld von Prof. Dr. Edda Humprecht ist zurzeit oft Thema in den Medien: Die Kommunikationswissenschaftlerin, die im Wintersemester 2023/24 an die Friedrich-Schiller-Universität Jena wechselte, ist Expertin für digitale Kommunikation. Ihre Expertise ist aktuell sehr gefragt, denn durch die technologischen Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz (KI) haben die Produktion und Rezeption von Desinformationen stark zugenommen. „Im Nahost-Krieg können wir die Verbreitung von KI-generierten Bildern zurzeit genau beobachten.“
Prof. Humprecht fokussiert sich in ihrer Forschungsarbeit auf die Dynamik und Entwicklung digitaler Informationslandschaften im internationalen Vergleich. „Mich interessiert, welche Konsequenzen sich durch die Verbreitung von Desinformationen ergeben. Warum beispielsweise einige Gesellschaften stärkere Resilienzen gegenüber Manipulationsversuchen haben als andere und wie man Desinformationskampagnen begegnen kann“, sagt Humprecht über das Ziel ihrer Forschung.Prof. Humprecht erklärt, dass bei einschneidenden Ereignissen wie beispielsweise der Corona-Pandemie eine starke Verbreitung von Desinformationen beobachtet werden konnte. Auch anlässlich von Wahlen werden falsche Bilder, Texte und Videos vermehrt in den sozialen Medien geteilt. Die Gründe dafür seien vielfältig. Einerseits seien die Menschen durch die Flut von Informationen überfordert und auf der anderen Seite durch Desinformationen verunsichert. Auch spiele die Unkenntnis darüber, wie Informationen in den sozialen Medien verbreitet werden, eine Rolle. So seien sich viele User ihrer Verantwortung nicht bewusst, wenn sie ungeprüft Bilder teilen, die Desinformationen transportieren. Die KI sei dabei aber nur Mittel zum Zweck. Die Manipulation gehe von Menschen aus. „Unsere Forschung zielt darauf ab, zu verstehen, welche Inhalte verbreitet werden, wer diese verbreitet und wie sie die Bürgerinnen und Bürger beeinflussen."
Die Methoden, die sie und ihr Team dabei anwenden, umfassen klassische sozialwissenschaftliche Ansätze wie beispielsweise Befragungen von Usern zu ihrem Kommunikationsverhalten in den sozialen Medien. Es werden auch Experimente mit einer Eye-Tracking-Software durchgeführt, mit deren Hilfe Erkenntnisse darüber gewonnen werden können, wie die Aufmerksamkeit der Probanden bei der Erfassung von Nachrichten gesteuert wird. Computerbasierte Methoden wie maschinelles Lernen nutzt sie, um große Datenmengen zum Userverhalten in den sozialen Medien analysieren zu können. „Dabei ist es eine große Herausforderung an Daten von Tech-Giganten wie Meta oder Google heranzukommen, die nur begrenzt den Zugang zu ihnen ermöglichen.“
Neben ihrer Forschung legt Humprecht großen Wert auf die Lehre. Sie möchte ihre Studierenden für aktuelle Themen rund um digitale Kommunikation sensibilisieren und betont die Bedeutung einer fundierten Methodenausbildung für eine zukünftige Karriere in der Forschung oder in jedem anderen angestrebten Arbeitsbereich.
"Jena bietet eine dynamische Atmosphäre, in der sich Studierende am Puls der Zeit bewegen können", sagt sie. "Durch das relativ kleine Institut kann eine persönliche Betreuung garantiert werden."
Prof. Humprecht ist in verschiedenen internationalen Forschungsnetzwerken aktiv, darunter das IPIE (International Panel on the Information Environment) der University of Oxford, in dem Forschende aus verschiedenen Ländern ihre Studien im Bereich Resilienz gegenüber Falschinformationen bündeln.
Die heute 39-jährige Humprecht hat an der Freien Universität Berlin Kommunikationswissenschaft studiert und war journalistisch u. a. für den deutsch-französischen Sender arte und die Neue Zürcher Zeitung tätig. Dann habe sie gemerkt, dass sie sich intensiver mit Themen rund um politische Kommunikation auseinandersetzen möchte und promovierte an der Universität in Zürich (UZH). Ihre wissenschaftliche Karriere führte sie in der Folge als Associate Professor an die Norwegian University of Science and Technology in Trondheim (NTNU), um anschließend nach Deutschland zurückzukommen. „Nach längeren Auslandsaufenthalten ist für mich die Perspektive auf die Berichterstattung in meinem Heimatland sehr interessant.“ Sie selbst beschreibt sich als „Nachrichtenjunkie" und freut sich darüber, dass sie ihr Hobby zum Beruf machen konnte. „Mit großem Interesse verfolge ich die weltweite Berichterstattung in verschiedenen Ländern.“
Irena Walinda
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Ursula Ulrike Kaiser
Ein „Wörterbuch“ für Metaphern aus der Bibel klingt nach einer Lebensaufgabe und Prof. Dr. Ulrike Kaiser gibt zu, dass sie ihre Forschungsthemen wahrscheinlich für die nächsten zehn Jahre beschäftigen werden. Die Theologin folgte vor kurzem dem Ruf an die Friedrich-Schiller-Universität Jena auf die Professur für Neues Testament. Obgleich die 51-jährige Wissenschaftlerin bereits ihre Habilitation über Metaphern rund um den Begriff der Wiedergeburt geschrieben hat, lässt sie dieses Thema bis heute nicht los. „Viele Metaphern sind über die Jahrhunderte so fließend in unseren Sprachgebrauch übergegangen, dass man meint, sie nicht ‚übersetzen‘ zu müssen. Doch wenn in der Bibel von ‚Gott hat uns geboren‘ die Rede ist, bedarf es einer Erklärung“, findet die gebürtige Dresdnerin.
Obwohl Kaiser aus einem Pfarrhaushalt stammt, kam ein Theologiestudium anfänglich nicht für sie infrage. „Aber letztlich führten mich die Werkinterpretationen in meinem Germanistikstudium immer näher zur Theologie und vor allem zu dem präzisen Auslegungsinstrumentarium der biblischen Exegese“, erzählt sie von ihren Anfängen. Ein Doppelstudium der Literatur und Evangelischen Theologie war die Folge.
Die Begeisterung für die metaphorische Sprache in christlichen Texten möchte Kaiser zukünftig auch an die Jenaer Studierenden weitergeben. Aktuell bietet sie dazu ein Seminar rund um Kinder im Neuen Testament an. Neben metaphorischen Aussagen – zum Beispiel über das Reich Gottes, das man „wie ein Kind annehmen“ soll – geht es um Besonderheiten des frühchristlichen Verständnisses von Familienbanden und um die sozialgeschichtliche Position der Kinder. Neben dem Kindsein in der Antike beschäftigt die Neutestamentlerin sich zudem mit der religionspädagogischen Frage, wie man Kindern und Jugendlichen heutzutage christliche Traditionen und Geschichten näherbringen kann – sie setzt dabei auf eine spielerisch-kreative Art, etwa das Konzept „Godly Play“, für das sie zertifizierte Fortbildnerin ist. „Mit Hilfe von Materialien aus Stoff, Holz oder Filz sollen biblische Geschichten nicht nur erzählt, sondern greifbar gemacht werden“, erläutert Kaiser.
An die Friedrich-Schiller-Universität Jena kam sie gerne, da sie sich in der Theologischen Fakultät und darüber hinaus mit vielen Kolleginnen und Kollegen austauschen kann: „Das ist wirklich eine Bereicherung, da das Team an meiner vorherigen Stelle an der Technischen Universität in Braunschweig sehr klein war.“
Gerne würde Prof. Kaiser auch eine weitere Leidenschaft in Jena ausleben. „Ich liebe die Arbeit mit den alten Sprachen. Latein, Altgriechisch und Hebräisch waren Teil des Studiums. Aber Koptisch, die letzte Entwicklungsstufe der ägyptischen Sprache, faszinierte mich so sehr, dass ich meine Promotion über Funde frühchristlicher koptischer Texte aus der Wüste von Nag Hammadi schrieb“. Daher würde sie gerne einen Lektürekreis für Koptisch ins Leben rufen und weiter an Apokryphenfunden arbeiten.
Neben der vielen Zeit, die Ulrike Kaiser in Lehre und Forschung verbringt, spielt sie in ihrer Freizeit gerne (Alte) Musik und schätzt die Erholungsmöglichkeiten in ihrer neuen Heimat. Die Mutter von zwei Kindern freut sich auf Wanderungen, Fahrradtouren und darauf, dass ihr Mann – von Beruf Pfarrer – hoffentlich bald aus Berlin nach Thüringen wechseln kann. „Ihm wird der Umzug vermutlich weniger schwerfallen als unserer zugelaufenen Katze“, ist sich Kaiser sicher.
Janine Kalisch
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Janine Kirstein
Die Lebenserwartung der Menschen ist in den westlichen Ländern seit Jahren gestiegen. Eine erfreuliche Entwicklung, die jedoch ihre Schattenseiten hat: „Das Alter ist das größte Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Morbus Huntington“, sagt Prof. Dr. Janine Kirstein. Die aus Cottbus stammende 45-jährige Wissenschaftlerin ist neue Professorin für Biochemie des Alterns. Sie forscht und lehrt am Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut und der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ihre Motivation bringt Janine Kirstein auf den Punkt: „Wir möchten verstehen, welche Mechanismen diese Krankheiten des Alters auslösen, weil wir nur mit diesem Wissen geeignete Therapien entwickeln können.“
Das Hauptaugenmerk von Janine Kirstein und ihrer Forschungsgruppe gilt Störungen im Protein-Stoffwechsel, die dazu führen, dass zunächst einzelne Nervenzellen und dann ganze Gehirnareale absterben. Bei isolierten Proteinen lasse sich im Labor beobachten, dass einzelne Proteine nicht korrekt gefaltet sind und zu Verklumpungen neigen, die sich immer mehr ausweiten. Letztlich verlaufen diese neurodegenerativen Erkrankungen immer tödlich, so Janine Kirstein.
Ein möglicher Schlüssel, diese Prozesse zu beeinflussen, könnten die sogenannten molekularen Chaperone sein. Der Begriff entstammt dem Französischen und bedeutet sinngemäß „Anstandsdame“ und meint Proteine, die unerwünschte Kontakte zwischen Proteinen verhindern sollen. „Gelänge es, diese molekularen Chaperone im Alter zu stärken, könnten sich die Fehlfaltungen und Verklumpungen verlangsamen lassen“, sagt Prof. Kirstein. Doch sei das noch Zukunftsmusik. Vorerst geht es darum, die Prozesse zu beobachten und zu verstehen.
Janine Kirstein und ihr Team setzen dabei auf einen Modellorganismus namens Caenorhabditis elegans oder einfach C. elegans. Es handelt sich um einen winzigen Fadenwurm, der im Erdreich lebt und sich vorrangig von Bakterien ernährt. Die Würmer werden ca. einen Millimeter groß und sie leben etwa einen Monat und damit lassen sich Alterungsprozesse im Labor wie in einem Zeitraffer verfolgen. Wie Janine Kirstein erläutert, kommen sie vorwiegend als Zwitter vor. Besonders günstig für die Forscher: Die Nachkommen von C. elegans sind alle genetisch identisch. Damit seien sie hervorragend für Versuche geeignet, sagt Janine Kirstein: „Wir können das Erbgut des Wurms verändern und uns live die pathologischen Veränderungen anschauen.“
Janine Kirstein hat in Greifswald Biologie studiert und ihre Diplom-Arbeit über Stressfaktoren geschrieben. Während des Studiums sei ihre Begeisterung für die molekulare Biologie geweckt worden, sagt sie. Die schiere Menge an Nichtwissen in diesem Forschungsfeld sei für sie bis heute Ansporn, immer wieder Neuland zu betreten. Eine Sicht auf die Forschung, die sie ihren Studierenden zu vermitteln sucht: „Sie sollen lernen, selbst Wissenschaftler zu sein, ihre Neugier auszuleben.“ Ihr eigener Weg führte zunächst über Heidelberg nach Berlin an die Freie Universität. Ihre Promotion 2007 trug den Titel „Regulation of the AAA+ protein ClpC by adaptor proteins“ und wurde mit „summa cum laude“ ausgezeichnet.
Als Postdoc ging Janine Kirstein in die USA an die Northwestern University in Chicago, wo sie ab 2009 auch als Dozentin tätig war. In den USA erlernte sie das Handwerkszeug im Umgang mit C. elegans und entwickelte Imaging-Verfahren, mit denen der transparente Fadenwurm lebendig unter dem Mikroskop erforscht werden kann. Weitere Stationen führten Janine Kirstein ans Leibniz-Institut für molekulare Pharmakologie in Berlin, wo sie u. a. als Projektleiterin eines Sonderforschungsbereichs und des NeuroCure Excellence Clusters tätig war.
Ihren ersten Ruf auf eine Professur nahm sie 2019 an der Universität Bremen an und seit April dieses Jahres forscht sie nun am Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut und lehrt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ihre Forschungsgruppe ist international besetzt; die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen u. a. aus Brasilien, Nepal, der Türkei, Italien, dem Libanon, Indien und Deutschland. Sie empfinde dieses internationale Team genauso bereichernd wie die Interdisziplinarität der Forschungsfragen und -methoden, sagt Prof. Kirstein.
Ihre Ziele beschreibt Janine Kirstein so: „Wir verstehen schon vieles, was in den Zellen passiert, jetzt geht es darum zu verstehen, warum manche Zellen anfälliger für Degeneration sind.“ Noch sei das Grundlagenforschung, doch wenn diese Prinzipien erkannt sind, könne über Therapien nachgedacht werden. Dabei betont Janine Kirstein: „Wir forschen nicht an der Unsterblichkeit, unser Ziel ist ein langes und gesundes Leben.“ Dabei seien die Forschungsbedingungen in Jena hervorragend, zudem hat sie sich mit dem sechsjährigen Sohn und ihrem Ehemann in der Stadt gut eingelebt.
In ihrer – knapp bemessenen – Freizeit sucht Janine Kirstein sportliche Herausforderungen: Seit ihrer Zeit in den USA betreibt sie Triathlon und trainiert wenn möglich jeden Tag. Bei Wettkämpfen geht sie meist in der Mitteldistanz an den Start, das sind zwei Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer auf dem Rad und 21 Kilometer Laufen. Da ist Ausdauer gefragt, genau wie in der Forschung.
Stephan Laudien
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Christian Komusiewicz
Denomination: Algorithm Engineering
zuvor: Universität Marburg
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Yan Lu
„Herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien sind zwar sehr leistungsfähig, aber auch teuer, denn sie benötigen neben Lithium auch Metalle wie Nickel und Cobalt“, sagt die Chemikerin Prof. Dr. Yan Lu. „Daher forsche ich an nachhaltigeren Alternativen, wie zum Beispiel Lithium-Schwefel-Batterien und auch an Batterien, die auf Hybridmaterialien basieren“, erläutert die 47-jährige Wissenschaftlerin, die seit diesem Semester an der Friedrich-Schiller-Universität Jena tätig ist. In ihrer Arbeit verbindet sie verschiedene Expertisen: Um Energie elektrochemisch verfügbar zu machen, kombiniert sie beispielsweise organische und anorganische Chemie und greift dabei unter anderem auch auf Untersuchungsmethoden aus der Biochemie zurück.
Im Rahmen ihrer gemeinsamen Berufung mit dem Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB)Externer LinkExterner LinkExterner Link, wo sie weiterhin das Institut für Elektrochemische Energiespeicherung leitet, ist die neue Professorin zudem Ko-Direktorin des 2023 in Jena von Universität und HZB gegründeten Helmholtz-Instituts für Polymere in Energieanwendungen Jena (HIPOLE Jena)Externer LinkExterner LinkExterner Link.
„Mein Ziel ist, neuartige Batterien zu entwickeln, die über die Grundlagenforschung hinaus auch real eingesetzt werden können“, erklärt die Professorin. „Dazu möchte ich ganz genau verstehen, was beim Laden und Entladen mit den Materialien der Batterie passiert. Viele übliche Messmethoden aus der Materialforschung können hier aber nicht oder nur bedingt angewendet werden – vor allem, während die Batterie tatsächlich betrieben wird“, sagt Lu.
„Strom ist ja letztendlich die gerichtete Bewegung von Elektronen, wie wir aus dem Physikunterricht wissen“, so die Forscherin. „Wenn also eine Batterie geladen wird oder Strom abgibt, bewegen sich Elektronen zwischen deren Kathoden- und Anodenmaterial. Es ist jedoch eine Herausforderung, die chemische und strukturelle Veränderung von Batterien während dieses Prozesses in situ/operando zu beobachten.“ Die üblichen Ex-situ-Verfahren zur Materialuntersuchung wiederum können die Beschaffenheit des Materials bzw. der Oberfläche während der Probenhandlung selbst verändern.
„Daher bin ich froh, dass mein Team und ich auf das Synchrotron BESSY II am Helmholtz-Zentrum Berlin zurückgreifen können, mit dem insbesondere sogenannte weiche Röntgenstrahlung erzeugt werden kann“, freut sich die Forscherin. „Wir sind aber auch offen für andere minimal-invasive Methoden, um die Batterien während des Betriebs zu erforschen“, sagt sie und verweist unter anderem auf die Kryoelektronen-Mikroskopie, die auch in der Biologie benutzt wird.
Während sie ihre Forschung an den Lithium-Schwefel-Batterien vor allem am HZB betreibt, fokussiert sich Prof. Lu in Jena auf Hybridmaterialien, die organische Polymere mit anorganischen Materialien kombinieren. „Ich denke, gerade hier in Jena kann ich die ganz unterschiedlichen Expertisen kombinieren, die es auf dem Gebiet der elektrochemischen Energiespeicherung braucht.“ Insgesamt sieht sie einen klaren Standortvorteil für Jena: „Die Industrie hier ist sehr interessiert an den Anwendungsmöglichkeiten meiner Forschung, etwa an Batteriematerialien“, sagt sie. „Generell ist Thüringen als Entwicklungsstandort neuer Batterietechnologien sehr attraktiv.“
Besonders freut sich die Chemikerin auf die Lehre, die sie ab dem Sommersemester 2024 in Jena aufnehmen wird. „Die Batterieforschung schreitet unglaublich schnell voran“, weiß Lu. „Daher ist es mir wichtig, in meiner Vorlesung in Technischer Chemie und Umweltchemie den neuesten Stand der Wissenschaft an die Studierenden zu vermitteln.“ Auch in Praktika möchte sie den Studierenden die Forschung hautnah vermitteln, indem diese beispielsweise im Masterstudium Batteriematerialien selbst herstellen und testen.
Nach ihrem Chemiestudium in Shanghai wurde Yan Lu an der TU Dresden promoviert und forschte anschließend erst in Bayreuth und ab 2009 am Helmholtz-Zentrum Berlin. 2017 wurde sie Professorin an der Universität Potsdam und am HZB. Neben ihrer Arbeit am Helmholtz-Zentrum ist sie seit dem Wintersemester 2023/24 auch an der Universität Jena Professorin für Hybridmaterialien für elektrochemische Energiespeicher und Wandler.
Marco Körner
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Michael Florian Müller
Die langjährige juristische Arbeit als Doktorand und Habilitand an der Universität Bayreuth, aber auch die Tätigkeit am Amtsgericht, in einer Großkanzlei und im Bundesjustizministerium während des Referendariats am Kammergericht in Berlin und die damit verbundenen Erfahrungen haben Prof. Dr. Michael Müller gezeigt, dass er sich in der Wissenschaft am wohlsten fühlt. Vor kurzem folgte der Jurist dem Ruf der Friedrich-Schiller-Universität Jena auf die Professur für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Zivilprozessrecht. „Schon als ich nach meiner Habilitation zwei Semester als Lehrstuhlvertreter hier gearbeitet und den Zusammenhalt im Kollegium gespürt habe, wusste ich, dass ich gerne zurückkommen möchte“, erzählt der gebürtige Fuldaer.
Zuvor war Michael Müller Professor an der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien. Doch nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt erhielt er den Ruf aus Jena. „Wien war eine tolle erste Erfahrung, aber die exzellenten Forschungsmöglichkeiten in Jena haben mich sehr gereizt“, sagt der 42-Jährige.
Sein Habilitationsthema „Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)“ lässt ihn dabei bis heute nicht los und in Jena sieht er gute Rahmenbedingungen, um seine Forschung auf diesem Gebiet auszubauen. „Zunächst möchte ich ein Praxishandbuch herausgeben, das die aktuelle Rechtslage für KMU zusammenfasst, ähnlich den Nachschlagewerken zum Verbraucherrecht“, erklärt er. Als mögliche Teilbereiche nennt er Kapitel zum Handels-, Gesellschafts- und Wettbewerbsrecht der Unternehmen. Neben dem Handbuch möchte Müller eine Konferenz zur KMU-Forschung organisieren und langfristig eine internationale Forschungskooperation mit führenden europäischen Rechtswissenschaftlern aufbauen.
Die Zukunft kleiner und mittlerer Unternehmen beschäftigt ihn und seine Kolleginnen und Kollegen aus Ökonomie und Politikwissenschaft auch in einem weiteren Projekt. „Bei ‚Values-based trade‘ geht es um das Problem, dass westliche Demokratien bestimmte Werte vertreten, die in Unternehmen und entlang der internationalen Lieferketten umgesetzt werden sollen, sei es Nachhaltigkeit oder seien es Menschenrechte. Diese Standards bilden einen Kostenfaktor, der gerade kleine Unternehmen stark trifft“, beschreibt Müller. Die Folge seien höhere Preise, die im schlimmsten Fall Kunden dazu veranlassten, Waren von Unternehmen aus autokratischen Staaten zu bevorzugen, was den Druck auf die KMU weiter erhöhe. „Hier muss der Gesetzgeber mit Augenmaß handeln, damit der Mittelstand international wettbewerbsfähig bleibt“, resümiert der Jurist.
Neben seiner Forschungstätigkeit empfindet es Müller aber auch als Privileg, in der Lehre tätig sein zu dürfen, und ist stolz darauf, den juristischen Nachwuchs auszubilden. Er selbst sieht beide Aspekte seiner Arbeit als gleichwertig an und schätzt den Austausch mit seinen Studierenden.
Nach Jurastudium und Promotion war für Müller das LL.M.-Studium in Austin, Texas, besonders prägend. „In den USA zu leben, hat mich diesem Freiheitsgefühl, von dem viele in Amerika sprechen, nähergebracht, vor allem mein 11.000 Kilometer langer Road Trip durch den Mittleren Westen“, erzählt Müller. In Jena genießt er nun die Freiheit der kurzen Wege zur Arbeit und zu seinem wiederentdeckten Hobby Tennis. „Es ist schon eine Weile her, dass ich aktiv gespielt habe, und inzwischen steht weniger die Leistung im Vordergrund als der Spaß an dem, was ich noch kann“, erklärt er.
Janine Kalisch
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Annayancy Osorio Madrazo
Denomination: Intelligente Polymermaterialien und biologische Grenzflächen
zuvor: Universität Freiburg
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Ivo Nischang
Denomination: Makromolekulare und kolloidale Systeme
zuvor: Universität Jena
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Ioanis Panagiotou
Gianni Panagiotou ist seit Jahresbeginn Professor für „Microbiome Dynamics“ der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Mit seiner Forschung am Exzellenzcluster „Balance of the Microverse“ unterstützt er das Vorhaben des Verbunds, Mikrobiome ganzheitlich zu verstehen und Muster zu identifizieren, die das Gleichgewicht mikrobieller Gemeinschaften bestimmen.
Mikrobiome sind zusammenhängende Gemeinschaften, bestehend aus winzigen Lebewesen, wie Bakterien und Pilzen. Zudem sind sie überall: auf und in Menschen, Tieren und Pflanzen, aber auch Gewässer und andere Ökosysteme beheimaten die vielfältigen Einzeller. Um mikrobielle Gemeinschaften in ihrer Komplexität erforschen zu können, müssen große Datensätze analysiert und verarbeitet werden. In diesem Bereich erhält der Exzellenzcluster "Balance of the Microverse" nun Verstärkung durch den neu berufenen Professor Gianni Panagiotou.
Der Systembiologe studierte zunächst Chemical Engineering an der Nationalen Technischen Universität in Athen, bevor er dort promoviert wurde. Sein weiterer Weg führte ihn über Dänemark nach Hong Kong – wo er noch immer als Honorarprofessor tätig ist – und schließlich ans Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI) Externer Linkin Jena. „Als klassisch ausgebildeter Chemieingenieur wurde ich darin geschult, Probleme zu lösen, indem ich die Prinzipien der Chemie, Biologie, Physik und Mathematik auf verschiedene Systeme anwandte. Aber es gibt kein anderes so faszinierendes und komplexes System wie das menschliche Mikrobiom, um dieses Wissen in der Praxis mit beispiellosen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit umzusetzen”, erzählt Panagiotou von den Motiven, die ihn in sein heutiges Forschungsfeld geführt haben.
Panagiotou erforscht mikrobielle Gemeinschaften, mit besonderem Fokus auf dem Darmmikrobiom des Menschen. „Wir integrieren Mikrobiom-, Mykobiom- und Metaomikdaten mit biochemischen und klinischen Daten, konstruieren hochmoderne Stoffwechselmodelle auf Genomebene und wenden Methoden des maschinellen Lernens an, um die Dynamik zwischen dem Wirt und den mit ihm verknüpften Bakterien und Pilzen zu verstehen“, sagt der 48-Jährige. In seinem neuen Umfeld am Microverse-Cluster wird Panagiotou die Forschung verschiedener Arbeitsgruppen im Cluster unterstützen und vorantreiben.
Dabei kann er bereits auf mehrjährige Kooperationen aufbauen: Panagiotou leitet seit sechs Jahren die Forschungsgruppe „Systembiologie und Bioinformatik“ am Leibniz-HKI, die nun ebenfalls den Titel „Microbiome Dynamics“ trägt. Die Gruppe erforscht mit Hilfe systembiologischer und bioinformatischer Methoden, wie Mikroorganismen die Gesundheit beeinflussen. Das Team entwickelte beispielsweise ein Machine Learning-Modell zur Prognose von nichtalkoholischen Fettlebererkrankungen mit Hilfe des Darmmikrobioms. Zudem widmen sich Panagiotou und sein Team der Umweltmetagenomik – das heißt, sie untersuchen Proben, die direkt aus der Umwelt entnommen wurden. So analysierten sie etwa die mikrobiologische Zusammensetzung von Ablagerungen in der Küstenregion Hong Kong, um den Effekt von chemischer Verschmutzung auf das marine Ökosystem zu verstehen.
Panagiotou hat jedoch ein weitaus größeres Ziel vor Augen: „Wir zielen darauf ab, neuartige Maßnahmen zur personalisierten Vorsorge und Behandlung von weltweit bedeutenden Krankheiten wie Stoffwechselerkrankungen, Infektionen, Sepsis und Krebs zu entwickeln. Das ist nur in enger Zusammenarbeit mit Medizinern, Mikrobiologen und Biochemikern möglich. Somit bietet uns der Microverse-Cluster eine optimale Umgebung“, sagt der neue Professor.
Ronja Münch/Alena Gold
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Michael Rücker
Steckt in einer Waschmaschine Informatik? Fragen wie diese hat Michael T. Rücker bereits in seiner Doktorarbeit unter anderem an Schülerinnen und Schüler gestellt. Er hat damit ermittelt, welches Verständnis die Befragten von Informatik haben und wie das Fach überhaupt wahrgenommen wird. Wie stark unser Alltag von Informatik bestimmt wird, will Rücker nun auch in und von Jena aus deutlich machen. Hier an der Friedrich-Schiller-Universität hat der 35-jährige gebürtige Berliner die Junior-Professur (mit Tenure Track) für Didaktik der Informatik übernommen, die aus dem Förderprogramm des Landes „ProfIT“ stammt.
Eigentlich wollte Michael T. Rücker – nach dem Vorbild seiner Mutter – Lehrer werden und seine schulischen Leistungskurse Informatik und Englisch zum Beruf machen. Im Lehramtsstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin stellte er dafür die Weichen. Doch dank einer Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für Rückers Projekt zur Kompetenzmodellierung für den Informatik-Unterricht und seine erfolgreiche Promotion entschied er sich für eine Karriere in der Wissenschaft. Dem Lehramt ist der Didaktik-Professor aber weiterhin eng verbunden und will in Jena alles daransetzen, die zukünftigen Informatik-Lehrerinnen und -Lehrer möglichst gut auszubilden. Eine gute Lehrkraft ist für ihn eine fachkompetente und pädagogisch selbstreflektierende Persönlichkeit. Ein Vorbild, das die Schülerinnen und Schüler begeistert und mitreißt und dadurch ihren Lebensweg beeinflussen kann.
Für Thüringen werden solche Lehrkräfte noch viel wichtiger, da zum Schuljahr 2024/25 Informatik – gemeinsam mit Medienbildung – ab der 5. Klasse eingeführt wird. „Die Einführung des Pflichtfaches ist ein richtiger und wichtiger Schritt“, sagt Prof. Rücker mit Hinweis auf einen Alltag, der nicht mehr ohne Informatik zu denken ist. Doch dafür, betont der Neu-Jenaer, „brauchen wir dringend grundständig ausgebildete Informatik-Lehrkräfte“.
Damit nimmt sich Rücker selbst in die Pflicht. Seinen Studierenden an der Universität Jena will er insbesondere „Werkzeuge an die Hand geben, um später ihr eigenes Handeln zu reflektieren“. Selbstreflexion hält er bei einem Fach, das sich – auch im täglichen Leben – beständig weiterentwickelt, für absolut notwendig. Darüber hinaus will er den Studierenden ein fachdidaktisches Leitbild mit auf den Weg geben und Idealbilder aufzeigen– selbst wenn diese im Alltag nicht immer erreichbar sind.
Und im Alltag wird die Bedeutung von Informatik immer noch unterschätzt. Schon die Antworten auf seine Frage, ob Informatik in der Waschmaschine enthalten ist, haben das verdeutlicht: Ein Großteil der befragten Schülerinnen und Schüler antworteten zwar mit Ja, allerdings mit „Ja, aber…“ – der „Computer“ in der Waschmaschine sei zu klein. Doch selbst ein „kleines Programm ist Informatik“, betont der Jenaer Informatik-Didaktiker – und will dies in Zukunft in Schule und Gesellschaft noch deutlicher machen.
Michael Tobias Rücker studierte Informatik und Englisch mit Lehramtsbezug an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach Erlangung des Bachelor- und Masterabschlusses wurde er dort 2020 mit der Arbeit „A Naturalistic Inquiry into Student Conceptions of Computing Technology and their Role for Learning and Transfer“ promoviert. Im Anschluss machte er das 2. Staatsexamen für das Lehramt und arbeitet als Vertretungslehrer für Informatik und parallel als Postdoc am Institut für Informatik der Berliner Universität. 2023 wechselte er auf die Junior-Professur (mit Tenure Track) für Didaktik der Informatik an die Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Axel Burchardt
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Christoph Schmidt-Hieber
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde den Jenaer Medizinstudenten der Besuch des damals privat angebotenen Physiologie-Laboratoriums empfohlen, und zwar‚ nach den anatomischen Kollegien und vor dem Besuch der Kliniken. Das moderne Medizinstudium vermittelt die Vorgänge im gesunden und kranken Körper verstärkt im Zusammenhang, an der zeitlichen Einordnung des großen Grundlagenfaches Physiologie hat sich jedoch nicht viel geändert.
Aus gutem Grund, so Prof. Dr. Christoph Schmidt-Hieber, seit Jahresbeginn Direktor des Instituts für Neurophysiologie am Universitätsklinikum Jena. „Im Physiologieunterricht entwickeln die Studierenden ein grundlegendes Verständnis für die normalen Lebensprozesse im Körper, das stellt eine wesentliche Voraussetzung für die Beschäftigung mit Krankheitsmechanismen dar“, betont der 44-jährige Mediziner. Gemeinsam mit der Herz-Kreislauf-Physiologie gestaltet sein Institut Lehrveranstaltungen nicht nur für Human- und Zahnmedizin, sondern auch für die forschungsorientierten Masterstudiengänge der Medizinischen Fakultät und andere Lebenswissenschaften wie Pharmazie oder Ernährungswissenschaften.
In seiner Forschungsarbeit widmet sich der neuberufene Professor für Neurophysiologie an der Friedrich- Schiller-Universität Jena den Mechanismen der Gedächtnisbildung. „Wir untersuchen die Aktivität von Nervenzellen bis hin zu Gedächtnis und Verhalten. Dabei interessieren wir uns dafür, wie neue Inhalte abgespeichert und alte abgerufen werden“, beschreibt Schmidt-Hieber. In einem aktuellen Projekt geht es darum, wie ähnliche Gedächtnisinhalte abgelegt werden und wie wir uns an feine Unterschiede erinnern. Diese Vorgänge untersucht seine Arbeitsgruppe mit innovativen Bildgebungsmethoden, z.B. hochaufgelöster Mikroskopie, und elektrophysiologischen Messverfahren am Verhalten von Versuchstieren. In einem speziell konzipierten Messaufbau orientieren sich die vorab geschulten Tiere in einer virtuellen Landschaft.
Christoph Schmidt-Hieber studierte mit einem Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes in Freiburg Medizin und wurde am dortigen Institut für Physiologie mit einer Untersuchung zur Neubildung von Neuronen im erwachsenen Gehirn promoviert. Er arbeitete als Postdoc zunächst in Freiburg und ging dann als Feodor Lynen-Stipendiat ans University College London. Mit einer ERC Starting Grant-Förderung konnte er anschließend am Institut Pasteur in Paris eine eigene neurowissenschaftliche Arbeitsgruppe aufbauen, die er nun neben seiner Arbeit in Jena noch einige Zeit mit betreut.
Hier steht zunächst der Aufbau des Labors im Vordergrund; erste Kontakte zu neurowissenschaftlich tätigen Arbeitsgruppen und Forschungsteams in Photonik und Bildgebung sind bereits hergestellt. Prof. Schmidt-Hieber: „Ich bin mir sicher, dass ich in der Jenaer Wissenschaftslandschaft viele Anknüpfungspunkte finden kann und freue mich auf die neuen Projekte.“
Uta von der Gönna
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Philipp Seib
Der Seidenspinner (Bombyx mori) und verwandte Arten gehören zu den ältesten Haustieren des Menschen. Seit ca. 5.000 Jahren wird die faszinierende Fähigkeit dieser Insekten genutzt, einen hunderte Meter langen Faden spinnen zu können. Dieser Faden wird zu einem Kokon versponnen, in dessen schützender Hülle sich die Raupe ungestört verpuppen kann. Vom Menschen gewonnen, sind die feinen Fäden die Grundlage edler Stoffe und Gewänder. Doch seit einigen Jahren rücken weitere Eigenschaften der Seide in den Fokus. Sie wird in der Medizin eingesetzt, um Wunden abzudecken oder Operationsschnitte zu verschließen. „Seide hat ein enormes Potenzial für vielfältige weitere Anwendungen“, sagt Prof. Dr. Philipp Seib, der seit 2023 leitende Professor für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an der Friedrich-Schiller-Universität. Seit 2009 beschäftigt er sich mit dem faszinierenden Naturstoff Seide. Seibs Ziele: Verstehen, welche biochemischen Prozesse ablaufen, während die Seidenspinnerraupe in aller Seelenruhe ihren Faden spinnt und verarbeitet und diese Prozesse beherrschen, um passgenaue Lösungen für weitere medizinische Anwendungen kreieren zu können. Um dahin zu kommen, ist es aber noch ein weiter Weg.
„Wir können sagen, dass die Seidenraupen im Moment etwa 1.000 Mal effizienter sind als wir“, bemerkt Philipp Seib. Mit verblüffend einfachen „Zutaten“ seien diese Insekten in der Lage, einen Faden von faszinierender Stärke zu produzieren, der unmittelbar nach dem Verlassen der Spinndrüsen aushärtet. Dabei sei Wasser das einzige Lösungsmittel, sagt Seib. Zudem verklebten die Spinndrüsen trotz minimalem Energieeinsatz nicht. Ließen sich diese Fähigkeiten kopieren, könnten etwa neuartige Fäden oder – besser – 3D-Druckverfahren für die Medizin entwickelt werden. Eine andere Idee: Medikamente in Nanogröße mit Seide ummanteln, um sie gezielt im Körper einbringen zu können. „Der Vorteil von Seide ist, dass sie biologisch verträglich und abbaubar ist und sie sich deshalb nicht im Körper anreichert“, erklärt Philipp Seib. Auch gebe es immer wieder Überraschungen. Ein tiefgekühlter Seidenfaden sei beispielsweise widerstandsfähiger gegenüber mechanischen Belastungen als ein Faden bei Normaltemperatur. Manche der Lösungen des Rätsels Seide lassen sich nur finden, wenn die Gensequenzen ausgelesen werden. Das sei zudem der Schlüssel, um neue Bio-Polymere herstellen zu können. Philipp Seib bestätigt, vieles sei noch Grundlagenforschung, aber in Kooperation mit dem Uniklinikum werde parallel bereits an konkreten Anwendungen gearbeitet.
Nach dem Abitur in England studierte Philipp Seib am King´s College in London. Schon frühzeitig habe er sich für Chemie und Biologie interessiert; da lag es für ihn nahe, Pharmazie zu studieren. „Das Fach liegt an der Schnittstelle beider Disziplinen“, sagt Philipp Seib. Eine erste Station nach seiner Promotion zur Nanomedizin und deren intrazellulären Verteilung an der Cardiff-University in Wales war das Leibniz-Institut für Polymerforschung in Dresden. Von dort aus ging es an die Tufts University nach Boston (USA). Über zehn Jahre forschte Philipp Seib dann in Glasgow in Schottland, ehe er sich für Jena entschied. „Hier haben wir die große Chance, etwas Neues aufzubauen“, schwärmt Seib. Das schließe eine gute Lehre ein, gemeinsames Forschen auf Augenhöhe: „Die besten Ideen entwickelt ein Team im direkten fachlichen Austausch, da sollte es keine Barrieren geben“, sagt Seib.
In seiner Freizeit ist Philipp Seib sportlich unterwegs, er geht gern schwimmen und auch wandern. Außerdem interessiert er sich für Architektur. Privat: Er genießt die Zeit mit seiner Familie.
Stephan Laudien
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Verena Vogt
Wann gehen Patientinnen und Patienten mit welchen Beschwerden in welche Arztpraxen, was für Untersuchungen und Behandlungen erhalten sie dort, wohin werden sie weiter verwiesen, welchen Erfolg hat diese Versorgung und was kostet sie? Das sind typische Fragen der Versorgungsforschung, die fächerübergreifend Prozesse und Strukturen im Gesundheitswesen untersucht, um sie zu verbessern. Die zentrale Basis zur Beantwortung dieser Fragen sind die in den verschiedenen Versorgungsbereichen routinemäßig erhobenen Daten, zum Beispiel die der Krankenkassen. Prof. Dr. Verena Vogt nutzt statistische und datenwissenschaftliche Methoden, um anhand dieser Routinedaten den Versorgungsalltag vor allem im ambulanten Bereich zu analysieren. Die 36-jährige Gesundheitswissenschaftlerin hat seit Juni die Professur für Quantitative Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Jena inne.
„Wir untersuchen beispielsweise Versorgungspfade im Gesundheitssystem, also welche Leistungen im Rahmen der Abklärung bzw. Versorgung eines bestimmten Krankheitsbildes in Anspruch genommen werden – das sind mitunter etliche Stationen“, so die Professorin. Ein weiteres Forschungsgebiet ist die medizinische Überversorgung, wenn also Risiken und Aufwand einer Prozedur ihren Nutzen übersteigen. Beispiele hierfür sind unnötige bildgebende Untersuchungen bei unkomplizierten Rückenschmerzen, unnütze Labortests bei Schilddrüsenerkrankungen oder die unkritische Verschreibung von Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Prof. Vogt: „Dafür interessieren sich natürlich die Krankenkassen. In unseren Projekten haben wir festgestellt, dass auch die praktizierenden Ärztinnen und Ärzte erstaunlich aufgeschlossen sind für das Thema.“ Ihre Forschungsgruppe misst in einem aktuellen Projekt, wie häufig solche überflüssigen Leistungen stattfinden. Darauf aufbauen kann dann Informations- und Schulungsmaterial entwickelt werden, um die ärztliche Entscheidung für eine angemessene Diagnose und Therapiemethode zu unterstützen.
Verena Vogt studierte Gesundheitskommunikation und Public Health an der Universität Bielefeld, bevor sie an das Gesundheitsökonomische Zentrum an der Technischen Universität Berlin wechselte. Hier untersuchte sie auf der Basis von Routinedaten der Krankenkassen regionale Angebotsstrukturen und Versorgungsprozesse in der ambulanten Versorgung und promovierte zu diesem Thema in Gesundheitswissenschaften. Als Gastwissenschaftlerin forschte sie am Menzies Centre for Health Policy der Universität Sydney in Australien. Zuletzt war Verena Vogt Juniorprofessorin für Versorgungsforschung und Qualitätsmanagement im ambulanten Sektor an der TU Berlin.
Ihre Professur in Jena ist im Institut für Allgemeinmedizin des Uniklinikums angesiedelt und wird eng mit dem an der Medizinischen Fakultät neu etablierten Zentrum Versorgungsforschung zusammenarbeiten. Vom engeren Kontakt zum klinischen Versorgungsalltag erwartet Prof. Vogt wichtige Impulse für ihre Forschung: „Ich möchte Kooperationen und Vernetzung ausbauen, um die Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Jena weiter voran zu bringen und im In- und Ausland sichtbar zu machen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit zwischen klinischer Praxis und versorgungsnaher Forschung von entscheidender Bedeutung ist, um die Gesundheitsversorgung bedarfsgerecht und effizient zu gestalten.“
Uta von der Gönna
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Birgit Weber
Nach zwei Jahrzehnten Forschung und Lehre in München und Bayreuth zog es die Chemikerin Birgit Weber wieder zurück an den Ort, an dem ihre wissenschaftliche Laufbahn begann. „Es fühlt sich an wie eine Heimkehr in eine Gemeinschaft, die sowohl vertraut als auch inspirierend neu ist“, beschreibt Weber das Gefühl, wieder zurück zu sein. „Jena hat sich bemerkenswert entwickelt, aber die essenzielle wissenschaftliche Neugier an diesem Ort ist geblieben,“ sagt sie über den Wissenschaftsstandort aus heutiger Sicht.
In ihrer Forschung konzentriert sich Weber auf sogenannte 3d-Metalle, also auf die leichtesten Nebengruppen-Elemente im Periodensystem. Sie werden auch als Übergangsmetalle bezeichnet. Diese Elemente kommen häufig in der Natur vor, sind günstig und vergleichsweise umweltfreundlich. „Mein Lieblingselement ist Eisen“, sagt die Chemikerin, „denn die Koordinationschemie des Eisens bietet vielfältige und nachhaltige Anwendungsmöglichkeiten – von smarten Kontrastmitteln bis hin zu effizienten Photokatalysatoren für die Wasserstoffgewinnung.“ Hierzu nutzt sie unterschiedliche Eigenschaften dieser Verbindungen: „Die magnetischen Eigenschaften solcher Eisen-Komplexe lassen sich sehr gut beeinflussen, etwa durch Veränderung der Temperatur“, führt sie aus. „Damit können diese Verbindungen in der Sensorik genutzt werden.“
Einige Eisenkomplexe haben aber noch eine andere nützliche Eigenschaft: Lumineszenz. „Dieses Phänomen kennt man etwa von Phosphoreszenz-Farbstoffen, die zuvor aufgenommene Lichtenergie zeitlich verzögert als Licht wieder abgeben“, führt die Chemikerin aus. Diese gespeicherte Energie könne jedoch auch an einen geeigneten Katalysator übertragen werden, der dann beispielsweise Wasserstoff aus Wasser erzeugt.
In der Lehre ist es ihr wichtig, Studierenden nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern sie auch zur eigenständigen Forschung zu inspirieren. „Die Verbindung von Forschung und Lehre ist essenziell, um die nächste Generation von Wissenschaftlern auszubilden“, betont sie. Ihre Lehrphilosophie zielt darauf ab, komplexe Inhalte verständlich und greifbar zu machen, wobei sie besonderen Wert auf die praktische Anwendung des Erlernten legt.
Nachdem sie in Jena promoviert wurde, ging Weber im Jahr 2003 an die LMU München, wo sie mithilfe eines Liebig-Stipendiums vom Fonds der Chemischen Industrie eine eigene Forschungsgruppe aufbaute. 2009 habilitierte sie sich und wechselte 2010 an die Uni Bayreuth. Schließlich trat sie 2023 eine Professur an der Universität an, an der ihre wissenschaftliche Karriere begann: „Ich hätte nie gedacht, dass ich nach Jena zurück komme. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Aber es ist toll, wieder hier zu sein.“
Nach Jena lockten sie die besseren Konditionen und das hervorragende Umfeld: „Hier ist viel mehr Platz in den Laboren und Messräumen. Und ich habe nun auch eine permanente Mitarbeiterstelle für einen sehr guten Postdoc, der schon lange bei mir ist“, freut sich Weber. Da einige ihre Kollegen am Institut vor dem Ruhestand stehen, gehört zu Webers Professur auch die Aufgabe, das Institut für Anorganische und Analytische Chemie neu auszurichten. So haben die Gestaltungsmöglichkeiten und auch das Forschungsumfeld Birgit Weber letztendlich überzeugt. „Die ganze Forschung an Polymeren, an Kompositen, die Arbeit mit Licht – es war eine klare Entscheidung“, stellt sie fest. „Ich habe von Anfang an gesagt: Wenn Jena mich haben will, gehe ich hin.“
Marco Körner
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Michael Wessel
Die Friedrich-Schiller-Universität Jena erweitert nachhaltig ihr Lehrangebot: Mit Prof. Dr. Michael Wessel, Stiftungsprofessor für »Wirtschaftsinformatik, insb. E-Commerce und Digital Business«, startet voraussichtlich schon ab Wintersemester 2024/25 ein neues Studienprofil im Bachelorstudiengang Wirtschaftswissenschaften. Die Schwerpunkte liegen hierbei auf E-Commerce, digitalen Märkten und Plattformen sowie digitalen Geschäftsmodellen.
Ermöglicht hat dies das Engagement der Jenaer Unternehmen dotSource SE, diva-e Digital Value Excellence GmbH, igniti GmbH, Intershop Communications AG, ORISA Software GmbH, rooom AG, Salesforce.com Germany GmbH, Skatedeluxe GmbH, TDSoftware GmbH und Xceptance Software Technologies GmbH sowie des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft.
Bei einem Festakt im Senatssaal der Friedrich-Schiller-Universität Jena wurde Michael Wessel durch den Leiter der Universität Prof. Dr. Georg Pohnert, offiziell zum Professor ernannt. Der Stiftungsprofessor wurde durch Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee willkommen geheißen sowie durch Vertreterinnen und Vertreter der stiftenden Unternehmen und der Fakultät.
Prof. Wessel war über sechs Jahre an der Copenhagen Business School im Department of Digitalization tätig, bevor er nun an die Friedrich-Schiller-Universität wechselte. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem das Management digitaler Plattformen, die Gestaltung konsumentenorientierter E-Commerce-Lösungen, die Entwicklung digitaler und datenbasierter Geschäftsmodelle sowie die Interaktion zwischen Menschen und Algorithmen.
Ziel der Stiftungsprofessur ist es, die Ausbildung von Fachkräften in den Bereichen E-Commerce und Digital Business in Jena zu stärken. »Die Studierenden fit zu machen für die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt, ist ein Eckpfeiler der Digitalisierungsstrategie der Friedrich-Schiller-Universität«, so Prof. Pohnert. Mit der neuen Professur können entsprechende Angebote noch besser im Curriculum der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät abgebildet werden.
»Wir freuen uns sehr, mit Herrn Professor Wessel einen weiteren E-Commerce-Experten in Jena begrüßen zu dürfen und so unseren Wirtschafts- und Bildungsstandort weiter zu stärken«, beschreibt Christian Otto Grötsch, Vorsitzender des Verwaltungsrats der Digitalagentur dotSource SE und Vertreter der Stiftungsunternehmen die Motivation für sein Engagement.
Gemeinsam mit der Friedrich-Schiller-Universität hatten die stiftenden Unternehmen mehrere Jahre auf die neue Professur hingearbeitet und konnten so Wirtschaft und Wissenschaft in Jena noch besser miteinander verzahnen. Die Professur ist durch die Stiftungsmittel für fünf Jahre sichergestellt. Im Anschluss wird die Finanzierung durch die Universität gewährleistet.
Lisa Hager
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Matthias Woiczinski
Welche Kräfte wirken auf ein Hüftimplantat? Wie beeinflussen verschiedene Knieprothesen das Gangbild? Welchem Verschleiß unterliegt ein Implantat? Diese und viele weitere Fragen rund um den künstlichen Gelenkersatz untersucht der Forschungsbereich Experimentelle Orthopädie an den Waldkliniken in Eisenberg unter der Leitung von Matthias Woiczinski. Der Spezialist für Biomechanik wurde im vergangenen Wintersemester auf die neu eingerichtete Professur für Experimentelle Orthopädie an der Medizinischen Fakultät Jena berufen.
„Die unmittelbare Anbindung an die orthopädische Klinik ist zentral für unsere Forschung“, sagt der 42-Jährige. „Wir nehmen die sich aus der klinischen Praxis ergebenden Fragen mit ins Labor, um mit den dort erarbeiteten Antworten zu einer Verbesserung der orthopädischen Versorgung beitragen zu können.“ Dabei greift sein Forschungsteam auf ein breites Methodenspektrum zurück, zu dem zum Beispiel Kinematoren gehören, mit dessen Hilfe die Bewegungsparameter von Knie- oder Schulterimplantaten in einer wirklichkeitsgetreuen Gelenkumgebung analysiert werden können. Aber auch Bewegungsanalysen, in-vitro-Untersuchungen und Simulationsrechnungen führt das Forschungsteam durch.
Der gebürtige Münchner absolvierte in seiner Heimatstadt ein Studium zum Diplomingenieur für Medizintechnik. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Labor für Biomechanik und Experimentelle Orthopädie des Klinikums Großhadern entwickelte er im Rahmen seiner Dissertation ein numerisches Modell zur Analyse der Beugebewegungen von künstlichen Kniegelenken. Im Mittelpunkt seiner Habilitation standen Berechnungsmodelle, die zum Beispiel die Auswirkungen der genauen räumlichen Lage des Implantats auf Beweglichkeit und Verschleiß simulieren. Zuletzt leitete Matthias Woiczinski die Arbeitsgruppe für Biomechanik und Schadensanalyse im Muskuloskelettalen Universitätszentrum München und führte dabei zahlreiche experimentelle wissenschaftliche Studien durch.
„Im Mittelpunkt unserer Versuche und Berechnungen steht die Frage, welches Implantat für die jeweilige Patientin oder den Patienten am geeignetsten ist und wie genau es positioniert sein sollte“, betont er. Ein Forschungsprojekt seines etwa zehnköpfigen Forschungsteams am Campus Eisenberg simuliert unter anderem vor der Operation die Kräfte und Bewegungsfähigkeit des Gelenkersatzes. „Bei Hüftprothesen sind auch die relativen Rutschbewegungen zwischen Implantat und Knochen relevant – sie beeinflussen das Einwachsen des Implantats in den Knochen“, so Woiczinski.
Sein Team untersucht zudem, wie Kunststoffabrieb der Implantate sich langfristig schädlich auf die umliegenden Knochen auswirken kann. In einer Prüfmaschine kann es sie jahrelange Belastung von künstlicher Gelenke nachbilden und analysieren. Zusammen mit der Orthopädie sind auch klinische Studien in der Planung. Wichtige Kooperationspartner sind neben der Orthopädie die Anatomie, die Unfallchirurgie und natürlich die Entwicklungsabteilungen von Medizintechnikunternehmen. Den Studierenden bringt Professor Woiczinski in Seminaren und Praktika die biomechanische Belastung der Implantate nahe. Am natürlichen Vorbild, so weiß er, muss sich die Endoprothetik messen lassen: „Die Implantate sollen dem gesunden Gelenk in seiner Funktion und Haltbarkeit so nah wie möglich kommen.“
Uta von der Gönna