Prof. Dr. Michael Klaper mit seinem Buch über Giovanni Bentivoglio.

Giovanni Bentivoglio – Ein Italiener in Paris

Musikwissenschaftler Prof. Michael Klaper entdeckt einen vergessenen Protagonisten der italienischen Musikkultur
Prof. Dr. Michael Klaper mit seinem Buch über Giovanni Bentivoglio.
Foto: Angelika Bohn
  • Forschung

Meldung vom: | Verfasser/in: Angelika Bohn

Unter dem Namen Giovanni Bentivoglio kennen die Datenbanken bisher nur zwei berühmte Akteure. Der erste herrschte 1401 für ein Jahr über die mächtige Stadt Bologna, der zweite regierte sie ab 1463 über vier Jahrzehnte.

Als 1611 ein weiterer Giovanni Bentivoglio in Ferrara geboren wird, steht die weitverzweigte und einflussreiche Familie nicht mehr im Zenit ihrer Macht. Über beste Verbindungen indes verfügt man nach wie vor. Ein Onkel ist Kardinal und holt „unseren Giovanni“ zur Ausbildung nach Rom. Von dort zieht es den jungen Mann im Gefolge Jules Mazarins nach Paris an den Hof, wo er bald als Dichter von poesia per musica geschätzt und gefragt ist und bis zu seinem Tod 1694 lebt.

790 Seiten Handschrift in Madrid

Unser Giovanni“, sagt Prof. Michael Klaper, wenn er vom Protagonisten seiner jüngsten Publikation zur italienischen Musikkultur in Frankreich redet. Seit seiner Habilitation zur italienischen Oper im Frankreich des 17. Jahrhunderts faszinieren den Jenaer Musikwissenschaftler diese für die europäische Kulturgeschichte so entscheidende Epoche und ihre Akteure. Damals ist der französische Hof ein Zentrum der Klänge. Es ziehen – vor allem aus Italien – Komponisten, Musiker, Sängerinnen und Dichter nach Paris, um den immensen Hunger des Publikums nach Musik zu stillen.

Interessant für die musikwissenschaftliche Forschung über diese Zeit sind heute besonders die Dichter. Sie sind im 17. Jahrhundert die oberste Instanz bei der Entstehung von Kantaten und Opern. Ihre Verse geben die Struktur, die Dramatik, den Geist der Kompositionen vor.

So war Michael Klaper elektrisiert, als ihn ein italienischer Kollege auf die Studie eines Schweizer Wissenschaftlers hinwies. Dieser hatte in Madrid eine weitgehend unbeachtete Handschrift italienischer Dichtungen des 17. Jahrhunderts entdeckt und sie mit Giovanni Bentivoglio in Verbindung gebracht. Klaper wollte diese Handschrift lesen, was sich als schwierig erwies, denn der Zahn der Zeit hatte die 350 Jahre alten Papiere stark in Mitleidenschaft gezogen. Doch es existierte ein Mikrofilm, so dass Michael Klaper die 790 Seiten als Scan studieren und schließlich die gesammelten Dichtungen zweifelsfrei Giovanni Bentivoglio zuordnen konnte.

Ein idealer Zeitzeuge

Die Überlieferung der Dichtungen und die Auswertung bekannter und zahlreicher bislang unbekannter Dokumente hat Michael Klaper nun unter dem Titel „Giovanni Bentivoglio. Die italienische Musikkultur im Frankreich der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“ in einem italienischen Verlag veröffentlicht. Das Buch zeichnet ein detailliertes Bild von Werdegang und Werk Bentivoglios, von Erfolgen, Umbrüchen, Verwerfungen und Scheitern.

Für Klaper entpuppte sich dieser Dichter als idealer Zeuge der Musik- und Kulturgeschichte seiner Zeit. Über fünf Jahrzehnte lebt der Spross der bekannten italienischen Adelsfamilie in Paris. Ein standesgemäßes Leben finanzierte er mit den Einkünften aus seinen Abteien. Er musste kein Amt ausüben, agierte aber mitten im Zentrum der Macht: als Dichter, Diplomat, Vertrauter, Sammler, Agent und Gesellschafter. Als er mit Anfang 30 in die „schönste Stadt, die ich je sah“ kam, gab in Paris die musikbegeisterte, alles Italienische liebende Anna von Österreich den Ton an. Er war Anfang 50, als Ludwig XIV. die Alleinherrschaft übernahm und begann, das Französische an erste Stelle zu setzen.

Etwa 1660 wollte Giovanni Bentivoglio seine Arbeiten zusammenfassen und engagierte dafür einen Mann, der sie fein ordentlich abschrieb. Was später entstand, fügte er selbst dem Kompendium hinzu. Als er 82-jährig ohne direkte Nachkommen starb, setzte er die drei Kinder eines Neffen als Erben ein. Danach verlor sich die Spur der Handschrift. Wo sie verblieb und auf welchen Wegen sie im 19. Jahrhundert nach Madrid gelangte, ist bis heute ein Rätsel.

Information

Bibliografische Angaben:

„Giovanni Bentivoglio. Die italienische Musikkultur im Frankreich der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“, di Michael Klaper, Studi e Saggi 50 (in Tedesco), ISBN 9788855431668

Kontakt:

Michael Klaper, Univ.-Prof. Dr.
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Frommannsches Anwesen, Raum 231
Fürstengraben 18
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link