Campuswiese

University of Pretoria

Wintersemester 2022/23
Campuswiese
Foto: Magnus, Uni Jena

Magnus, Rechtswissenschaft

Ich besitze seit fast 10 Jahren ein Smartphone mit Kamera, ohne von dieser jemals viel Gebrauch gemacht zu haben. Wenn ich in meinem Album etwa ein halbes Jahr zurückgehe, finden sich dort pro Monat oft nicht mehr als ein oder zwei Dutzend Bilder, die zumeist Buchauszüge oder Dokumente zeigen. Umso größer erscheint jetzt der Kontrast, wenn ich beginne von diesen Fotos nach oben zu scrollen und Hunderte von Bildern an mir vorbeijagen, die abwechslungsreicher nicht sein könnten. So viele wunderschöne Landschaften, spannende Momente und liebevolle Menschen, dass es beinahe absurd erscheint, dass all das in weniger als einem halben Jahr passiert sein soll.

Mein erstes Foto aus Südafrika, zeigt die große Wiese, die auf dem Campus als zentrale Anlaufstelle für alle die gilt, die sich zwischen den Vorlesungen mit ihren Freunden treffen, etwas essen oder einfach mit guter Musik auf den Ohren in der Sonne entspannen wollen. Davon gibt es mehr als genug an der University of Pretoria, die ihre ca. 50.000 eingeschriebenen Studierenden über 7 Campusse verteilt, deren Größe und Ausstattung eher das Gefühl vermitteln, sich in einer Kleinstadt, als auf einem Universitätscampus zu befinden. So bietet allein der Main-Campus in Hatfield von Restaurants, Mensen, Coffee-Shops, kleineren Supermärkten, verschiedenen anderen Läden bis hin zu Museen, Bühnen, auf denen regelmäßig Mittagskonzerte gespielt werden und sogar einer eigenen Kapelle eigentlich alles, was das Studentenherz begehrt. Was mich an diesem Campus besonders überrascht hat, ist die architektonische Vielfalt, mit der die Fassaden der einzelnen Fakultäten gestaltet wurden. Kein Gebäude sieht gleich aus. Zusammen mit den lila blühenden Jacaranda-Bäumen entsteht so ein Bild, an dem man sich nur schwer sattsehen kann. Für alle, die neben den Universitätsbesuchen einen sportlichen Ausgleich suchen, ist der Hillcrest-Campus die richtige Adresse. Dort finden sich nicht nur mehrere Felder, auf denen die beiden beliebtesten Sportarten des Landes – Rugby und Fußball – gespielt werden können, sondern auch Laufbahnen, Basketball und Netball Plätze, ein ziemlich gut ausgestattetes Gym und viele andere Sportanlagen, für deren Erkundung mir leider die Zeit gefehlt hat. Da das Sportangebot ähnlich wie in den USA auf einem College- statt wie in Deutschland auf einem Vereinsprinzip basiert, gibt es eine große Auswahl an universitär geförderten Teams, denen man beitreten kann. Diese Clubs sind eine gute Möglichkeit Locals kennenzulernen und so die Stadt und die südafrikanische Lebensweise auf authentische Art und Weise zu erleben. So bin ich beispielsweise in das Volleyballteam der UP eingetreten und habe dort eine Gruppe Freunde gefunden, mit denen ich auf und neben dem Platz viel Zeit verbracht habe. Aber keine Sorge, auch für diejenigen, die wenig Interesse an Sport haben, gibt es genug Auswahl. Ob man sich musikalisch, künstlerisch oder anderweitig ausleben will, die UP bietet einen passenden Club.

Blühende Jacaranda-Bäume in Pretoria

Foto: Magnus, Uni Jena

So ein Auslandssemester findet aber natürlich nicht nur auf dem Campus statt. Auch hier hat Südafrika viele Vorteile. So sind Club- und Restaurantbesuche im Vergleich zu Deutschland sehr erschwinglich, was zwar dazu führt, dass der Kater zu einem regelmäßigen Gast wird, aber immerhin dafür sorgt, dass der morgendliche Blick ins Portemonnaie einigermaßen erträglich bleibt. Dasselbe gilt auch für das Reisen. Sowohl Mietwägen als auch Unterkünfte sind deutlich günstiger als in Europa, was dazu einlädt, Südafrika und seine Nachbarländer zu erkunden. Ich hatte das Glück, nicht nur viel von Südafrika zu sehen, sondern auch Lesotho und Namibia zu besuchen. Hier alle Orte aufzuzählen, die einen Abstecher wert wären, würde jedoch den Rahmen sprengen. Glücklicherweise ist die Auswahl in und um Südafrika aber so groß, dass die Reiseliste bereits nach kurzer Eigenrecherche eine Länge erreicht, die unmöglich in nur einem Auslandsemester abgearbeitet werden kann.

Duiker in hohem Gras

Foto: Magnus, Uni Jena

Leider gehört zur Lebensrealität in Südafrika allerdings mehr als das bisher aufgezählte Positive. Jeder, der sich in dieses Abenteuer stürzen will, sollte sich darüber bewusst sein, dass Südafrika weltweit führend ist, was die Ungleichverteilung von Wohlstand angeht. Das geht zwangsläufig mit einer großen Anzahl sozialer und gesellschaftlicher Probleme einher. Besonders präsent ist dabei die hohe Kriminalitätsrate. Ein Auslandssemester in Südafrika bedeutet zwar nicht zwangsläufig, dass man Opfer einer Straftat werden muss, allerdings besteht eine sehr reale Chance, dass man früher oder später direkt oder indirekt mit einer konfrontiert wird. Hier gilt die Devise: „Don’t be stupid.“, was dazu führt, dass man seinen Lebensstil zwangsweise etwas anpassen muss. So wird geraten, sich außerhalb der umzäunten Campusgebiete nach Möglichkeit nur in Gruppen zu bewegen, was insbesondere bei Nacht eigentlich mehr Pflicht als Gebot wird und längere Strecken lieber mit einem Uber zurückzulegen, als sie zu laufen. Wertsachen sollten nach Möglichkeit nicht offen getragen und das Handy in der Öffentlichkeit nur dann benutzt werden, wenn es unbedingt nötig ist. Nachts ist es Autofahrern gestattet, rote Ampeln zu ignorieren, um möglichen Überfällen vorzubeugen. Die Uni selbst ist sehr bemüht, den Aufenthalt so sicher wie möglich zu gestalten. Wir wurden zu Beginn unseres Aufenthalts gleich mehrfach von verschiedenen Personen darüber aufgeklärt, wie wir uns wann zu verhalten und welche Orte und Situationen wir zu meiden haben. Zusätzlich bietet die UP aber auch weitere Security-Services an. So war es bspw. möglich, sich nach Sonnenuntergang von Security-Personal in die eigene Unterkunft begleiten zu lassen. Neben einer ständigen Wachsamkeit, die man sich mit der Zeit angewöhnt, gibt es noch eine weitere Besonderheit, die einem etwas zu schaffen macht. Da der staatliche Stromanbieter seinen Strom lieber teuer ins Ausland verkauft, als ihn den Einwohnern Südafrikas zur Verfügung zu stellen, kommt es meist mehrmals täglich zu geplanten Stromausfällen, die jeweils in 2h Blöcken auftreten – das sogenannte „Load-Shedding“. Das bedeutet, dass man seinen Tag besser um diese kleinen Hindernisse herumplanen sollte, wenn man nicht plötzlich kurz vor Abgabefrist im Dunkeln sitzen oder seine Wäsche per Hand auswringen will. Abhilfe schafft hier eine App, die einem zumindest anzeigt, wann diese Ausfälle auftreten werden. Teilweise nimmt das Ganze allerdings auch absurde Ausmaße an. Während man üblicherweise mit vier stromlosen Stunden pro Tag rechnen musste, konnte es zu Hochzeiten schonmal bis zu 12h an Elektrizität fehlen, was insbesondere auf den Inhalt des eigenen Kühlschranks ungünstige Auswirkungen hatte. Einen Lichtblick bot hier wieder der Campus, der während dieser Zeiträume über riesige Dieselgeneratoren mit Strom versorgt wurde. Dass ein solcher Dieselgenerator auch für unsere Unterkunft in Planung sei, wurde uns zwar versichert, allerdings habe ich meinen Glauben in die Pünktlichkeit südafrikanischer Bauprojekte während meines Aufenthalts etwas verloren. Wenn ihr Glück habt, steht dieser vielleicht aber auch schon, wenn ihr euch für ein Auslandssemester in Pretoria entscheiden solltet.

Sonnenaufgang in den Dünen Sossusvleis (Namibia)

Foto: Magnus, Uni Jena

Auch wenn meine Ausführungen zum Ende etwas negativ wurden, hoffe ich, euch nicht verschreckt zu haben, denn ein Auslandssemester in Südafrika bringt zwar einige Widrigkeiten mit sich, gibt einem aber auch die Möglichkeit sich selbst in einem neuen Umfeld weiterzuentwickeln und viele Abenteuer zu erleben. Ich persönlich bereue meine Entscheidung nicht und will keins der Bilder missen, die nun mein Fotoalbum füllen. Denn sie alle stehen für einzigartige Erlebnisse und wunderbare Menschen, denen ich nur begegnet bin, weil ich es gewagt habe, über meinen eigenen Tellerrand hinauszuschauen und mich in ein Land zu begeben, dass facettenreicher und interessanter kaum sein könnte.