Proforma-Rechnung (Auszug) der Firma Umlauff vom 14.1.1908 an Ernst Haeckel.

Auf der Spur menschlicher Überreste aus kolonialen Kontexten

Universität Jena mit neubesetzter AG Kolonialismus und weiterer Publikation zum kolonialen Erbe
Proforma-Rechnung (Auszug) der Firma Umlauff vom 14.1.1908 an Ernst Haeckel.
Bild: Archiv/Ernst-Haeckel-Haus
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Meldung vom: | Verfasser/in: Axel Burchardt
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Eine Kopfhaut aus Namibia, Schädel aus Tansania und Papua. Dies sind Bei­spiele für menschliche Überreste aus Sammlungen der Universität Jena, die während der Ko­lonialzeit nach Deutschland gebracht wurden. Umfangreiche Forschungen waren notwendig, um die genaue Herkunft und die Ge­schichte dieser menschlichen Überreste nachvollziehen zu können, denn die Identifizie­rung ist fast immer schwierig und aufwendig. Dieser Aufgabe, der sogenannten Provenienz­for­schung, stellt sich die Jenaer Universität seit Jahren. „Die Friedrich-Schiller-Universität ist sich der Verantwortung für ihre Sammlungsbestände sehr bewusst und deshalb äußerst be­müht, ihre Herkunft sorgfältig und umfassend zu klä­ren“, sagt der Präsident der Universität Jena Prof. Dr. Walter Rosenthal. „Der Fokus liegt zunächst auf menschlichen Überresten, die nicht in eine Ausstellung, sondern in die Obhut der Nach­fah­ren gehören“. Seit diesem Semester hat er dazu auch die Arbeitsgruppe „Koloniales Erbe und rassismuskritische Bildungsarbeit“ eingesetzt, der die Historiker Jo­achim Bauer und Ste­fan Gerber, der Biologiedidaktiker Uwe Hoßfeld und der Archäologe/Anthropologe Enrico Paust angehören, und die aus den Sammlungen und weite­ren Bereichen der Universität un­terstützt wird.

Das Expertenteam hat gerade neue Er­gebnisse vorgelegt und sie für die interessierte Öffent­lichkeit in der Publikation „Ernst Haeckels koloniale Schädel“ publiziert. Sie zeigt am Beispiel von acht Schädeln aus der ehemaligen Osteologischen Sammlung und dem Phyle­tischen Mu­seum auf, welche Wege solche Sammlungsobjekte im 19. und 20. Jahrhundert genom­men haben und welche Möglichkeiten und Grenzen es gibt, ihre Herkunft ein Jahrhun­dert später zu rekonstruieren.

Intensive Forschungen zu jedem Sammlungsteil notwendig

Grundlage der Publikation ist ein gerade abgeschlossenes For­schungs­pro­jekt im Be­reich Kul­tur- und Samm­lungs­gut aus ko­lo­nia­len Kon­tex­ten, das vom Deut­schen Zen­trum Kul­tur­gut­ver­lus­te ge­för­dert wurde. In dem interdisziplinären Pro­jekt ist an­hand von acht mensch­li­chen Schä­deln aus dem Haeckel-Nachlass sowie der Osteologischen Sammlung die kon­kre­te Pro­venienz detailliert erforscht worden. Sieben dieser Schädel konnten nach Akten-Re­cherchen in den Sammlungen gefunden und anthropologisch erfasst werden. Ermit­telt werden konnte auch, dass Ernst Hae­ckel zwei Schädel beim Na­tu­ra­li­en­han­del J.F.G. Um­lauff in Ham­burg ge­kauft hatte. Auf welchem Weg die Schädel eines Papua und eines Massai allerdings zu Um­lauff gelangt sind, konnte trotz intensiver Quellenarbeiten nicht abschlie­ßend geklärt werden. Unklar blieb auch, wo sich der von Haeckel gekaufte Mas­sai-Schädel befindet, da er bisher nicht in den Beständen der Universität ermittelt werden konnte.

Es bleiben Fragen offen

Im Hinblick auf die sechs Schädel aus der Osteologischen Sammlung konnte für alle ein Ein­gang in die Sammlung zwischen 1930 und 1935 unter dem Ordinariat von Hans F. K. Günther – später „Rasse-Günther“ genannt – herausgestellt werden. Für drei Schädel von Massai lässt sich der genaue Weg nach Jena nicht nachvollziehen. Aufgrund der ermittelten Vorbe­sitzer, des Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika Gustav Adolf Graf von Goetzen und des Ma­lers Wilhelm Kuhnert, gilt allerdings ein Zusammenhang mit dem Maji-Maji-Aufstand als wahr­schein­lich. Die drei Schädel der Papua lassen sich auf einen Einkauf von der Firma Umlauff sowie auf ein Geschenk des Kaiser-Wilhelm-Institutes zurückführen. Lediglich ein Schädel lässt sich in seiner Herkunft nicht näher eingrenzen.

Die in diesem Projekt erarbeiteten Erkenntnisse dienen als methodische Grundlage für eine kommende vollständige Aufarbeitung des Sammlungsgutes an der Universität Jena. Die in der Studie untersuchten Schädel sollen in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden, wes­halb bereits Meldungen an das Auswärtige Amt und die Vertretungen der betroffenen Länder erfolgt sind.

Information

Original-Publikation:
Enrico Paust, Carlies Maria Raddatz-Breidbach, Uwe Hoßfeld, Joachim Bauer, Stefan Gerber: Ernst Haeckels koloniale Schädel, Jenaer Archäologische Forschungen, Heft 8, Jena 2021, 4,50 Euro.
[In Kürze zu beziehen über den Uni-ShopExterner Link]

Kontakt:

Enrico Paust, Dr.
Kustos Sammlung UFG; Projekte »Collegium Jenense«
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Lehrstuhl Ur- und Frühgeschichte
Löbdergraben 24a
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link
Stefan Gerber, PD Dr.
Leiter des Universitätsarchivs
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Archiv
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, Raum Universitätsarchiv
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