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Meldung vom: | Verfasser/in: Angelika Schimmel
Eine Handvoll Muscheln vom Ostseestrand, eine kleine Zeichnung vom Straßenkünstler auf dem Montmartre, Gewürze vom orientalischen Basar oder eine hübsche Keramik aus einer Werkstatt in der Altstadt von Barcelona sind die üblichen Erinnerungsstücke von Urlaubern an schöne Tage an fremden Orten. Von ganz anderem Format dagegen sind jene Mitbringsel von Reisenden, die die Mineralogische Sammlung der Universität Jena in ihren Depots aufbewahrt und jetzt in einer neuen Sonderausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. „Sommerzeit – Reisezeit – Mineralogische Mitbringsel & blinde Passagiere“ ist der Titel der Schau, die vom 16. Mai bis 15. Oktober dieses Jahres am Jenaer Institut für Geowissenschaften in der Sellierstraße 6 gezeigt wird.
Eine Reise um die Welt und in ihr Innerstes
Dr. Birgit Kreher-Hartmann, Kustodin der Mineralogischen Sammlung, nimmt die Gäste in der neuen Schau mit auf eine Reise rund um die Welt – von der Ostsee über den Harz und die Alpen nach Frankreich und Italien, von der Slowakei bis nach Rumänien und weiter nach Afghanistan. Über Ägypten geht es weiter bis nach Jakutien. Mit ein paar Schritten können die Besucherinnen und Besucher Ozeane überwinden sowie Afrika, Amerika und Neuseeland und ihre mineralogischen Spezialitäten entdecken. Von all diesen fremden Ländern und Kontinenten finden sich steinerne Schätze in der Jenaer Sammlung und nun in der Sonderschau, die Wissenschaftler bei Exkursionen gezielt gesucht oder passionierte Laien mit „mineralogischem Blick“ durch Zufall auf ihren Reisen gefunden haben.
Glasklare Kristalle und strahlendes Innenleben verborgen im Gestein
Warm-golden schimmernde Bernsteine von der Ostsee, Achate aus dem Erzgebirge oder dem Odenwald, der dunkelrote „Harzer Blutstein“, bei dem es sich um den Edelstein Carneol handelt, sind Beispiele für mineralogische Raritäten aus deutscher Heimat. Die in Regenbogenfarben schillernden Muschelschalen in dunklem Kalkstein und glasklare Bergkristalle sind Fundstücke aus den Alpenländern. „Bei dem durch Nickel grün gefärbten Chrysopras handelt es sich um den Lieblingsstein Friedrich des Großen. Dieser hat mit den Edelsteinen aus Polen die Kamine in seinem Schloss Sanssouci verkleiden lassen“, nennt Birgit Kreher-Hartmann ein historisches Beispiel mineralogischer Faszination. Auch die sogenannten „Hermanov-Kugeln“ aus Mähren gehören in diese Kategorie. „Für den Laien sind es unscheinbare graue Steinkugeln, die im Innern mit einem farbigen Kern und einem Strahlenkranz aus Amphibolen überraschen. Das machte sie schon zu Goethe-Zeiten zu begehrten Sammlerstücken“, erklärt die Kustodin.
Die nur stecknadelkopfgroßen dunkelgrauen Stückchen des aus Polen stammenden Granats sind die Winzlinge in der neuen Schau. Sie entfalten erst nach dem Schliff ihr dunkelrotes Edelstein-Feuer. So groß wie ein Brotlaib sind dagegen die Nephrite, die Geowissenschaftler in Neuseeland aus dem Gestein geborgen haben. Die dünnen, milchig-grün schimmernden Scheiben, die aus dem Stein geschnitten sind, lassen den Wert dieser Mineralien erahnen. „Nephrite, die sich vor mehreren 100.000 Jahren im westlichen Gebirge Neuseelands gebildet haben, sind Konkurrenten der Jade. Oft zeigt erst die Strukturuntersuchung, ob es sich bei einem Schmuckstück oder einer Figur um solche aus Jade oder Nephrit handelt“, erzählt Kreher-Hartmann.
Seit fast 250 Jahren werden seltene Mineralien gesammelt
„Unser historischer Bestand reicht zurück bis 1779, viele dieser alten Schätze sind mit der Mineralogischen Societät gewachsen. Und um 1950 kam als wichtiger Baustein die Sammlung des Geraer Fabrikanten und Mineraliensammlers Moritz Rudolf Ferber nach Jena“, erzählt die Kustodin. In jüngerer Vergangenheit erhielt die Jenaer Sammlung Zuwachs durch wertvolle Exponate des Geologen Prof. Holger Kulke von der Technischen Universität Clausthal. „Er war einer der ersten Westeuropäer, der die reichen Edelsteinfundorte in Afghanistan wissenschaftlich untersucht hat. Kommen Stücke von solchen Kollegen in eine Sammlung, dann ist das ein echter Glücksfall. Denn Wissenschaftler dokumentieren und beschriften ihre Funde sehr ordentlich und genau“, sagt die Chefin der Jenaer Sammlung.
Hoffen auf Hilfe von kundigen Ausstellungsgästen
Und damit kommt sie auf eine Besonderheit der aktuellen Sonderschau zu sprechen: „Bei der laufenden Inventarisierung unserer wohl mehr als 80.000 Stück umfassenden Bestände haben wir zahlreiche Schubläden mit ‚blinden Passagieren‘ gefunden, mit Mineralien, Edelsteinen oder auch Gefäßen aus solchen, von denen uns kein Fundort bekannt ist“, erklärt sie. Die erfahrenen Geowissenschaftler und -wissenschaftlerinnen konnten zwar die Mineralart der Exponate bestimmen, jedoch sei die Herkunft der Stücke nicht oder nur vage zu benennen. „Hier hoffen wir auf die Mithilfe unserer Ausstellungsbesucher. Vielleicht hat der eine oder die andere von ihnen selbst ein ähnliches Urlaubsmitbringsel zu Hause oder erinnert sich, wo er oder sie diese Variation bei einer eigenen Exkursion gesehen hat“, sagt Brigit Kreher-Hartmann. Die Schau sei außerdem als Anregung gedacht, bei der bevorstehenden Urlaubsreise die Welt mit aufmerksam mineralogischem Blick zu erkunden.
Die Sonderausstellung „Sommerzeit – Reisezeit – Mineralogische Mitbringsel & blinde Passagiere“ in der Mineralogischen Sammlung der Universität Jena, Sellierstraße 6, kann kostenfrei zu den Öffnungszeiten Montag und Donnerstag jeweils von 13 bis 17 Uhr sowie im Rahmen von Sonderveranstaltungen besichtigt werden. Auch Schulklassen und Ferienkinder sind gern gesehene Gäste.