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Meldung vom: | Verfasser/in: Stephan Laudien
Kriege, Klimakrise, Artensterben, Pandemie – Krisen sind überall. Doch das globale Phänomen verschärft sich in Lateinamerika, weil die sozialen, ökonomischen und kulturellen Ungleichheiten dort besonders ausgeprägt sind. Diese Krisen und Ansätze zu ihrer Lösung sollen nun im „Wissenslaboratorium 4“ unter dem Fokus „Strategic Identities and Crisis in Latin America“ wissenschaftlich untersucht werden. Akteure sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Regionalzentrum Jena/Buenos Aires im Rahmen des Verbundprojekts „Maria Sibylla Merian Center for Advanced Latin American Studies in the Humanities and Social Science“ (Merian-CALAS), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt 19 Millionen Euro gefördert wird.
Die Auseinandersetzung mit regionalen Identitäten bleibt aktuell und relevant
„Wir beobachten in Lateinamerika verstärkt nationalistische, xenophobe, rassistische und auch frauenfeindliche sowie homophobe Diskurse“, sagt Prof. Dr. Claudia Hammerschmidt, Romanistin von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dieser Befund gelte für Brasilien ebenso wie für die Region Cono Sur, welche Argentinien, Chile, Uruguay und Paraguay umfasst. Auch gerate die Anerkennung pluraler Identitäten weltweit erneut in eine Krise. Vor diesem Hintergrund sei die Auseinandersetzung mit regionalen Identitäten in Lateinamerika ein höchst aktuelles, wissenschaftlich und politisch relevantes Thema, ergänzt die Direktorin des Regionalzentrums auf deutscher Seite. Analysiert wird in den kommenden 1,5 Jahren, wie Identitäten und Krisen miteinander verknüpft sind. Im Blick der Künste sowie der Geistes- und Sozialwissenschaften steht dabei die Frage, wie Akteure der Politik, Wirtschaft, Medien, Kultur und Kunst dem sozialen Wandel gegenüberstehen, der durch Krisen zwischen hegemonialen Kräften und subalternen Identitäten ausgelöst wird.
Identitätsstiftende Diskurse, erläutert Prof. Hammerschmidt, seien in Lateinamerika bis heute ein zentrales politisches Thema, weil es nach einer langen Phase der Kolonisierung noch im 19. Jahrhundert großangelegte Militärinvasionen auf indigene Territorien gegeben habe, verbunden mit Genoziden und rassistischen Konzepten. „Dazu zählt der sogenannte mestizaje, der Versuch, Ethnien miteinander zu vermischen, bis sich die weißen Bevölkerungsanteile durchsetzen“, sagt Claudia Hammerschmidt. Auch der Mythos, die Argentinier würden mehrheitlich von europäischen Migranten abstammen, falle unter diese Konzepte. Hingegen seien die indigenen und afroamerikanischen Identitäten weitgehend unsichtbar gemacht worden und erlebten sie bis heute Diskriminierung und Abwertung.
Zahlreiche Kooperationen mit Universitäten in Lateinamerika
Das Projekt „Maria Sibylla Merian Center for Advanced Latin American Studies in the Humanities and Social Sciences“ hat seinen Hauptsitz an der Universidad de Guadalajara in Mexiko. An der Universität Jena wird Prof. Hammerschmidt unterstützt durch Dr. Dr. Claudia Tomadoni, die wissenschaftliche Koordinatorin des internationalen Forschungskollegs Argentinien/ConoSur (ARCOSUR), und Dr. David Foitzick Reyes, Postdoc Assistent, sowie durch Fernanda Oliviera de Souza, Koordinatorin des Laboratoriums in Guadalajara. Deutsche Partner sind neben Jena die Universitäten Bielefeld, Hannover und Kassel und in Lateinamerika neben Guadalajara und Buenos Aires, außerdem Costa Rica und FLACSO (Quito/Ecuador). Mit dem Start des „Wissenslaboratoriums 4“ beginnt die vorläufige Endphase des Projekts, das bereits 2017 gestartet wurde. Das Projektende ist für 2025 avisiert, eine Verlängerung der Kooperation ist möglich. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena pflegt darüber hinaus Partnerschaften mit über 30 Universitäten auf dem lateinamerikanischen Kontinent. Das Team um Prof. Hammerschmidt arbeitet seit 2015 in einem interdisziplinären thematischen Netzwerk zum „Transnationalen Wandel am Beispiel Patagoniens“. Die dabei gesammelten Erfahrungen in der Kooperation mit vier argentinischen und vier chilenischen Universitäten fließen in das Projekt Merian-CALAS ein und verankern dessen Forschungsansatz nachhaltig.