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Meldung vom: | Verfasser/in: Stephan Laudien
Die menschliche Sprache lässt sich im Prinzip als System von Symbolen beschreiben: ein System mit einer Logik, die sich in der Grammatik manifestiert. Dabei könne das menschliche Gehirn Sprache gar nicht wie ein Computer unmittelbar als Symbolsystem verarbeiten, sagt Dr. Roland Schäfer. Der 49-jährige gebürtige Düsseldorfer ist neuer Professor für Linguistik mit Schwerpunkt Grammatik und Lexikon an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Schäfer verbindet in seiner Arbeit die Forschung am „System Sprache“ mit der übergeordneten Frage, was Sprache eigentlich ist.
Die kognitive Architektur von Sprache verstehen
„Die Neurowissenschaften zeigen uns, dass unser Gehirn so nicht funktioniert“, sagt Roland Schäfer. Das Gehirn sei als Netzwerk aufgebaut, nicht als Logikmaschine, bei der nur der richtige Schalter umgelegt werden muss und immer ein eindeutiges Ergebnis herauskommt. Die klassische Linguistik des zwanzigsten Jahrhunderts – zum Beispiel die Generative Grammatik Noam Chomskys – beschreibe Sprache allerdings mit diskreten Formalismen, die nicht zur Funktionsweise des menschlichen Gehirns und nicht zum beobachtbaren Sprachgebrauch passen. „Die Klärung der Frage, was Sprache wirklich ist, bleibt daher eine Herausforderung für die Linguistik“, konstatiert Schäfer.
In seiner täglichen Arbeit befasst er sich unter anderem mit Zweifelsfällen der Sprache, etwa wenn Dativ und Genitiv parallel verwendet werden. Mit Hilfe von Analysen großer Datenmengen (Korpora) und Experimenten soll herausgefunden werden, unter welchen Bedingungen sich Sprecher für Variante A oder Variante B entscheiden, um auf die kognitiven Mechanismen hinter der Sprachproduktion zu schließen. Dabei gehe es also nicht um „richtig“ oder „falsch“, sondern vielmehr um den realen Sprachgebrauch und seine Einflüsse, erläutert Roland Schäfer. Um neben der Beantwortung der theoretischen Forschungsfragen auch eine Norm zu etablieren, sei es notwendig, aus diesem Sprachgebrauch so etwas wie Konsensformen zu extrahieren. Auch wenn viele Linguisten die Beschäftigung mit sprachlichen Normen ablehnen, sieht Schäfer es als eine wichtige Nebenaufgabe seines Fachs an, an dieser Konsensfindung mit seinen empirischen Methoden, aber im Rahmen der großen Tradition der Grammatikschreibung des Deutschen mitzuwirken. Als Instanz nennt Roland Schäfer den Linguisten Peter Eisenberg und dessen „Grundriss der deutschen Grammatik“. Eisenbergs Grammatik vereine auf einzigartige Weise die Beschreibung sprachlicher Phänomene mit einer theoretisch fundierten Einordnung. Im Übrigen seien die so entstehenden Normen nicht zementiert, sie unterliegen ständiger Veränderung – Stichwort Sprachwandel. Schäfer kooperiert unter anderem mit dem Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim.
Die Funktionsweise alter Bürotechnik entschlüsseln
Roland Schäfer studierte zunächst Japanologie und Sinologie in Marburg, wechselte dann zu Indogermanistik und Allgemeiner Sprachwissenschaft. In Göttingen folgte ein Promotionsstudium in Theoretischer Sprachwissenschaft mit einem Abschluss in Anglistik. Die Arbeit „Arguments and Adjuncts at the Syntax-Semantics Interface“ wurde 2008 mit summa cum laude bewertet. Danach ging er an die FU Berlin und machte Abstecher z. B. an die Universität Göteborg. Die HU Berlin erteilte ihm schließlich 2019 für die Habilitationsschrift „Probabilistic German Morphosyntax“ die doppelte Lehrbefähigung für Allgemeine Sprachwissenschaft und Germanistische Linguistik.
Roland Schäfer ist verheiratet und wohnt in einer Kleinstadt in Thüringen. Eine großzügige Wohnung bietet ihm genügend Raum für sein Hobby: Er restauriert Bürocomputer aus den 1970er und 1980er Jahren. Am Anfang standen die grundsätzliche Begeisterung für Schaltkreise und das Komponieren elektronischer Musik; beides schon als Schüler. Später habe er HiFi-Komponenten repariert und nun eben ausrangierte Büromaschinen. Es sei eine große Freude und ein erfrischender Kontrast zur wissenschaftlichen Arbeit, das Zusammenspiel der Elemente komplexer Schaltungen zu verstehen und die betagten Maschinen wieder zum Laufen zu bringen.