Prof. Dr. Martin Ammon ist stellvertretender Direktor der Akademie für Lehrentwicklung sowie Studiengangverantwortlicher für den Bachelorstudiengang Physik an der Physikalisch-Astronomischen Fakultät und engagiert sich fakultäts- und universitätsweit besonders für die Weiterentwicklung von Studium und Lehre. An der Physikalisch-Astronomischen Fakultät wurde bereits früh mit dem Angebot von Vorkursen oder Auffrischungskursen auf die besonderen Bedürfnisse der Studienanfänger und -anfängerinnen reagiert. Mittlerweile bietet die Fakultät für ihre Studienanfängerinnen eine eigene Seite für den erfolgreichen Studienstart an.
Eine wichtige Aufgabe der Lehrenden ist es, mögliche Schwierigkeiten, die den Übergang der Studierenden in die universitäre Lernumgebung erschweren, zu erkennen und Lösungsansätze zu entwickeln. Welche Herausforderungen sehen Sie bei beim Studieneinstieg an der Physikalisch-Astronomischen Fakultät und ganz allgemein im MINT-Bereich?
Fragt man einen Studierenden des ersten Semesters, was das größte Problem ist, wird die Antwort vermutlich lauten: „Es ist so viel.“ Viel Stoff, neue Methoden, neues Umfeld, neues Lernen – der Studieneinstieg ist nicht leicht. Im Gegensatz zur Schule erfordern die komplexeren Inhalte ein tieferes Verständnis, das nicht durch bloßen Besuch der Vorlesung erlangt werden kann, sondern selbst erarbeitet werden muss. Das kostet in den meisten Fällen viel Zeit – und braucht die Bereitschaft, diese Zeit auch aufzuwenden.
Wie bei anderen MINT-Fächern kommt auch an der Physikalisch-Astronomischen Fakultät hinzu, dass im ersten Semester viele Vorlesungen nicht im unmittelbaren Fachbereich angesiedelt sind, sondern die notwendigen Grundlagen schaffen. Hier ist es wichtig, dass die Lehrenden diese Inhalte schon mit den späteren Fragestellungen verknüpfen und so motivieren.
Wie wird die Studieneingangsphase an Ihrer Fakultät begleitet und welche Angebote planen Sie für die Zukunft?
Die Studieneingangsphase beginnt wie an anderen Fakultäten auch mit den Studieneinführungstagen Anfang Oktober, die von der Fakultät und dem Fachschaftsrat organisiert werden. Hier stellen sich die wichtigsten AnsprechpartnerInnen vor: von studentischen TutorInnen, über die Mitarbeitenden im Prüfungsamt bis zum Studiengangverantwortlichen und Dekan. So sind vom ersten Tag an verschiedene Anlaufstellen bekannt.
Allerdings ist es nicht für alle der erste Tag: Im Vorfeld gibt es bereits einen freiwilligen Auffrischungskurs, der Inhalte der Schulmathematik wiederholt und bei dem die Studierenden bereits erste Kontakte knüpfen und die entsprechende Arbeitsweise üben. Dies wird in einem empfohlenen Vorkurs vor Vorlesungsbeginn vertieft, in dem die praktische Handhabung mathematischer Methoden anhand physikalischer Beispiele im Vordergrund steht.
Bei einer durch den Fachschaftsrat organisierten „Ersti-Fahrt“ können die Studierenden sich besser kennen lernen und ein gewisses Gemeinschaftsgefühl entsteht. In der Vergangenheit wurden auch positive Erfahrungen mit einem Mentorenprogramm gesammelt, das Kleingruppen von Studierenden mit Mentoren, die ältere Studierende oder engagierte Mitarbeitende sind, zusammenbringt.
Für die Veranstaltungen im ersten Semester (und auch später bei Bedarf) werden semesterbegleitende Tutorien von Studierenden für Studierende angeboten, in denen die Inhalte vertieft und mit anderer Perspektive wiederholt werden können. Es gibt in der Fakultät Arbeitsräume für Studierende, die das gemeinsame Arbeiten und Lernen fördern und für einen besseren Kontakt auch zwischen den Jahrgängen sorgen.
Zusätzlich findet kurz vor Ende des Semesters ein Klausurvorbereitungswochenende statt, während dessen ein Großteil der Studierenden des ersten Semesters ein Wochenende lang gemeinsam mit TutorInnen Aufgaben löst und sich intensiv auf die Klausuren vorbereitet.
Dennoch hinterfragen wir im Dialog mit Studierenden auch kritisch den Arbeitsaufwand in den ersten Semestern. Dazu wird Anfang des Jahres ein offenes Werkstattgespräch unter Beteiligung von Lehrenden und Studierenden stattfinden.
Die Angebote zur Unterstützung des Studienstarts setzen auf Freiwilligkeit und müssen von den Studierenden erkannt und ergriffen werden. Wie erreichen Sie möglichst viele Erstsemesterstudierende mit Ihren Angeboten?
Der Schlüssel dazu, möglichst viele Studierende zu erreichen, liegt in der Niedrigschwelligkeit vieler Angebote - so kann man beispielsweise im Studiendekanat zu einer Beratung einfach vorbeikommen und muss nicht erst einen Termin vereinbaren. Dieser Gedanke lässt sich weiter ausbauen, indem Veranstaltungsformate wie „Meet Your Prof“ oder Fakultätsfeste dazu genutzt werden, um den Kontakt zwischen verschiedenen Statusgruppen zu suchen und Hürden abzubauen.
Eine gute Zusammenarbeit mit dem Fachschaftsrat ist ebenfalls unabdingbar, da nur so diese breite Palette an Angeboten realisiert werden kann, sodass für jede Situation das Passende dabei ist. Denn neben den Angeboten der Fakultät werden andere Studierende immer ein wichtiger Ansprechpartner bleiben – da ist es wichtig, dass diese an die passenden Beratungsstellen weitervermitteln können.
Der Grundgedanke, die Studierenden als zukünftige KollegInnen zu sehen, mit denen gemeinsam gearbeitet, geforscht und gelernt wird, lädt dazu ein, eine Kultur des gegenseitigen Respekts zu schaffen, in der sich die Studierenden auch mit Fragen und Problemen ernst genommen fühlen.
Was würden Sie anderen Lehrenden raten, die sich mehr für den erfolgreichen Studienstart ihrer Erstsemester einsetzen möchten?
Suchen Sie den Kontakt! Meist haben die Studierenden, der Fachschaftsrat und besonders die Studienfachberater ein gutes Bild davon, worin die spezifischen Schwierigkeiten des Studienstarts in ihrem Fach liegen. Schaffen Sie (virtuelle oder physische) Räume, die den Austausch zwischen Studierenden (am besten jahrgangs- und fächerübergreifend) und Lehrenden ermöglichen – und nehmen Sie die Studierenden und ihre Anliegen ernst.