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Mein Praktikum im Okeanos Institute auf Faial
Ich wollte hier mal nochmal einen Überblick über mein Praktikum geben. Wie ich dazu gekommen bin, wie es abgelaufen ist und was ich rückblickend dazu sagen würde.
Meine Kontaktaufnahme lief per Initiativ-Bewerbung. Ich habe einfach an das Internationale Büro der Universität der Azoren geschrieben, ob ein Erasmus+ Praktikum möglich wäre. Das Gleiche dann beim Okeanos Institute, welches eins der Uni untergeordnetes Forschungsinstitut ist, das ich mir im Vorhinein rausgesucht habe. Ich hatte schon viele Dokumente fertig gestellt und eingefädelt, bis mir die Sekretärin vom Okeanos geschrieben hat, dass ich überhaupt erstmal einen Platz in einer Forschungsgruppe brauche. Das habe ich nämlich gar nicht so über den offiziellen Weg gemacht, weil ich noch keinen Überblick über die Strukturen hatte. Sie hat dann Rundmails im Institut geschrieben und Ana hat sich gemeldet, sie könne eine Studentin für ein Projekt gebrauchen und trallala, alles war so quasi sicher. Die Bewerbung für Erasmus+ ging dann auch bei der TU Ilmenau durch (das Ganze wird thüringen-weit von Ilmenau aus geregelt) und ich musste mich separat bei der Uni der Azoren bewerben und Zettelchen zusammensuchen.
Bis zu meiner Ankunft auf Faial hatte ich keine feste Zusage von der Azoren-Uni und ich habe einfach darauf spekuliert, dass das funktionieren würde. Da ich im Okeanos Institut die Zusage hatte und mir von der TU Ilmenau die Finanzierung bestätigt wurde, hatte ich aber keine großen Sorgen.
Irgendwie stand ich also eines Tages in dem Institut, wusste nicht wohin mit mir, war so unglaublich aufgeregt und ich habe dann Neus und Ana getroffen, meine Betreuerinnen. In einem offiziellen Meeting wurde mir dann meine Aufgabe erklärt und ich hatte gemeint, es zu verstehen, war aber noch so verwirrt mit der wissenschaftlichen Fragestellung und der Methodik und ich war komplett überwältigt, von meiner Ankunft auf dieser Insel und den neuen Begebenheiten. Mir war also nicht ganz klar war, worauf das Projekt so richtig abzielen sollte. Das war nämlich ein langer Weg, bei dem ich lange falsche Dinge gemacht habe und rückblickend würde ich Vieles anders machen. Zum einen mich erstmal zum Dödel machen, alle noch so dummen Fragen stellen, sodass ich verstehe, worum es überhaupt geht und welchen Sinn und Zweck meine Arbeit hat. Natürlich habe ich jetzt auch eine ganz andere Auffassung von wissenschaftlicher Arbeit und musste diesen Lernprozess wohl erstmal durchmachen, aber es war sehr langwierig und kräftezehrend und man hätte es mit mehr Eigeninitiative und besserer Betreuung sehr abkürzen können. Ein großer Faktor war auch die Länge des Praktikums. Ich habe mir damals gedacht: „Ach ich habe soo viel Zeit, ich werde ganz viel lernen und mitnehmen.“ Wenn man jedoch als Bachelor-Studentin einfach nicht so viel Skills, Methodik und eigenständiges wissenschaftliches Denken mitbringen kann und die Betreuung nicht so viel Zeit und Mühe aufbringt, um mich ordentlich einzulehren und nicht durchweg begleitend zur Verfügung steht, dann kann das gut mal gegen die Wand laufen. Ich habe mit der Video-Analyse begonnen und die Aufgabe komplett falsch ausgeführt. Demensprechend habe ich sehr, sehr lange gebraucht, den größeren Sinn dahinter nicht gesehen und ich hatte Bammel auf Ana zuzukommen, da ich so langsam vorankam. Das Alles hat mich immer mehr demotiviert und ich habe mich mit all meiner Energie auf die funkelnde, sprützende Freizeit fokussiert, bei der ich mit meinen Freunden die Insel(n) erkundet habe.
Hier mal zu meiner Aufgabestellung. Ich habe das Videomaterial von den Tauchgängen eines Tiefseeroboters bei dem Hydrothermalquellenfeld Lucky Strike analysiert und sollte eine Database zu der Biodiversität der Megafauna der nicht-chemosynthetischen Zonen erstellen. Eine Hydrothermalquelle ist quasi ein Tiefsee-Geysir. Wenn Seewasser in den Spalten, die sich bei angrenzenden Kontinentalplatten bilden, versickert, erhitzt es sich an den nahen Magma-Kammern, steigt wieder nach oben und wird an der Bodenoberfläche ausgestoßen. Bei diesem Prozess werden Mineralien aus dem Vulkangestein ausgewaschen und das Wasser ist toxisch, anoxisch und sehr heiß. Es hat wegen der Eisenschwefelstoffe eine schwarze Farbe und daher werden Hydrothermalquellen auch Black Smoker genannt (es gibt auch White Smoker mit anderer Mineralstoffzusammensetzung). Trifft dieses bis zu 380°C heiße Wasser (je nach Hydrothermalquelle unterschiedlich) auf das kalte Seewasser, fallen die Minerale aus und bilden schornsteinartige Konstruktionen. Diese, aus dem Erdboden sprudelnde Energie bietet nun Schwefel- und Methanoxidierenden Bakterien die Grundlage, Biomasse aufzubauen. Darauf baut sich eine simple und vent-spezifische trophische Struktur auf die von Muscheln, Shrimps, Krabben zu räuberischen Fischen geht.
Ich habe mich nun damit beschäftigt, zu beschreiben welche Organismen ich in den Videos sehe, die fernab von den Ventfields sind, um deren Konnektivität mit dem Background-Ökosystem besser zu verstehen und überhaupt mal die angrenzende Megafauna zu datieren. Denn über die Biodiversität der heißen Quellen weiß man schon relativ viel, aber die Umgebung bleibt unerforscht. An sich eine super spannende Fragestellung, hätte ich damals schon mehr davon gerallt. Ich habe also lange vor diesen Videos geschmort und die falschen Daten notiert und immer mehr Zweifel bekommen. Irgendwann, als ich kurz davor war, alles hinzuschmeißen, habe ich meinen Mut zusammen genommen und darüber mit Daphne, meiner Zweitbetreuerin geredet und sie hatte mir geholfen, dass alles besser in den Kontext zu bringen und eine genauere Fragestellung zu verfolgen. Als ich dann mit der Videoanalyse fertig war, habe ich mich mit der Datenanalyse beschäftigen dürfen, was so viel stimulierender und anspruchsvoller war, jedoch über mein Skill-Level komplett hinaus ging. ChatGBT war mein bester Mentor und irgendwie habe ich es geschafft, am Ende schlaue, erklärende Graphiken und Karten zu erstellen.
Ich habe durch das Praktikum viel gelernt. Wie wissenschaftliche Arbeit funktioniert, musste ich am eigenen Leib durchmachen. Auch sollte man sich echt gut auf so ein Praktikum vorbeireiten und sich nie zu schade sein, Fragen zu stellen. Ich hatte kein Peil und hatte zeitweise so Angst und Ehrfurcht vor meiner Betreuerin und das hat mich komplett in die Bredouille gemacht. Eine enge Zusammenarbeit ist wichtig, und ist dir und deiner Zeit, die du reinsteckst, auch geschuldet. Dabei sollte man sich nicht kleinreden oder abwerten. Die Arbeit, die du machst, ist wertvoll und berechtigt und dient der Erweiterung deiner Fähigkeiten, aber vor allem deinem/er BetreuerIn. Daher bist du alle Zeit und Bemühungen wert, die du brauchst, um Dinge zu verstehen und Dinge richtig zu machen. Ich hatte in einem Institut, indem vor allem Master- und PhD-Studenten arbeiten, nicht ganz die richtigen Bedingungen und Voraussetzungen, um ein brillantes 9-monatiges Praktikum zu absolvieren. Jedoch habe ich richtig viel gelernt über diese Arbeit, mein Projekt (worüber ich am Ende meine Bachelor-Arbeit schreibe), von den anderen Master- und PhD-StudentInnen über deren Thema und deren Werdegang, habe viele gute Freunde gefunden, schöne Lunchbreaks gehabt, habe mich mit meiner Betreuerin ausgesprochen, am Ende doch noch was auf die Reihe gekriegt und eine coole Master-Perspektive gefunden, auf die ich jetzt hinarbeiten möchte. Auch habe ich gemerkt, dass Stehtische und Yoga-Pausen in einem computerlastigen Beruf Gold wert sind!! :D Nachdem ich also einmal durch die Forschungshölle gegangen bin, hat mich der Beruf am Ende doch fasziniert. Academia ist ein schlecht bezahltes, nicht sehr frauenfreundliches, hierarchisches System, indem man schnell ins sich Vergleichen rutscht und die Arbeit nie auszugehen scheint. Jedoch ist es inspirierend seine Zeit mit Wissensaneignung zu beschäftigen, Dinge zu hinterfragen, sich mit anderen WissenschaftlerInnen auszutauschen und zusammen zu arbeiten. Man genießt in der Regel ein sehr entspanntes, internationales, wohlgesonnenes, nerdy und liebenswertes Birkenstock-Arbeitsumfeld. Die Tatsache, irgendeinen Beitrag gegen den Verlust der Biodiversität zu leisten, motiviert mich und solange ich die Energie habe, an einem Computer zu sitzen, Daten zu analysieren und mich von einem Projekt zum nächsten zu hangeln, will ich das gerne so machen.