Wenn Sie genetisches Material aus dem Ausland beziehen, unterliegen Sie unter Umständen den Sorgfalts- und Meldepflichten des Nagoya-Protokolls. Das Nagoya-Protokoll ist ein internationales Abkommen, das am 12.10.2014 in Kraft getreten ist und inzwischen von mehr als 135 Staaten unterzeichnet wurde. Es regelt den Zugang zu genetischen Ressourcen und die gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus deren Nutzung im Bereich der Forschung und Entwicklung ergeben (sogenanntes „Access-and-Benefit-Sharing“). Das Abkommen entstand vor dem Hintergrund, insbesondere Entwicklungs- und Schwellenländern als Bereitstellerstaaten genetischer Ressourcen einen fairen Anteil an den Wertschöpfungsprozessen zu sichern, die die Ressourcen bei ihrer Nutzung in Industriestaaten durchlaufen.
Die Projektleiter:innen von FuE-Vorhaben sind dazu verpflichtet, die Vorgaben des Nagoya-Protokolls und die jeweiligen nationalen Bestimmungen zur Umsetzung des Protokolls selbstständig einzuhalten. Im Folgenden finden Sie wichtige Informationen zu häufig gestellten Fragen, die Ihnen dabei helfen sollen, den rechtlichen Vorgaben des Nagoya-Protokolls bei Ihren FuE-Projekten an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu entsprechen. Angehörigen der Universität Jena stehen darüber hinaus zur Unterstützung verschiedene Beratungs- und Serviceangebote offen.
Wann fällt mein FuE-Projekt unter das Nagoya-Protokoll?
Die Regularien des Nagoya-Protokolls gelten dann, wenn das FuE-Projekt alle drei folgenden Bedingungen erfüllt:
- Bezug genetischer Ressourcen aus einem Unterzeichnerstaat des Nagoya-Protokolls.
Hinweis: Eine aktuelle Liste aller Unterzeichnerstaaten bietet Ihnen das ABS Clearing HouseExterner Link. - Es handelt sich bei der Ressource um Material pflanzlichen, tierischen oder mikrobiellen Ursprungs, das funktionale DNA enthält, oder auch um dessen Derivate (z. B. Enzyme, Proteine, Metaboliten).
- Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten werden an der genetischen oder biochemischen Zusammensetzung der Ressource bzw. deren Derivaten durchgeführt.
Wann fällt mein Forschungsprojekt nicht unter die Regularien des Nagoya-Protokolls?
Das Nagoya-Protokoll muss in folgenden Fällen nicht beachtet werden
- Das FuE-Projekt nutzt menschliche genetische Ressourcen
- Das FuE-Projekt nutzt genetische Sequenzinformationen. Weitere Informationen zur Behandlung digitaler Sequenzinformationen im Nagoya-Protokoll finden Sie hierExterner Link.
- Das FuE-Projekt nutzt genetische Ressourcen, die vor dem 12.10.2014 bezogen wurden
- Das FuE-Projekt nutzt genetische Ressourcen, die von anderweitigen Gesetzen abgedeckt werden. Für viele genetische Ressourcen aus dem Bereich der Agrarwirtschaft gilt z.B. der International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and AgricultureExterner Link.
- Das FuE-Projekt nutzt genetische Ressourcen aus Staaten, die das Nagoya-Protokoll nicht unterzeichnet haben
- Das FuE-Projekt nutzt genetische Ressourcen aus Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt (z.B. aus internationalen Gewässern).
Mein FuE-Projekt fällt unter das Nagoya-Protokoll. Was muss ich tun?
Die Projektleitung muss die folgenden drei Schritte ausführen. Handelt es sich um ein finanziell gefördertes Drittmittelprojekt, ist außerdem die Abgabe einer Sorgfaltserklärung an das Bundesamt für Naturschutz notwendig (siehe Punkt 4).
- Vor der Ausfuhr des genetischen Materials holt die Projektleitung eine Zugangsgenehmigung (Prior Informed Consent, PIC) von der zuständigen nationalen Behörde des Bereitstellerstaats ein.
Hinweis: Ansprechpersonen und zuständige Behörden verzeichnet das ABS Clearing HouseExterner Link. - Die Projektleitung legt die Zugangsgenehmigung bei Dr. Anja Schlage im Rechtsamt der Universität Jena vor. Die Universität Jena schließt daraufhin ein Vorteilsausgleichsabkommen (Mutually Agreed Terms, MAT) mit der nationalen Behörde des Bereitstellerstaats. In dem Abkommen werden die Bedingungen zur Nutzung der Ressource und zur Verwertung der Forschungsergebnisse festgelegt.
- Nach Abschluss des Vorteilsausgleichsabkommens muss sich die Projektleitung ein international anerkanntes Nutzungszertifikat (Internationally Recognized Certificate of Compliance, IRCC) von der nationalen Behörde des Bereitstellerstaats ausstellen lassen. Alternativ muss die Projektleitung mindestens die folgenden Informationen in schriftlicher Form dokumentieren und ggf. an kommende Nutzer:innen der Ressource weitergeben:
- Zeitpunkt und Ort des Zugangs zu der Ressource
- Beschreibung der genetischen Ressource
- Quelle des Bezugs der genetischen Ressourcen sowie nachfolgende Nutzer:innen,
- Vorliegen bzw. Fehlen von Access and Benefit Sharing (ABS) Rechten und Pflichten, einschließlich bezüglich der späteren Anwendung und Vermarktung
- Zugangsgenehmigung
- Vorteilsausgleichsabkommen
4. Sollte die Ressource im Rahmen eines Drittmittelprojekts genutzt werden, muss die Projektleitung spätestens zum Zeitpunkt des Abschlussberichts eine Sorgfaltserklärung (Due Diligence Declaration, DDD) an das Bundesamt für Naturschutz abgeben. Die Erklärungen sind gemäß EU-Verordnung 511/2014, Art. 4 aufzusetzen (Muster liegen der Durchführungsverordnung in Anl. II und III beiExterner Link). Für die Einreichung der Erklärung empfehlen wir Ihnen die Nutzung des EU-Portals DECLAREExterner Link. Eine Kopie der Erklärung sendet die Projektleitung dann an das Servicezentrum Forschung und Transfer.
Ich stoße auf Schwierigkeiten, die nötigen Dokumente einzuholen. Was jetzt?
In Ausnahmefällen darf von den oben genannten Schritten abgewichen werden. Es ist bspw. möglich, dass die Behörde des Bereitstellerstaats ausdrücklich auf die Aushandlung eines Vorteilsausgleichsabkommens verzichtet. Oder es kommt niemals zur Ausstellung einer Zugangsgenehmigung, weil die Behörde des Bereitstellerstaats trotz wiederholter Kontaktversuche nicht antwortet. In solchen Fällen ist die Projektleitung verpflichtet, schriftlich zu dokumentieren, warum sie ihren Pflichten nicht nachkommen konnte.
Ich nutze eine genetische Ressource, die unter das Nagoya-Protokoll fällt. Das FuE-Projekt, in dem sie genutzt wird, ist ausschließlich aus Haushaltsmitteln finanziert. Muss ich dann eine Sorgfaltserklärung abgeben?
Nein, in diesem Fall muss keine Sorgfaltserklärung an das Bundesamt für Naturschutz abgegeben werden. Die Projektleitung ist aber weiterhin an alle Vorgaben des Nagoya-Protokolls zum Vorteils- und Nutzenausgleich gebunden.
Wer kontrolliert und was droht bei Verstößen gegen die Auflagen des Nagoya-Protokolls?
Das Bundesamt für Naturschutz führt regelmäßige Kontrollen an Forschungseinrichtungen durch. Verstöße gegen die Regularien des Nagoya-Protokolls stellen eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Sanktionen wie bspw. Geldstrafen, Konfiszierungen und Publikationssperren belegt werden können. Gegen die Projektleitung verhängte Geldstrafen können sich dabei auf bis zu 50.000 EUR belaufen. Darüber hinaus droht eine strafrechtliche Verfolgung der Projektleitung im Herkunftsstaat der Ressource.
Betrifft das Nagoya-Protokoll auch traditionelles Wissen über genetische Ressourcen?
Gemäß Artikel 3 des Nagoya-Protokolls sollen die Regelungen zu Vorteils- und Nutzenausgleich auch auf traditionelles Wissen mit Bezug zu genetischen Ressourcen angewendet werden. Derzeit existiert allerdings keine international verbindliche Definition des Begriffs „traditionelles Wissen“. Die in Deutschland geltende EU-Verordnung 511/2014 definiert es aber als „traditionelles Wissen einer indigenen oder ortsansässigen Gemeinschaft, das für die Nutzung der genetischen Ressourcen relevant ist und das in den einvernehmlich festgelegten Bedingungen für die Nutzung genetischer Ressourcen als solches beschrieben ist.“
Ich habe unter der Nutzung der genetischen Ressource eine Erfindung geschaffen. Was ist bei der Patentierung zu beachten?
Bei der Patentanmeldung sind die Zugangsgenehmigung, das Vorteilsausgleichsabkommen und das international anerkannte Zertifikat vorzulegen. Ggf. sind Verpflichtungen aus dem Vorteilsausgleichsabkommen zu beachten. Kontaktieren Sie für eine weiterführende Beratung Ihre Ansprechpartner:innen im Bereich Patentmanagement des Servicezentrums Forschung und Transfer.
Interne Beratungsangebote der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fachspezifische Erstberatungen
Für genetische Ressourcen mikrobiellen Ursprungs: PD Dr. Kerstin Voigt (JRMC)
Für genetische Ressourcen pflanzlichen Ursprungs: Dr. Jörn Hentschel
Für genetische Ressourcen tierischen Ursprungs: Dr. Gunnar BrehmExterner Link
Erstberatung bei Drittmittelvorhaben
Forschungsreferent:innen im Servicezentrum Forschung und Transfer
Beratung bei juristischen Fragen
Rechtsamt der Universität Jena: Dr. Anja Schlage
Beratung zu Patent- und Schutzrechten
Patentmanagement und Schutzrechtsservice: Dr. Christian Liutik
Weiterführende Informationen und Beratungsangebote
Generelle Informationen
Erläuterungen der DFG für ForschendeExterner Link
Beratung, Informations- und Vernetzungsangebote
German Nagoya Protocol – Hilfe und BeratungExterner Link (GNP-HuB)Externer Link
Bundesamt für Naturschutz (BfN)Externer Link
Hinweis: GNP-HuB und BfN geben keine Rechtsberatung! Wenden Sie sich in juristischen Fragen bitte an das Rechtsamt der Universität Jena.
Kontaktdaten und weitere Informationen über die Unterzeichnerstaaten des Nagoya-Protokolls
ABS Clearing HouseExterner Link
Volltext des Nagoya-Protokolls
Secretariat of the Convention on Biological DiversityExterner Link