- Universidade Federal da Bahia
Meldung vom:
Erfahrungen
Zum Studium:
Das Studium an der Universität in Salvador war für mich sehr bereichernd. Die meisten Lehrveranstaltungen in Soziologie und Psychologie waren den deutschen konzeptuell nah und es war spannend, während des Semesters die Unterschiede in den Inhalten und der Lernkultur zu beobachten. So macht es einen großen Unterschied, ein Seminar zu Religionssoziologie oder Familienpsychologie in einem anderen Land zu studieren, weil die jeweiligen Theorien mit einer anderen Gesellschaft und ihren Gegebenheiten korrespondieren. Sowohl über die Inhalte selbst als auch anhand der Beispiele und -erzählungen der Studierenden, für die in den Kursen viel Raum gelassen wird, habe ich viel über die brasilianische Geschichte und Gegenwart, das Aufwachsen und den Alltag dort lernen dürfen.
Das Studieren in einer anderen Sprache war gerade in den ersten Monaten herausfordernd. Vieles nicht oder falsch zu verstehen, trotzdem ins Sprechen und Fragen zu kommen etc. war manchmal anstrengend oder einsam, aber hat auch dazu geführt, dass ich Strategien entwickelt habe, damit umzugehen. Dafür war es wertvoll, zwei Semester dort zu bleiben. So habe ich mich selbst nicht nur in dem Modus erlebt, Aufgaben und Referate einfach nur “bewältigen” zu wollen, zu versuchen, den Erwartungshorizont zu erahnen und Gruppenkommunikation halbwegs nachzuvollziehen. Sondern ich hatte schon während des ersten und insbesondere im zweiten Semesters viele Gelegenheiten, meinen Lernprozess z.B. in der Beteiligung in Gruppenarbeiten und Referaten zu gestalten und positive Erfahrungen zu sammeln.
Im Vergleich zu anderen Auslandserfahrungen war sicherlich prägend, dass es gerade im ersten Semester sehr wenig Austauschstudierende gab und meine Vernetzung mit anderen nur sehr zufällig entstanden ist. Umso dankbarer bin ich für die Austauschpersonen, die ich im Laufe der Zeit gefunden habe und für die Gelegenheit, Strategien zu entwickeln, um mich selbständig in die sozialen Strukturen in Salvador zu integrieren und Beziehungen aufzubauen.
Zu ein paar Rahmenbedingungen:
Da die Studierendenwohnheime für bestimmte Studierendengruppen vorgesehen sind, habe ich mir für den ersten Monat ein Airbnb gesucht, in dem ich dann unerwarteterweise die gesamten zehn Monate später dann zu privaten Konditionen wohnen durfte.
Was den Alltag betrifft, musste ich mich an die veränderten Sicherheitsbedingungen anpassen. Das betrifft die konkrete Verhaltensebene, wie den Umgang mit Wertsachen und anderen Gegenständen in der Öffentlichkeit, öffentliche Mobilität etc., sowie die emotionale Ebene, der Umgang mit der eigenen Angst, das Sprechen über Gewalterlebnisse in Bekanntschaften und Freundschaften, die Unsicherheit, bestimmte Situationen nicht gelernt zu haben, zu deuten etc.. Meine Portugiesisch- und zunehmenden Ortskenntnisse haben mir hierbei geholfen, mich sicherer zu fühlen oder über bestimmtes Sicherheitsverhalten von den Menschen vor Ort aufklären zu lassen, dennoch habe ich mich bis zum Schluss nicht an bestimmte Verhältnisse gewöhnt und habe das auch nicht erwartet. Auf individueller Ebene und vor dem Hintergrund meiner Lebenserfahrung in Deutschland sind diese Anpassungen notwendige Prozesse, zugleich sind die Themen der Sicherheit und Kriminalität auch welche, durch die ich viel über die brasilianische Gesellschaft gelernt habe. Hier lohnt es sich aus meiner Sicht, tiefer einzutauchen, um nicht rassistischen Stereotypen aufzusitzen, die sowohl von weißen Personen in Brasilien reproduziert werden, als auch aus “westlicher” Sicht auf ganz Lateinamerika angewendet werden.
Bewertung insgesamt
Zum Schluss möchte ich sagen, dass Salvador als Studienstandort sich für Personen lohnt, die wenig Infrastruktur für Auslandsstudierende brauchen und sich auf sehr unterschiedliche Lebens- und Studienbedingungen einlassen möchten. Auch im Vergleich mit anderen Städten in Brasilien habe ich Salvador als weniger europäisch oder westlich geprägt erlebt, was sich unter anderem in der Stadtstruktur und einer starken lokal zum Teil spezifischen Kultur niederschlägt. Hier tief einzutauchen und Beziehungen auch außerhalb der Uni in andere Kreise und Subkulturen aufzubauen, war für mich eine wertvolle Erfahrung.