Sonnenuntergang in Tamsui, der so berühmt ist, dass viele Paare hier ihre Hochzeitsbilder schießen lassen (nord-westlich von Taipei)

Fu-Jen Catholic University

Wintersemester 2023/24
Sonnenuntergang in Tamsui, der so berühmt ist, dass viele Paare hier ihre Hochzeitsbilder schießen lassen (nord-westlich von Taipei)
Foto: Charlotte, Uni Jena

Charlotte, Medizinstudentin

Ich durfte die vergangenen sechs Monate in New Taipei City, Taiwan verbringen. Ich studiere im 4. Jahr Medizin und habe für ein halbes Jahr ausgesetzt, um an der katholischen Fu-Jen-Universität zu studieren.

Vor dem Aufenthalt

Die Bewerbung über das Internationale Büro war problemlos möglich, ich habe einfach alle benötigten Unterlagen eingereicht. Ich würde nur auf eine rechtzeitige Planung von medizinischen Untersuchungen und Impfungen achten (z.B. Röntgen Thorax auf Tuberkulose, …).

Gleichzeitig habe ich mich auch für ein PROMOS Stipendium beworben. Aus meiner Erfahrung scheint es relevant zu sein, wer das Empfehlungsschreiben schreibt. Ich würde also empfehlen einen Professor/Professorin zu wählen.

Im Nachrückverfahren habe ich dann auch ein Teilstipendium erhalten. Simultan habe ich mich um ein Stipendium vor Ort bemüht (MOFA Taiwan-Europe Connectivity Scholarship). Hier war die Kommunikation mit der Gast-Universität etwas schwierig. Es hieß, ich müsste nichts für das Stipendium einreichen, was ich kaum glauben konnte. Im Nachhinein stellte sich aber heraus, dass die Stipendien von der Uni tatsächlich ohne zusätzliche Bewerbung vergeben wird. Der Vergabeprozess ist mir bis jetzt nicht wirklich klar (eventuell wird gelost?). Ich hatte Glück und habe auch dieses Stipendium erhalten. Einzige Bedingung ist eine Teilnahme an abendlichen Sprachkursen, sowie an insgesamt drei internationalen Kulturveranstaltungen. Hierfür gab es genügend Möglichkeiten, sodass man sich darüber keine Sorgen machen muss.

Ich habe postalisch ein 180 Tage Visum bei der Botschaft in Berlin beantragt. Das Visum wird allerdings nur für 90 Tage ausgestellt und muss danach in Taiwan verlängert werden, was jedoch ohne Probleme möglich war.

Laternen eines Tempels in Jiufen, einer Stadt die angebliche Vorlage für „Chihiros Reise ins Zauberland“ gewesen sein soll (nördlich von Taipei).
Laternen eines Tempels in Jiufen, einer Stadt die angebliche Vorlage für „Chihiros Reise ins Zauberland“ gewesen sein soll (nördlich von Taipei).
Foto: Charlotte, Uni Jena

Ankunft

Ich bin sehr knapp vor Semesterstart angereist. Es geht ein Direktflug mit China Air von Frankfurt zum Taoyuan International Airport Taipei. Gelandet bin ich nach 13 Stunden Flug um 6 Uhr morgens. Am Flughafen wurde ich von meinem Buddy abgeholt, die mich auch die ganze Zeit unterstützt hat und sehr gut Englisch sprach. Vom Flughafen ging es dann gleich zur Universität. Dort musste ich mich anmelden und ins Studentenwohnheim einziehen. Dann mussten nur noch die nötigsten Dinge besorgt werden (Matratze, Handtücher, …), danach brauchte ich erstmal eine Pause.

In den nächsten Tagen habe ich alles weitere erledigt. Ich habe einen Sim-Karte gekauft. Ich empfehle das gleich am Flughafen zu erledigen, es war eigentlich genau so teuer wie eine in der Stadt zu besorgen (180d unbegrenzte Daten für 5.000 NTD). Zudem habe ich ein Konto für das taiwanesische Stipendium eröffnet und bin einmal zur Immigration Agency gegangen, um Unterlagen für die Kontoeröffnung zu beantragen. Bei all diesen Aktivitäten stand mir mein Buddy zur Seite. Bei anderen hat das Buddy-System leider nicht so gut geklappt, aber wir haben eigentlich immer jemanden gefunden, der bereit war uns zu helfen.

Unterkunft

Ich habe in einem der Studentenwohnheime (Yimei) gewohnt. Es ist eines der älteren Wohnheime, in dem die meisten Austauschstudentinnen wohnen. Wohnheime sind grundsätzlich nach Geschlechtern getrennt, das gilt auch für Besucher. Es wäre wahrscheinlich auch eh kein Platz für eine weitere Person gewesen und einen Aufenthaltsraum gibt es nicht. Im Yimei Wohnheim gibt es nur vierer Zimmer, sodass ich mit einer weiten Deutschen und zwei Italienerinnern in einem Zimmer gewohnt habe. Ich würde das Zimmer so auf 12-15m2 schätzen, es ist Platz für vier Schränke und schmale Schreibtische sowie zwei Hochstockbetten. Das Badezimmer teilt man sich mit allen Bewohnerinnen eines Flurs (ca. 120). Eine Küche gibt es nicht, nur Kühlschränke und einen Study Room. Man muss nur das eigene Zimmer putzen, der Rest wird vom Wohnheims Personal übernommen. 

Trotz dieser beengten Wohnsituation hätte ich nirgendwo anders wohnen wollen. Zum einen ist es unschlagbar günstig (10.000NTD für 4 Monate), zum anderen habe ich meine besten Freundinnen hier gefunden. Von Anfang an findet man sofort Anschluss und Leute, mit denen man alles zusammen entdecken kann. Wenn man allerdings viel Wert auf Privatsphäre legt und vielleicht auch nicht so gut schlafen kann, ist das Wohnheim eventuell nichts für einen. (Freunde im männlichen Wohnheim hatten 2er Zimmer)

Der Taipei 101
Der Taipei 101
Foto: Charlotte, Uni Jena

Universität und Kurswahl

Alle Gebäude der Fu-Jen-Universität sind auf einem Campusgelände mit Mensen und Studentenwohnheimen zusammen, in 15 min kann man vom einem zum anderen Ende laufen. Am Wochenende sind die Mensen allerdings geschlossen, man finde aber gleich neben der Uni eine große Auswahl an Restaurants.

Die Fu-Jen-Universität verpflichtet die Austauschstudenten dazu min. zwei Kurse des eigenen Fachbereiches zu wählen. Darüber hinaus darf man frei zwischen den angebotenen Kursen wählen. Insgesamt sollen diese laut der Universität Jena 30 ECTS-Punkte umfassen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnte ich zwei Kurse der medizinischen Fakultät wählen. Diese beschäftigten sich vor allem mit Neurologie und wurden hauptsächlich, unter Verwendung englischer Fachbegriffe, auf Chinesisch gehalten. Zusätzlich habe ich Kurse zum Thema Gentherapie und chinesische Kultur besucht. Abends hatte ich zwei Mal drei Stunden chinesischen Sprachunterricht. Dieser bringt offiziell aber keine ECTS (allerdings ein Zertifikat am Ende). Insgesamt gibt es wenig Auswahl an englischsprachigen Kursen (insbesondere im naturwissenschaftlichen Bereich). Alle Kurse der medizinischen Fakultät waren chinesischsprachig. Eine Freundin hingegen hatte nur Kurse auf Englisch im Bereich Journalismus. Es ist deswegen auf jeden Fall empfehlenswert, sich im Vorhinein einen Überblick über die Kurse zu verschaffen.

Meine Kurse waren vom Schwierigkeitsgrad machbar, auch wenn die medizinischen Kurse aufgrund der Sprache natürlich anspruchsvoller waren. Insbesondere die PBL-Kurse (eine Art Seminar) erfordern eine intensivere Vorbereitung. Es ist zudem üblich jede Woche pro Fach eine schriftliche Hausarbeit aufzubekommen.

Sprache

Ich lerne schon seit ca. drei Jahren Chinesisch, konnte also schon etwas sprechen, bevor ich nach Taiwan gegangen bin. Trotzdem würde ich sagen, dass sich mein Sprach-Level noch einmal stark verbessert hat. Grundsätzlich kann man auch ohne Sprachkenntnisse nach Taiwan gehen, jedoch vereinfacht es viele Dinge. Die Englischkenntnisse der Studenten aber auch der Taiwanesen generell variieren zwischen sehr gut bis nicht vorhanden: In Taipei, gerade an Touristenhotspots, ist eine Verständigung meist einfacher möglich als in Städten weiter im Süden. (Ich denke allerdings, dass Übersetzter Apps auch hier weiterhelfen können.)

Pagode im Taroko National Park in der Nähe von Hualien (Ostküste)
Pagode im Taroko National Park in der Nähe von Hualien (Ostküste)
Foto: Charlotte, Uni Jena

Stadt

Die Fu-Jen-University liegt am Ende der Orange-MRT-Line relativ im Westen von New Taipei City. Und ja: New Taipei City ist nicht Taipei, auch wenn es auf Maps aussieht wie eine Stadt. Ins Zentrum kommt man mit Bus und Bahn in 30-40 min für 15-30NTD. Zum anderen Ende der Stadt (z.B. dem Taipeh 101) kommt man in ca. einer Stunde.

Essen gibt es überall: Vor allem taiwanesische, chinesische und japanische Küche, sowie andere asiatische Küchen und der eine oder andere Italiener lassen sich finden. Grundsätzlich sind die Preise in der Innenstadt etwas höher, man kann aber sehr gutes Essen ab bereits 100-300 NTD finden. Auch Bubble-Tea in jeglicher Ausführung ist an jeder Ecke zu finden genauso wie Convenience Shops.

Ansonsten hat Taipei das, was andere Großstädte auch haben: Es gibt Museen und Wahrzeichen, Shoppingmöglichkeiten und Clubs. Bekannt ist Taiwan besonders für seine Nachtmärkte mit Essen, Trinken und Spielen für Groß und Klein. Auch in Taipei gibt es natürlich einige davon, mein Lieblingsmarkt war der Sanhe Markt (MRT-Station - Taipei Bridge) ein eher traditioneller Markt in der Nähe der Universität.

Sonnenuntergang in Tamsui, der so berühmt ist, dass viele Paare hier ihre Hochzeitsbilder schießen lassen (nord-westlich von Taipei)
Sonnenuntergang in Tamsui, der so berühmt ist, dass viele Paare hier ihre Hochzeitsbilder schießen lassen (nord-westlich von Taipei)
Foto: Charlotte, Uni Jena

Reisen

Taiwan eignet sich sehr gut zum Reisen, wobei ein halbes Jahr ausreicht um viel von der Insel zu sehen. Zusätzlich kann man viele Länder der Region (China, Japan, Korea, Thailand) von Taiwan aus bereisen.

Einzigartig ist Taiwan auch durch die Kombination von hohen Bergen und Meer auf engem Raum, sowie seine vielen über die Insel verteilten Nationalparks mit Ihrer atemberaubend vielfältigen Natur.

Die Westküste Taiwans ist relativ stark besiedelt und durch Straßen und Züge gut vernetzt. Man kann mit dem Schnellzug in ca. drei Stunden von Tainan (im Süden) nach Taipei (im Norden) fahren. Im Osten gibt es weniger Städte, dort ist die Bahn- und Businfrastruktur nicht flächendeckend vorhanden. Zudem ist durch die hohen Berge der Ost-West-Weg etwas zeitaufwendiger.

Aufgrund der kurzen Wege eignet sich Taiwan somit besonders gut für Wochenendtrips: Hostels und Hotels sind außerhalb von Taipeh meist deutlich günstiger und über die etablierten Buchungsportale bequem buchbar.

Ich habe keinen Führerschein, wenn man allerdings einen hat (International), dann lohnt es sich gerade für Reisen einen Scooter auszuleihen. Diese sind in Taiwan grundsätzlich beliebtes Fortbewegungsmittel und eignen sich sehr gut um Nationalparks zu erkunden. Aber aus Erfahrung kann ich sagen: Auch ohne kann man tolle Orte entdecken. Wenn man die Möglichkeit hat empfehle ich von Hualien nach Taichung über die Berge zu fahren. Dabei durchquert man zuerst den Taroko Nationalpark um dann auf über 3.000m zu fahren.

Land und Leute

Schon vor meinem Aufenthalt haben mir alle gesagt: Taiwanesen sind so nett und hilfsbereit. Und nach meinem Aufenthalt kann ich genau das bestätigen. Obwohl es sprachlich nicht immer einfach ist sich zu verständigen, sind alle immer bemüht einem weiterzuhelfen. Zudem sind viele Leute interessiert an einem Gespräch. Gerade außerhalb von Taipei gibt es wenige nicht-asiatische Touristen, so wurde ich einige Male aus Interesse angesprochen, was ich denn hier mache.

Es ist wie überall sicher nicht immer leicht Freunde zu finden. Nichtsdestotrotz habe ich alle Möglichkeiten wahrgenommen neue Leute kennenzulernen. Auch das Internationale Büro der Fu-Jen-University bietet einige Ausflüge und Aktivitäten z.B. eine Welcome Party, einen international Food Day oder ein Ausflug nach Hsinchu.

Insgesamt kann ich Taiwan als Auslandsaufenthalt mehr als empfehlen: Es bietet tolle Möglichkeiten zum Reisen, äußerst nette Menschen und ein faszinierendes Lebensgefühl. Besonders wenn man Interesse an asiatischer Kultur hat und an einen Ort mit eher weniger europäischen Ausländern möchte, ist man in Taiwan genau richtig.