In der Sierra del Occidente bei den Wixarika

ITESO- Universidad Jesuita de Guadalajara- Mexiko

Wintersemester 2023/24
In der Sierra del Occidente bei den Wixarika
Foto: Sophia, Uni Jena
  • ITESO- Universidad Jesuita de Guadalajara

Meldung vom:

Sophia, Master Interkulturelle Personalentwicklung und Kommunikationsmanagement

La Ciudad – Die Stadt

Mit 1,5 Millionen EinwohnerInnen (bzw. 5,1 mit den Vororten) ist Guadalajara die größte Stadt, in der ich je gewohnt habe. Mit einer Großstadt in Deutschland ist es nicht zu vergleichen und daher musste ich mir erstmal einen Überblick verschaffen. Je nach Zona zeigt sich ein anderes Stadtbild.

Auf dem Weg zum Tanzkurs Sonntagmorgens am Expiatorio
Auf dem Weg zum Tanzkurs Sonntagmorgens am Expiatorio
Foto: Sophia, Uni Jena

Im Centro Histórico ist immer viel los. Hier tümmeln sich MexikanerInnen aus allen Schichten. Man trifft auf das Rathaus, das Museo Cabañas und auf die Kathedrale, die jeden Abend ab 20 Uhr mit einer Lichtershow bespielt wird. Ganz in der Nähe ist die große dreistöckige Markthalle San Juan de Dios, in der man tagsüber alles finden und sich verlieren kann. Vom Centro auf dem Weg in Richtung des beliebten und modernen Stadtviertels Colonia Americana liegt zum einen der Parque Rojo und zum anderen eine Kirche, die als Expiatorio bekannt ist. Jedes Wochenende finden dort Märkte statt (eine Mischung aus Flohmarkt, Handwerkermarkt und Trash). Beides lag in unmittelbarer Nachbarschaft meiner WG und ich kann die Zone um el Expiatorio zum Wohnen mehr als Empfehlen. Von dort aus lässt sich alles gut erreichen, außerdem gibt es einen der besten (u.a. veganen) Midnight-Snack Taco Stände direkt beim Parkplatz dahinter. Zur Chapu, der „Party“-Straße Guadalajaras sind es nur 10 Minuten (mit dem Fahrrad). Hier ist jeden Montag Salsa Abend auf offener Straße. Auch Colonia Americana, am ehesten als Hipster Viertel zu beschreiben, ist um die Ecke. Diese Zone wurde 2022 vom Times Magazine zur „Coolest Neighborhood in the World“ ernannt. Viele Cafés, Bars, Restaurants und Lifestyle Läden haben sich dort in und zwischen in alten prachtvollen Kolonialhäusern eingerichtet. So beeindruckend manche dieser Häuser anzusehen sind, so erinnerten sie mich doch unmittelbar ebenfalls an die alles andere als prachtvolle Kolonialisierung und all deren Auswirkungen, die an so vielen Stellen im Land sichtbar ist. 

Ansonsten waren auch die Gebiete um La Minerva oder Moderna und St. Teresita beliebte Wohngegenden für Studierende der ITESO, die nicht außerhalb in Nähe der Uni, sondern lieber in der Stadt wohnen wollten. Die ITESO befindet sich im „Vorort“ Tlaquepaque und ist von der Stadtmitte aus am besten mit der Metro oder per Mitfahrgelegenheit zu erreichen, auch wenn ich immer mind. eine Stunde dafür einplanen musste. Genauso kann man dem Vorort Zapopan für Bars wie z.B. el Salon de Candela (am Salsa Abend!) einen Besuch abstatten oder sonntags nach Tonalá zum Handwerkermarkt mit unendlichem Angebot an Tongeschirr. Nördlich der Stadt lohnt sich ein früher Tagesausflug ins Grüne zu La Barranca de Huentitan, um der Stadt ein bisschen zu entfliehen und ziemlich sicher auf mit-Musikbox- wandernde Mexicans zu treffen.

Auch wenn ich mich nicht so richtig mit den Entfernungen, die Großstädte wohl so an sich haben, anfreunden konnte, habe ich Guadalajara ins Herz geschlossen; die vielen Bäume überall, der Charme der Häuser und die vielen Autos, die in Deutschland nur bei Oldtimer Ausfahrten zu sehen wären. Gerade wenn ich viel Zeit hatte, habe ich es geliebt mit dem Fahrrad (geliehen über mibici) durch die Stadt zu fahren und habe immer irgendeinen interessanten Laden, leckeren Essensstand oder artsy Graffiti entdeckt. Nur bei Regen sollte man gewarnt sein: Die Stadt ist ein Verkehrschaos und alles steht still, bis es wieder aufhört. Apropos Stillstand: auch mit Stromausfällen im ganzen Barrio sollte man ab und zu mal rechnen. Da lässt sich nicht unbedingt jede Hausarbeit wie geplant last-minute abschicken…

Erfahrungsbericht ITESO
Erfahrungsbericht ITESO
Foto: Sophia, Uni Jena

La Universidad ITESO – Studieren an der ITESO

Die ITESO hat einen beeindruckend schönen Campus. Es grünt soweit das Auge reicht und man findet immer ein schönes Plätzchen, um draußen zu studieren oder zu entspannen (zumindest wenn man von den Regenergüssen im August und September verschont bleibt). Zu Feiertagen wird bunt und floral dekoriert und alles in allem zeigt sich, dass es sich um eine Privatuni handelt und Geld im Spiel ist. Aufgefallen ist mir dies beispielsweise auch, da KommilitonInnen schnell Beschwerde geäußert haben, wenn im Unterricht etwas nicht so zufriedenstellend war oder Einheiten ausfielen, schließlich zahlen sie pro Kurs im Semester. Es lässt sich auch festhalten, dass man es eher mit einem wohlhabenderen Teil der mexikanischen Bevölkerung zu tun hat und manche sogar schockiert waren, dass ich tatsächlich die öffentliche Metro nutze, um zur Uni zu kommen.

Die Lehre an der ITESO ist im Vergleich zu Deutschland verschulter und ähnelt Seminaren mehr als Vorlesungen. Die Mitarbeit ist gefragt und oft gibt es auch Hausaufgaben. Das war anfangs sehr ungewohnt für mich, hat mir allerdings sehr geholfen mit den mexikanischen Studierenden in Austausch zu treten. Außerdem herrschte ein wirklich angenehmes Unterrichtsklima und die Ansprüche der Dozierenden waren gut zu erfüllen. Zudem waren meine DozentInnen sehr nahbar und zugänglich und haben mir in einer Phase, in der es mir nicht so gut ging, große Unterstützung geleistet, sowohl bzgl. des Studiums als auch persönlich. Das war eine Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin.

Es ist zu beachten, dass an der Uni Anwesenheitspflicht herrscht und dies auch kontrolliert wird (circa 3 Wochen im Semester kann man fehlen). Man sollte bei der Kurswahl daher auch auf den Stundenplan achten, sonst verbringt man seine Wochen ausschließlich auf dem Campus (wenn auch sehr schön) und hat weniger Zeit das Centro zu erkunden oder Ausflüge zu machen. Englisch oder Spanisch, beides ist möglich.

In der Sierra del Occidente bei den Wixarika
In der Sierra del Occidente bei den Wixarika
Foto: Sophia, Uni Jena

Ich habe an einer Uni noch nie solch ein lebhaftes Angebot an (außerplanmäßigen) Veranstaltungen oder kreativen Workshops gesehen. Hier äußert sich vermutlich, dass es sich bei der ITESO um eine Jesuiten Uni handelt und Spiritualität und Religion, aber auch Achtsamkeit und Psyche viel Raum gegeben wird. Es fanden fast täglich Präsentationen, Lesungen, Diskussionen, Filmvorstellungen, Gastvorträge etc. statt. Außerdem gibt es ein Gym mit kostenlosen Sportkursen.

Von meiner Kursauswahl kann ich die Kurse „Estudios Regionales America Latina y el Caribe“ für einen Einblick in die Geschichte, Politik und Gesellschaft Lateinamerikas, „Bailes de Salon – Estilos Caribeños“ für alle Salsa/Cumbia/Bachata-Interessierten und die Belegung eines „PAP“ (Proyecto de Aplicacion Profesional) wärmstens empfehlen. PAPs sind darauf ausgelegt seine Fachkenntnisse zu nutzen und in praktische Projekte umzusetzen (ähnlich wie in meinem Master IPK das Modul P5). In meinem PAP des Bereichs „Identitäten und soziale Inklusion“ arbeiteten wir als Uni Gruppe mit einer indigenen Gemeinde der Wixarika zusammen, was meine westlich geprägte Perspektive auf die Welt noch weiter aufgebrochen hat. In Mexiko identifizieren sich 23.2 Millionen Menschen als Indigene, was 19.4% der Bevölkerung entspricht (2022). Meiner Meinung nach ist es wichtig, sich damit auseinander zu setzen, wenn man in Mexiko ist, um aus dieser Perspektive heraus zu reflektieren, wie eine postkolonial gerechte Welt aussehen könnte. Dies müsste allerdings auch unter den Mexicans selbst stärker vorangetrieben werden; z.B. eben wie durch das PAP an der ITESO. Ich kann nur empfehlen diese Gelegenheit zu nutzen. 

La Vida – Die Gesellschaft und der Alltag

Allgemein kann ich sagen, dass ich überrascht war von einigen Abfärbungen der USA auf Mexiko und WIE sehr auch Mexiko unter den Einflüssen des Kapitalismus steht (und leidet). Zumindest in der Großstadt und durch die Privatuni bekam ich einige schockierende Einblicke, was das betrifft. Dennoch konnte ich viel von der mexikanischen Kultur, vor allem von den Tapatios (wie sich die Bewohner Guadalajaras nennen), kennenlernen und hätte gern noch mehr Zeit gehabt, um auch noch andere Regionen besser kennenzulernen. Allerdings sind 5 Monate mit zusätzlich vollem Stundenplan dafür nicht genug. Rückblickend hätte ich mich lieber für ein ganzes Jahr entscheiden sollen und empfehle dies auch allen.

Mexiko ist ungefähr 6x so groß wie Deutschland und nicht nur groß, sondern mindestens auch so vielfältig: landschaftlich, sprachlich, gastronomisch, musikalisch oder kulturell. Es gibt extrem viel (in Deutschland unbekanntes) zu entdecken! Mexiko ist stolz auf seine Vielfalt und trägt es gerne nach außen, wenn es um ihre Festlichkeiten und ihren Glauben geht. Allen voran der bekannte Día de los Muertos Ende Oktober/Anfang November. Wenn man die Möglichkeit hat, diese Tage in Mexiko zu erleben, sollte man sich diesen anderen Umgang mit dem Tod einmal auf sich wirken lassen. Und so gibt es zahlreiche Möglichkeiten in Guadalajara sein Weltbild aufzubrechen und den Horizont zu erweitern. Für mich war das Auslandssemester dafür eine gute, aber auch anstrengende Gelegenheit. Es hat mich Anstrengung gekostet, direkt im Anschluss an die Prüfungsphase im Juli in Jena, dann im August in Mexiko, weiterzumachen. Es hat mich Anstrengung gekostet täglich eine Fremdsprache zu sprechen und in dieser zu studieren und es war eine anstrengende Umgewöhnung mein aus Deutschland gewohntes Sicherheitsgefühl neu anpassen zu müssen und mich dadurch in ein paar Freiheiten eingeschränkt zu sehen. Es ist auf jeden Fall wichtig sich umzuhören, welche Gegenden man zu welcher Uhrzeit nicht allein durchstreifen sollte und im Dunkeln einfach immer ein Taxi über inDrive, Uber oder Didi zu bestellen. Sie sind zum Glück sehr billig und so ist man auf der sicheren Seite. Ich kann (glücklicherweise) von keiner prekären Situation berichten, ich konnte nur beobachten mit welcher Vorsicht viele Leute ihren Heimweg etc. antreten. Am besten hält man sich einfach an die Tipps der Einheimischen.

Dennoch habe ich mein mexikanisches Leben wirklich lieben gelernt. Ich habe die Menschen dort sehr offen, urteilsfrei und kreativ wahrgenommen. Mexiko ist ein lebhaftes Land und viele absurde Dinge geschehen in „Mexico Mágico“ (den Ausdruck wird man immer wieder mal hören in Situationen, die einem wirklich nur dort widerfahren können). Ich hab viel neues dazu gelernt und ich werde auf jeden Fall wieder zurückkehren!

Wichtigste Hinweise & Tipps in Kurz: 

  •  Man kann sich nicht nur in Kurse einwählen, sondern auch in PAPs
  •  Kurse wechseln wie immer am Anfang des Semesters möglich
  •  Semesterzeiten von Anfang August bis Anfang Dezember (& von Januar bis Mai)
  •  Wer gerne tanzt, lernt in den Tanzkursen der Uni sehr viel. Zudem wird in der Stadt es an sozialen Tanzevents jedenfalls nicht fehlen.
  • 1,5 Iteso Credits sind circa 1 ECTS
  •  Ein Jahr statt eines Semesters!
  • Das Ausgehspektrum ist groß, aber man wird nicht unbedingt automatisch hineingezogen. Wie überall auf der Welt dauert es, bis man sich auskennt in der Stadt und herausgefunden hat, welche Ecken einem gefallen und welche weniger.
  •  Sucht euch Freunde mit Autos
  •  Sayulita/ Puerto Vallarta/San Pancho sind die nächsten Strandorte, dennoch benötigt man circa 5 Stunden da hin.
  • Holt euch eine MiBici Karte
Guadalajara: Regenchaos und ertränkte Sandwiches
Guadalajara: Regenchaos und ertränkte Sandwiches
Foto: Sophia, Uni Jena

Foodie Only Infos – Zum Abschluss ein paar persönliche Highlights

Mein absolutes Lieblingsessen war Aguachile. Wer Limetten, scharf und Garnelen mag, wird es lieben! Was ich außerdem vermisse, seit ich Mexiko verlassen habe, sind Tacos de Birria mit Consomé in der Calle Argentina vom Stand Barbacoa El Torito oder von Tacos Arturo in der Calle Morelos. Wer Fleisch isst, sollte sich dies nicht entgehen lassen! Wer noch dazu Käse liebt, sollte Quesabirrias oder Quesatacos beim Stand in der Nähe des Glorieta de los Desaparecidos probieren. Bei Carne en su jugo Mexicaltzingo lässt sich ein weiteres klassisches Fleisch/Suppengericht probieren. Zwar nicht mein Favorite, aber das Wahrzeichen von Guadalajara: Torta Ahogada („ertrunkenes Sandwich“), ein in Soße ertränktes Fleisch-Sandwich; wohl bekannt als bestes Kater Frühstück. Ansonsten findet man auch auf dem Weg zur Uni bei der Metro Station Periferico Sur immer irgendwo Lonches, also Baguette Sandwichs für nicht mal 2 Euro.

Tequila kennt jeder, doch Pulque durfte ich in Guadalajara neu kennenlernen. Der milchige alkoholhaltige Saft wird ebenfalls aus Agaven gemacht und kann mit verschiedensten Geschmacksrichtungen, fast wie ein Milkshake, bestellt werden. Geschmacklich ähnelt es jedoch neuem Wein/ Federweißem. Auch wenn es nicht jedem schmeckt, so sind die Pulquerias in Guadalajara einen Besuch wert, wenn man einen gemütlichen Abend verbringen möchte. Weniger gemütlich und mehr feierlich geht es beim Besuch der Bar Cantaritos el Güero, die etwas außerhalb liegt, zu. Hier wird das klassische Getränk Cantarito, eine Mischung aus Softdrinks und Tequila, in großen Tonkrügen getrunken und was dann dort stattfindet ist so etwas wie das mexikanische Oktoberfest und alle tanzen zu den Mariachi Bands. Zu guter Letzt empfehle ich für heiße Nachmittage Micheladas. Anfangs gewöhnungsbedürftig und später craving-Potential; zumindest für mich!

Sophia Gehrlein

Bei konkreteren Fragen gerne kontaktieren (das Internationalen Büro vermittelt meine Kontaktdaten) oder via Instagram @missanonymus1