Dr. Karl Porges mit dem von Tamara Knapp entworfenen Plakat zur Ausstellung "Ernst Haeckel in der DDR".

Anstoß für eine ganzheitliche Betrachtung Ernst Haeckels

Biologiedidaktiker eröffnen am 5. Juni Sonderausstellung zu ihrem Buch „Ernst Haeckel in der DDR“
Dr. Karl Porges mit dem von Tamara Knapp entworfenen Plakat zur Ausstellung "Ernst Haeckel in der DDR".
Foto: Anne Günther (Universität Jena)
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  • Wissenstransfer & Innovation

Meldung vom: | Verfasser/in: Angelika Schimmel

Ernst Haeckel (1834-1919) galt als „deutscher Darwin“, wurde als Evolutionsforscher und Hochschullehrer hoch gelobt und kontrovers beurteilt. Und er war ein Wissenschaftler, der seine Erkenntnisse mit künstlerischen Mitteln anschaulich und für jedermann verständlich machte. Seine Beschäftigung mit den Stammbäumen des Lebens führte ihn aber auch zu rassentheoretischen Überlegungen, auf die sich die Nationalsozia­listen in ihrer Rassenideologie bezogen. Gleichzeitig lieferte Haeckels Evolutionstheorie den Politikstrategen in der DDR zahlreiche Argumente für ihre materialistische Weltanschauung. 

Ernst Haeckel war eine äußerst ambivalente Figur, die für die unterschiedlichsten Zwecke instrumentalisiert wurde“, sagt Dr. Karl Porges von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Eine umfassende Betrachtung der Haeckel-Rezeption in der DDR haben Porges und sein Kollege apl. Prof. Dr. Uwe Hoßfeld 2023 mit dem Buch „Ernst Haeckel in der DDR“Externer Link vorgelegt. Mit einer kleinen Sonderausstellung, die am 5. Juni im Ausstellungskabinett des Universitäts­hauptgebäudes eröffnet wird, fügen die Wissenschaftler der „Metabiografie“ Haeckels neue Facetten hinzu. 

Ambivalenz ist Prinzip

Ambivalenz scheint für das Leben und Denken des Biologen und Monisten Haeckel charakteristisch gewesen zu sein. „Politisch war Haeckel in der Friedensbewegung ebenso verortet wie seit dem Ersten Weltkrieg im Nationalismus“, erklärt Porges. „In einer Zeit, in der es nicht selbstverständlich war, dass die Bevölkerung an der Wissenschaft und am Wissen teilhatte, setzte sich Haeckel für die Einbeziehung der Evolutionstheorie schon in der Schulbildung ein. Gleichzeitig stand er der Arbeiterklasse und der Sozialdemokratie kritisch gegenüber.“ Letzteres sei in der DDR jedoch zum Teil ausgeblendet worden. Ebenso wie Haeckels Gedanken zur „Rassenhygiene“. Vielmehr wurden Forschungsschiffe nach Haeckel benannt, Preise mit seinem Namen an junge Forschertalente vergeben und Jenaer Institutionen wie das Phyletische Museum und das Ernst-Haeckel-Haus als wichtige Erinnerungsorte gepflegt.

In der DDR wurde mit Haeckel ausgezeichnet: Die Urania-Gesellschaft stiftete 1981 die Ernst-Haeckel-Medaille und -Urkunde, die als die höchste Auszeichnung der Gesellschaft galt. Medaille und Urkunde sind in der neuen Sonderausstellung zu sehen.

Foto: Anne Günther (Universität Jena)

In der Gegenwart sei die Auseinandersetzung mit Haeckel wiederum vielfach einseitig, weil nur auf seine Gedanken zur Rassentheorie ausgerichtet. „Haeckel war zwar Rassentheore­tiker, jedoch kein Praktiker, wie später die Nationalsozialisten“, gibt Porges zu bedenken. Die Jenaer Biologiedidaktiker plädieren deshalb für eine differenzierte Betrachtung. „Unser Blick auf Haeckel wird nur ganz, wenn wir die Zerrbilder überwinden“, sagt Porges. 

Haeckel als Lehrer, Forscher und Künstler vorgestellt

Möglichkeiten dafür bieten sie mit der kleinen Sonderschau im Universitätshauptgebäude. Hier werden einzelne Exponate gezeigt, die exemplarisch für die sechs Kapitel des Buches „Ernst Haeckel in der DDR“ stehen. Originale Aufgaben für die Reifeprüfung zu Haeckel aus DDR-Zeit stehen für Haeckels Bildungsambitionen, ein Typenbauplan des DDR-Fischerei-Forschungsschiffes „Ernst Haeckel“, das auf den Weltmeeren mit internationalen Mannschaften unterwegs war, nimmt Bezug auf Haeckels Meeres- und Fischereiforschung. 

Den künstlerischen Part in der Ausstellung übernimmt Tamara Knapp aus Weimar. „Sie hat bereits das faszinierende Cover für unser Buch gestaltet. Jetzt liefert sie zu jedem Kapitel des Buches ein Plakat, das sich auf Haeckels Leben, Arbeit oder Forschungsobjekte bezieht und mit Mitteln von Visueller Kunst und Graphikdesign überraschende Assoziationen schafft“, sagt Karl Porges. 

Die Werke sind Auszüge aus archivierten und historischen Bildern der Entwicklung Haeckels. Basierend auf den originalgetreuen Bildwelten habe ich über Collagentechnik Elemente der Bilder extrahiert, diese weiterverarbeitet, verfremdet oder über grafische Anpassungstechni­ken in Farbe und Form auch weiter interpretiert“, erklärt Tamara Knapp ihre Herangehens­weise. Die dabei entstandenen großformatigen Bilder ziehen den Betrachter in Bann mit farbenfrohen Gewächsen, die Pflanze oder Meerestier sein könnten oder mit imaginären Lebewesen, deren Geburt, Wachsen und Sterben wie im Zeitraffer sichtbar wird. Tamara Knapps Kunstwerke bieten dem Betrachter viel Spielraum für eigene Deutungen und eine neue Sicht auf scheinbar Bekanntes. 

Öffnungszeiten

Die Ausstellung zum Buch „Ernst Haeckel in der DDR“ ist vom 5. Juni bis 5. Juli 2024 im Ausstellungskabinett, Universitätshauptgebäude, Fürstengraben 1 in Jena zu sehen. Geöffnet ist die Schau montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr. 

Information

Vernissage
Am 5. Juni 2024, 17 Uhr findet im Hörsaal 24 des Universitätshauptgebäudes (Fürstengraben 1) die öffentliche Eröffnungsveranstaltung statt. 
Programm:
apl. Prof. Dr. Uwe Hoßfeld „(Jenaer) Wiederholungen/Symmetrien in der Natur“ 
Dr. Karl Porges „Ernst Haeckel in der DDR“ 
Tamara Knapp „Technologische Interferenzen natürlicher Phänomenologien“

Kontakt:

Karl Porges, Dr.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
vCard
AG Biologiedidaktik
Stoy´sches Haus/Institutsgebäude/Bienenhaus, Raum 104
Am Steiger 3
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link
Uwe Hoßfeld, apl. Prof. Dr.
Leiter der Arbeitsgruppe
vCard
AG Biologiedidaktik
Uwe Hoßfeld
Foto: Anne Günther (Universität Jena)
Stoy´sches Haus/Institutsgebäude/Bienenhaus, Raum 103
Am Steiger 3
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link