- Chicago-Kent College of Law
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Bewerbung in Jena
Die juristische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität hat zwei Partneruniversitäten in den USA: das Chicago-Kent College of Law des Illinois Institute of Technology (IIT) und das University of Illinois College of Law. Bei der Bewerbung um ein Auslandssemester in den USA kann man sich zwischen diesen beiden Universitäten entscheiden bzw. einen Erst- und Zweitwunsch wählen. Das Kursangebot an beiden Universitäten schien mir relativ ähnlich zu sein, sodass ich neben dem Kursangebot der Universitäten (das mich am Chicago-Kent College of Law doch etwas mehr überzeugt hat), bei der Auswahl der Universität auch weitere Faktoren berücksichtigt habe.
Entscheidet man sich für die University of Illinois kommt man einerseits in den Genuss einer echten Campus-Uni und ist somit vielleicht etwas näher an dem, was man sich unter der typischen amerikanischen College Experience vorstellt. Andererseits sind die Städte Urbana und Champaign doch etwas abgelegen.
Wenn man jedoch das Chicago-Kent College of Law wählt, studiert man nicht etwa auf dem Campus des Illinois Institute of Technology, das etwas im Süden der Stadt liegt, sondern am Downtown Campus im West Loop. Auch wenn man nicht die Erfahrungen sammelt, die man an einer amerikanischen Campus-Uni machen kann, hat man all die Vorzüge (sowie Nachteile) einer Großstadt. Neben dem Kursangebot hat für mich somit auch die Vielzahl an Möglichkeiten, die Chicago zu bieten hat, für das Studium am Chicago-Kent College of Law gesprochen, sodass ich diese Universität bei meiner Bewerbung als erste Präferenz angegeben habe.
Der Bewerbungsprozess war recht unkompliziert. Bis zum 15. Januar 2023 mussten alle notwendigen Unterlagen (Motivationsschreiben, Lebenslauf, Leistungsnachweise usw.) bei der an der juristischen Fakultät zuständigen Stelle eingereicht werden. Die Zusage seitens der Fakultät kam dann ziemlich genau einen Monat nach Bewerbungsschluss. Dann hieß es warten auf weitere Anweisungen seitens der Law School.
Vorbereitungen
Am 30.03.2023 erhielt ich dann eine E-Mail von der Programmkoordinatorin für die Austauschstudierenden und Master of Law (LL.M.)-Studierenden am Chicago-Kent College of Law mit Anweisungen für die Bewerbung an der Gastuniversität. Das war eigentlich eine reine Formalie und ich konnte fast alle Unterlagen, die ich für die Bewerbung in Jena genutzt habe, hier nochmals einreichen.
Nachdem die Bewerbung an der Gastuniversität bearbeitet und die Zusage bestätigt wurde, musste man einen Financial Affidavit ausfüllen und an die Law School schicken. Mit diesem weist man nach, dass man die notwendigen finanziellen Mittel hat, um in den USA zu studieren. Je nachdem ob man ein Semester oder zwei Semester bleibt, ist der nachzuweisende Betrag entsprechend höher oder geringer. Den Nachweis kann man u.a. durch Stipendiennachweise und Kontoauszüge erbringen. Außerdem werden Impfnachweise und ein Tuberkulosetest gefordert.
Wenn man nur ein Semester als Exchange Student am Chicago-Kent College of Law studiert, kommen keine Studiengebühren auf einen zu. Wer sich jedoch entscheidet, zwei Semester in den USA zu bleiben und bereits die Credits für einen LL.M. zu erwerben, der muss mit Studiengebühren rechnen. Die Studiengebühren für das Fall Term 2023 und das Spring Term 2024 lagen insgesamt bei $44,000. Mit der Zusage für die Teilnahme am LL.M.-Programm bekam man jedoch seitens des Chicago-Kent College of Law die Zusage für ein Tuition Scholarship i.H.v. $26,400, sodass die Studiengebühren bereits auf insgesamt $17,600 reduziert waren. Indem man sich auf weitere Stipendien bewirbt kann man diesen Betrag noch weiter reduzieren. Ich kann also jedem empfehlen, sich nach weiteren (Gebühren-)Stipendien zu erkundigen: Es kann sich auf jeden Fall lohnen!
Neben Studiengebührenstipendien hatte ich auch das Glück, die Förderung durch PROMOS zugesagt bekommen zu haben. Für PROMOS kann man sich über ein Online Formular bewerben. Weiter Informationen findet man beim Internationalen Büro der Uni Jena. Dank PROMOS hatte ich im Wintersemester 2023/2024 eine monatliche Stipendienpauschale zur Verfügung und bekam einen Reisekostenzuschuss für den Flug in die USA. Beides war eine große Hilfe. An dieser Stelle möchte ich daher die Gelegenheit nutzen, mich für diese Unterstützung herzlich zu bedanken!
Ein weiterer wichtiger Schritt im Rahmen der Vorbereitungen für das Auslandsstudiums war die Beantragung des Visums. Für einen zweisemestrigen Aufenthalt beantragt man das F-1 Visum. Dafür bekommt man nochmal sehr detaillierte Anweisungen vom Chicago-Kent College of Law. Die Visumsbeantragung wirkt anfangs sehr kompliziert. Letztlich war das Ausfüllen des detaillierten Onlineantrags zwar etwas nervig, das Interview in der Botschaft in Berlin lief letztlich aber relativ schnell und reibungslos ab.
Mit etwas Glück und wenn man zeitig genug schaut, kann man günstig zwischen Deutschland und Chicago fliegen. Leider beginnt und endet ein Auslandssemester in den USA zu denkbar ungünstigen Hauptreisezeiten. Günstige Flüge nach Chicago bieten einige Airlines zwar trotzdem, allerdings sind die Umstiegszeiten meist sehr knapp bemessen, sodass ich beim Buchen Sorgen hatte. Die meisten (günstigen) Flüge nach Chicago gehen über Reykjavik oder Lissabon und beide Flughäfen haben sich nach meiner Erfahrung als sehr organisiert herausgestellt, sodass ich auch bei weniger als einer Stunde Umstiegszeit keine Probleme hatte, meinen Anschlussflug zu bekommen.
Ein weiterer wichtiger Schritt in der Vorbereitung war die Wohnungssuche. Die Wohnkosten in den USA sind vielfach höher als die in Deutschland. Vierstellige Mieten für einzelne Zimmer sind in Chicago leider eher die Regel als die Ausnahme. Es gibt zwar auch etwas günstigere Alternativen, dann gilt es aber abzuwägen und die Distanz zum Stadtzentrum, die Sicherheit des Stadtteils usw. zu bedenken. Ich habe beispielsweise bei „Common McCormick“ ein WG-Zimmer gemietet. Der Apartmentkomplex befindet sich an der Kreuzung der State Street und 24th Street und somit in der Near South Side. Die Nachbarschaft ist insbesondere tagsüber recht sicher und ich konnte bedenkenlos auch mal bis zur Uni laufen (Fußweg eine Stunde, mit der Bahn 30 Minuten), nachts habe ich allerdings schon weniger Schönes gehört und erlebt. Wenn ich also nach Einbruch der Dunkelheit noch etwas mit Kommilitoninnen unternommen habe, habe ich mich auf dem Rückweg immer für ein Uber und gegen die Fahrt mit der Green Line entschieden. Das sind zusätzliche Kosten die man bedenken sollte, wenn man sich wegen des günstigeren Preises für eine abgelegenere Wohnmöglichkeit entscheidet.
Rückblickend bereue ich es, das Wohnen auf dem IIT-Campus nicht in Erwägung gezogen zu haben. Hiervon wird zwar seitens der Law School eher abgeraten, da der Hauptcampus zu weit vom Downtown Campus entfernt sei. Der IIT-Campus (35th Street) war jedoch nur eine Haltestelle weiter vom Downtown Campus mit der Green Line entfernt als es meine Wohnung war. Da die Haltestelle sogar direkt am Campus ist, wären gerade nachts die Laufwege bis nach Hause weniger verunsichernd gewesen. Insgesamt wäre mein Weg zur Law School mit den öffentlichen Verkehrsmitteln keine fünf Minuten länger gewesen. Ich finde daher, dass es sich echt lohnen kann, den Hauptcampus in Erwägung zu ziehen, insbesondere wenn man ohnehin nicht direkt Downtown wohnen würde. So kriegt man außerdem noch ein bisschen mehr vom Studierendenleben in den
USA mit und hat in jedem Fall die Möglichkeit, mit anderen Studierenden zusammenzuleben.
Um in den USA zu studieren, muss man außerdem eine amerikanische Krankenversicherung haben. Die Krankenversicherung der Uni kostet pro Semester $700. Es empfiehlt sich, zusätzlich noch eine Auslandskrankenversicherung in Deutschland abzuschließen, damit z.B. auch der Rücktransport im Krankenfall abgedeckt ist und um der recht hohen Selbstbeteiligung der Uni-Krankenversicherung zu entgehen, die anfällt, wenn man sich mal selbst einen Arzt sucht und nicht zuerst zum Student Health Center auf dem Hauptcampus kann.
Jurastudium am Chicago-Kent College of Law
Das Chicago-Kent College of Law befindet sich im Conviser Law Center. Das zehnstöckige Gebäude befindet sich im West Loop. Es gibt ein Fitnessstudio im Keller, dessen Nutzungsgebühr in den Studiengebühren enthalten ist, eine Cafeteria in der dritten Etage, die aber nicht mit einer Mensa hier in Deutschland vergleichbar ist, da keine Mahlzeiten, sondern nur Snacks verkauft werden, und eine sehr schöne Bibliothek in den oberen beiden Etagen. Im gesamten Gebäude gibt es außerdem bequeme Sitzmöglichkeiten. Die Zeit zwischen den Vorlesungen kann also sehr gut überbrückt werden.
Die dreiwöchige Orientierungsphase für die internationalen Studierenden begann am 31.07.2024. Neben hilfreichen Tipps zur Law School und zum Leben in den USA, Möglichkeiten unseren Stundenplan zusammenzustellen und Events zum Kennenlernen anderer (internationaler) Jurastudierender, erhielten wir in diesem Zeitraum außerdem einen Einführungskurs in das USAmerikanische Rechtssystem. Da sich dieses stark von dem unterscheidet, was wir aus Deutschland gewohnt sind (Stichwort: case law), war der Kurs eine hilfreiche Grundlage für die kommenden Kurse. Am Ende des Kurses hatten wir auch schon unser erstes Law School Exam und bereits zwei Credits für das Fall Semester. (Pro Semester müssen mindestens 12 Credits erreicht werden.)
Im Fall Semester habe ich Comparative Law (verpflichtend für den LL.M. in US, International and Transnational Law), International Law, Privacy and the Constitution, Supreme Court Review und Law, Literature and Feminism belegt. Im Spring Semester habe ich Legal Writing (für mich ebenfalls verpflichtend), Legal Theory, Critical Legal Studies, School Law und National Security Law belegt. Eine genauere Beschreibung der Kursinhalte würde hier den Rahmen sprengen, diese können bei Interesse jedoch auch auf der Internetseite der Law School gefunden werden. Allein die Namen der Kurse lassen jedoch schon die Vielfalt der Themen erkennen, auf die man im Jurastudium in den USA treffen kann.
Insgesamt unterscheidet sich das Jurastudium in den USA sehr von dem in Deutschland. Das Studium ist weniger frontal und sehr interaktiv gestaltet. Die Teilnehmerzahl in den meisten Kursen ist deutlich geringer als es in Deutschland typisch ist. Professor*innen haben nicht selten Namenslisten und rufen Studierende gezielt auf. Mitarbeit fließt häufig ebenso in die Endnote ein wie Anwesenheit. Außerdem fallen in vielen Kursen Gruppenarbeiten und Präsentationen an. Vor den Vorlesungen müssen Fälle und Aufsätze gelesen werden, die dann als Grundlage für die Diskussion im Kurs dienen. Man kann pro Einheit mit mindestens einer Stunde
Vorbereitungsaufwand rechnen. Bei besonders leseintensiven Einheiten oder Kursen, kann diese Zeit aber auch deutlich überschritten werden. In Supreme Court Review mussten beispielsweise häufig mehrere Fälle und dazugehörige Besprechungen gelesen werden, in Law, Literature and Feminism oft ganze Bücher.
Pflichtliteratur für die Kurse muss außerdem gekauft werden. Lehrbücher gibt es in der Bibliothek nicht. Je nach Kurs und notwendigem Buch kann das sehr ins Geld gehen, Lehrbücher können gut und gern mal $300 oder mehr kosten. In anderen Kursen stellen Professor*innen aber auch alle Texte und Bücher kostenfrei zur Verfügung.
Klausuren sind tendenziell leichter als im Studium in Deutschland. Alle meine Klausuren waren als Take Home Exams konzipiert. Für manche hatte man dabei ein zwei- bis dreistündiges Zeitfenster, für andere bis zu drei Tage. Manche Klausuren waren open book, manche closed book. Alle waren jedoch sehr gut machbar. Klausuren bestehen häufig aus mehreren Komponenten: multiple choice, short response, essay questions und kleinen Falllösungen. Klausuren, bei denen wie in Deutschland nur ein Fall oder Fälle zu lösen sind, sind eher untypisch, nicht jedoch ausgeschlossen. Einzig meine School Law Klausur war eine reine Falllösungsklausur. In manchen Kursen gab es außerdem keine Abschlussklausur, sondern es mussten im Laufe des Semesters Reflection Papers und Essays geschrieben oder ein Study Journal geführt werden.
Mein Auslandsstudium endete am 12.05.2024 mit der Commencement Ceremony, bei der wir – in Cap und Gown gekleidet – auf der Bühne unseren Academic Hood umgehangen bekamen und den Abschluss unseres Studiums in den USA feiern konnten. Wir bekamen sogar eine Mappe für das Diploma – obwohl wir natürlich den Abschluss erst einmal noch gar nicht erhalten können.
Alltag und Freizeit
Der öffentliche Nahverkehr in Chicago ist für US-Verhältnisse relativ gut. Es gibt die „L“, das Metronetz Chicagos, das überwiegend auf Hochbahnviadukten sowie im Stadtzentrum teils unterirdisch (im Fall der Red und Blue Line) verläuft. Von dieser Bahn hat das Stadtzentrum „Loop“ auch seinen Namen – im Stadtzentrum fahren die Bahnen auf erhöhten Schienen über den Straßen eine Schleife um den Kern der Innenstadt. Während der Vorlesungszeit kann man mit dem U-Pass der Uni die Bahn sowie die Busse kostenlos nutzen. Außerhalb dessen lohnt es sich auf seine Ventra-Card Wochen- oder Monatstickets zu laden. Busse und Bahnen fahren relativ regelmäßig und in der Stadt können so alle Ziele erreicht werden. Möchte man jedoch in den Vororten mobil sein oder plant Unternehmungen im Umland, kommt man mit diesen Verkehrsmitteln und dem Ergänzenden METRA-System relativ schnell an seine Grenzen. Dann lohnt es sich – insbesondere wenn man in einer Gruppe unterwegs ist – ein Auto zu mieten. Mit dem Auto haben wir zum Beispiel den Starved Rock State Park besucht, waren im Freizeitpark Six Flags (zur Halloweenzeit insbesondere am Abend ein besonderes Erlebnis), haben einen Herbstausflug zu einem Pumpkin Patch und Maislabyrinth gemacht, waren in Indianapolis und sind sogar bis zu den Niagarafällen und nach Toronto gefahren.
Als drittgrößte Stadt der USA hat Chicago selbst aber auch sehr viel zu bieten. Im Sommer gibt es an verschiedenen Orten der Stadt (z.B. im Millennium Park) kostenlose Outdoor Workout Classes, Konzerte und Filme. Am Navy Pier gibt es zu verschiedenen Anlässen und Jahreszeiten große Feuerwerke. Wer an Museen und Galerien interessiert ist, kann an mehreren Tagen im Monat kostenlosen Eintritt bekommen. Bei vielen Kulturveranstaltungen gibt es außerdem für Studierende Ermäßigungen. Nicht verpassen sollte man zudem eine Broadway in Chicago Show – ich war beispielsweise bei Hamilton – oder zu Weihnachten die Darbietung des Nussknackers vom Joffrey Ballet. Lohnenswert ist auch der Besuch von Sportveranstaltungen. Selbst wenn man eher weniger sportbegeistert ist, ist die Atmosphäre bei Sportveranstaltungen in den USA einfach ansteckend. Auch hier gibt es für Studierende ermäßigte Tickets, über die man nach entsprechender Anmeldung ein paar Tage vor dem Spiel per SMS informiert wird. Empfehlenswert ist außerdem eine Architecture Cruise auf dem Chicago River oder der Besuch einer Aussichtsplattform, von der man die gesamte Stadt überblicken kann. Ein Muss sind außerdem Besuche des Weihnachtsmarkts und Oktoberfests.
Wenn man mal Ruhe vom Großstadttrubel in Chicago möchte, gibt es auch da gut erreichbare Möglichkeiten. In der Nähe meiner Wohnung war ich häufiger im Ping Tom Memorial Park, von dem man eine gute Südsicht auf die Skyline hat. Am liebsten war ich jedoch auf dem Museum Campus spazieren. Dort ist es wirklich verhältnismäßig ruhig, sehr grün und man ist direkt am Lake Michigan. Wenn man am Museum Campus bis zum Adler Planetarium läuft, hat man außerdem die wie ich finde beste Sicht auf die Skyline. Läuft man von dort südlich, kommt man auf eine Halbinsel, die ein Naturschutzgebiet in der Stadt beherbergt. Natürlich lohnt sich auch ein Ausflug in den Lincoln Park. Auch gut zum spazieren geeignet, aber deutlich belebter, ist der Riverwalk. Möchte man Chicago mal komplett verlassen, ist das außerdem über einen der beiden Flughäfen
möglich. Ich hatte die Möglichkeit, nach Miami, in den Pazifischen Nordwesten nach Portland und Seattle und an die Ostküste nach Washington D.C. und New York zu reisen. Dort habe ich außerdem Bus- und Zugreisen in den USA austesten können: Von Portland nach Seattle bin ich Amtrak gefahren und von Washington D.C. nach New York mit dem Flixbus.
Fazit
Wie eingangs erwähnt möchte ich die Erfahrungen, die in den vergangenen zwei Semestern gesammelt habe, keinesfalls missen und kann nur jedem ans Herz legen, sich für ein Auslandssemester zu entscheiden. Für Fragen zum Auslandsaufenthalt in Chicago vermittelt das Internationale Büro gern meine E-Mail Adresse.