- Universidad Nacional de Córdoba
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In Córdoba leben
Die Córdobeses sind in Argentinien für ihre Offenheit, Hilfsbereitschaft und ihren Humor bekannt und ich habe sie genauso kennengelernt. Nach Buenos Aires ist Córdoba der beliebteste Studienort, was dazu führt, dass die Stadt sehr jung, divers und belebt ist. Es gibt viele grüne Orte (seien es Parks oder Plätze mitten in der Stadt, die sich nachmittags mit Mate-trinkenden Gruppen füllen), ein großes Kulturangebot und vieles in der unmittelbaren Umgebung, das sich an den Wochenenden zu bereisen lohnt.
Bis vor kurzem waren die Lebenshaltungskosten noch sehr gering im Vergleich zu Deutschland. Seit dem Amtseintritt des neuen Präsidenten sind die Preise für Essen und Reisen (ausgenommen der Norden Argentiniens) ca. auf dasselbe Niveau gestiegen. Die Wohnkosten liegen zumindest in Córdoba noch etwas unter dem deutschen Durchschnitt. Für ein Zimmer in einer Residenz oder einer WG zahlt man zwischen 200-300 Euro im Monat. Das Preisniveau in Supermärkten ist bei gewissen Produkten (Milchprodukte, Ersatzprodukte wie Hafer-/Mandelmilch sowie einiges in der Drogerie) über dem europäischen Niveau.
Ich hatte Glück mit meiner vorzeitigen WG-Suche (ich habe bereits aus Deutschland über AirBnB eine WG für die gesamte Zeit gefunden), kann es aber auch empfehlen, zunächst für ein paar Wochen in einem Hostel oder einem AirBnB unterzukommen und von dort aus etwas langfristiges zu suchen (z.B. über Kommiliton*innen, Facebook, Instagram und internationale Studis, die schon länger da sind). Eine schöne und v.a. sichere Gegend ist Nueva Córdoba, die den Vorteil hat direkt an den Campus zu grenzen. Ansonsten sind Güemes, Centro und General Paz auch nette und relativ sichere Viertel, in denen man gut wohnen kann.
Der innere Stadtkern ist nicht besonders groß, so dass fast alle wichtigen Orte in unter 30 Minuten fußläufig zu erreichen sind. Da es manchmal schneller gehen muss empfiehlt es sich in den ersten Tagen eine Busnetz-Karte (Tarjeta Red-Bus) in einem Kiosk zu kaufen und aufzuladen, nur so können die zahlreichen Busse genutzt werden (der Ticketpreis liegt momentan bei ca. 0,5 Euro). Zudem gibt es ein relativ neues öffentliches Fahrrad-Leihsystem (Bici CBA), das bisher zwar nur in einem begrenzten Radius genutzt werden kann, doch dieser schließt die Strecke zwischen Campus und Zentrum ein, was gerade bei entsprechender Wohnlagesehr nützlich sein kann.
In Córdoba studieren
Der Uni-Campus (Ciudad Universitaria) ist schön, sehr weitläufig und wie ein Park angelegt. Jede Fakultät hat ihr eigenes Gebäude, zudem gibt es allgemeine Vorlesungssäle in separaten Gebäuden, die von allen Fakultäten genutzt werden.
Ich habe Kurse sowohl im Fach Soziologie wie im Bereich Politikwissenschaft belegt. Bei der Kurswahl (und der Anrechnung der Module im Nachhinein) ist zu beachten, dass die Materias jeweils aus Theorie- und Praxisstunden zusammengesetzt sind, weshalb die wöchentliche Präsenzzeit ca. doppelt so hoch ist wie in Jena. Auch der Aufwand (Vor- und Nachbereitung der Sitzungen, Volumen der Texte) ist entsprechend höher. Insgesamt würde ich in jedem Fall nicht empfehlen mehr als vier Kurse zu besuchen (insbesondere, wenn man parallel noch einen wöchentlichen Sprachkurs absolviert). Wenn die Studienplanung es zulässt, sind drei Kurse ideal, so zumindest meine Erfahrung.
Interessant für die Orientierung und Kurswahl ist auch der Aufbau der Studiengänge PoWi und Soziologie: Das Grundstudium bzw. die ersten drei Jahre werden gemeinsam absolviert, danach wählen die Studierenden ein Fach, dass sie zu Ende studieren. Das vierte Jahr ist der Spezialisierung im jeweiligen Fach gewidmet, Kurse des fünften Jahres sind auf das Abschlussprojekt ausgerichtet.
Inhaltlich war das Auslandssemester für mich sehr bereichernd. Insgesamt werden an der UNC auch spannende Kurse angeboten, die sich auf Argentinien im Speziellen oder Lateinamerika im Allgemeinen als Kontext beziehen (Geschichte, Sozialstrukturanalyse, Sozialer Wandel, Entwicklung der Politiktheorie, usw.) und Inhalte behandeln, die an europäischen Universitäten nicht gelehrt werden. Ich habe die Zusammenarbeit mit Kommiliton*innen sehr genossen und habe vor allem in Gruppenarbeiten von dem internationalen fachlichen Austausch profitiert.
Die Semesterzeiten sind glücklicherweise so aufgeteilt, dass es in Jena auch ungefähr einem Semester entspricht, sodass man in seinem Studienplan nicht zurückfällt. Das Wintersemester beispielsweise ging bis Anfang August und so konnte ich nach Ende der Vorlesungsphase die Zeit nutzen und das wunderschöne Land bereisen.
Gute bis sehr gute Sprachkenntnisse sind Voraussetzung, da kaum jemand Englisch spricht und man im Alltag nur sehr selten darauf ausweichen kann. Entsprechend wurde in der Uni ausschließlich auf Spanisch gelehrt, gelesen und es wurde im Unterricht keinerlei Rücksicht auf Sprach- und Verständnisschwierigkeiten genommen. Es wird grundsätzlich per Hand mitgeschrieben, da es nicht üblich und auch nicht empfohlen ist, einen Laptop mit in die Universität zu nehmen.
Es ist nicht leicht, sich anhand von Vorlesungsverzeichnis oder Kursplänen in den Modalitäten des Prüfungssystems zurechtzufinden. Ich denke, dass dies von Fach zu Fach auch unterschiedlich sein kann, aber in meinem Fall war es so: In jedem Kurs wird nach ca. zwei Dritteln der Vorlesungszeit jeweils eine Theorieprüfung (meistens schriftlich in Klausurform, individuell) und eine Praxisprüfung (variiert in der Form, z.B. Verfassen einer Analyse, eines Essays oder einer Rezension, Referat, teils in Gruppenarbeit) absolviert – das zusammen bildet die Zwischenprüfung. Zwei bis drei Wochen nach dem Ende der Vorlesungszeit finden dann die Abschlussprüfungen statt, die wieder zweigeteilt sind. Bei sehr gutem Abschneiden in den Zwischenprüfungen (in beiden Prüfungsteilen die Note 8 oder höher – ggf. auch erst in einer Nachprüfung) gibt es die Möglichkeit, von den Abschlussprüfungen befreit zu sein. Insgesamt lohnt es sich immer, die Dozierenden anzusprechen, sich alle Abläufe in den unterschiedlichen Kursen genau erklären zu lassen und ggf. Schreibzeitverlängerungen oder alternative Modalitäten zu besprechen.
Eine Woche mitten im Semester (Ende Mai bzw. Ende September) finden Nachholprüfungen aus dem letzten Semester statt. Das bedeutet, dass internationale Studis frei haben – es lohnt sich sehr die Zeit für eine Reise zu nutzen, da Argentinien unfassbar groß ist und sehr viel zu bieten hat.
Da ich argentinische Staatsbürgerin bin, musste ich mich nicht um ein Visum oder den nachträglichen Erwerb von Sprachzertifikaten kümmern, diese Angelegenheiten schienen jedoch bei den anderen Austauschstudent*innen relativ viel Zeit und Aufwand (v.a. in den ersten Wochen) zu bedeuten. Die Mitarbeiter*innen im Sekretariat für internationale Beziehungen sind sehr freundlich und in allen organisatorischen Angelegenheiten unterstützend beiseite.
Zum Rahmen meines Aufenthalts (und sicherlich auch der folgenden) gehört auch die schwierige Situation der öffentlichen Universitäten in Argentinien seit dem Amtsantritt des rechtslibertären Präsidenten Milei im Dezember letzten Jahres. Durch die gezielte Unterfinanzierung der öffentlichen Universitäten und Forschungseinrichtungen steht das weiterführende Bildungssystem ernsthaft auf dem Spiel. Seit Anfang des Jahres wurden beispielsweise immer wieder notgedrungen Anpassungsstrategien wie Vorlesungen im Dunkeln umgesetzt, um Strom zu sparen. Zum organisierten Widerstand seitens der Universitätsangestellt*innen, Professor*innen und Studis zählen Aktionen wie Public Lectures, zahlreiche Streiks und große Demonstrationen. Die Lage ist weiterhin so ernst, dass einige Abschlussprüfungen sowie der Start des kommenden Semesters seitens der Dozierenden bestreikt wird.