- Universidad Nacional de Córdoba
Meldung vom:
Paula, Bachelor Psychologie
Organisatorische Tipps und Hinweise
Bevor ich ausführlichere (Uni-)Erfahrungen teile, möchte ich zusammenfassen, welche Hinweise ich für die Wohnungssuche und andere organisatorische Dinge geben kann:
Wohnen
Ich habe keine Wohnung von Deutschland aus gesucht. Ich kenne aber Leute, die das gemacht haben, vor allem über AirBnB. Über AirBnB findet man sowohl Wohnungen zum alleine wohnen als auch Art-WGs. Man kann die AirBnB-Hosts auch anschreiben und nach einem anderen Preis für einige Monate fragen. In Argentinien läuft Wohnungen suchen auch oft über Facebook und Whatsapp, ich rate also mal nach Facebook Gruppen mit Namen wie „Alquileres Córdoba Centro“ oder „Departamentos Compartidos Nva Cba“ zu suchen. Oft kommt man von einer Gruppe dann zur anderen und kann dort Mitbewohnis (genannt „Roomies“), Wohnungen oder WGs suchen. Außerdem gibt es viele (Studi-)Wohnheime, die „Residencias“ heißen und nicht zwingend von der Uni aus betrieben sind, sondern meisten von Privatpersonen, Vereinen etc. (z.B. „Casa Cambio Córdoba“). Um solche zu finden und nach einem Zimmer zu fragen könnte man z.B. bei Google Maps oder Google nach „Residencias“ suchen und dann die Betreiber*innen über Whatsapp schreiben. In Residencias werden sich oft aber nicht immer Zimmer mit einer oder mehreren Personen geteilt. Ich habe gute und schlechte Erfahrungen von und mit Residencias gehört und gemacht, es kommt also sehr auf die Unterkunft drauf an. Außerdem wurde mir von einer Website erzählt, die RoomGo heißt und auf der man vor allem WGs finden kann. Scheint aber nicht allzu weit verbreitet zu sein.
Von der Lage her empfehle ich Nueva Córdoba, alles um die Uni herum oder Güemes. Das Zentrum oder bis nach Alberdi ist auch gut. Je zentraler, desto teuerer, aber dann ist auch alles entspannt fußläufig erreichbar und vor allem sehr sicher und man kann auch nachts alleine nach Hause laufen, weil an jeder zweiten Ecke Polizei steht und/oder viele Menschen noch unterwegs sind (stand 2024).
Der Preis für eine Wohnung oder ein Zimmer kann sehr unterschiedlich sein. Gute, schöne Wohnungen kosten fast so viel wie bei uns in Jena, aber wenn man nicht sehr hohe Ansprüche oder Glück hat kann man bei der Miete ordentlich sparen im Vergleich zu Jena.
Ich persönlich bin erstmal ein paar Tage in einem Hostel angekommen, bin dann für einen ganzen Monat in diesem Hostel / dieser Residencia geblieben, wo viele Argentinier*innen übergangsweise gewohnt haben. Dann bin ich in ein International-Haus gezogen (findet man zB bei Instagram und Facebook als Cordoba Nomade) um dann schlussendlich in eine WG zu ziehen, die ich über Freund*innen und AirBnB gefunden habe. Rückblickend würde ich mir lieber schneller etwas zum schnell wohlfühlen suchen. Ich habe in keinem der Optionen mehr als 210€ Miete gezahlt.
Geldsituation
Wenn ihr nach Argentinien fahrt, braucht ihr zwar meiner Erfahrung nach nicht mal eine Kreditkarte, ich würde es für alle Fälle und für z.B. Automietung aber empfehlen. Ich habe Bargeld immer über WesternUnion besorgt. Dort ist der Euro-Peso Kurs meistens besser als per Bankabhebung und wenn ihr euch immer mal wieder ein neues Konto mit einer neuen E-mailadresse erstellt, müsst ihr auch nicht (so oft) die Gebühren von 5-10€ bezahlen. In Argentinien zahlt man so ziemlich alles und überall in Bar, da man mit Karte 5-20% draufzahlt. Durch die hohe Inflation tun das Geschäfte, um keine Verluste durch verspätete Kreditkartenabrechnungen zu erleiden. Preise in Argentinien sind, je nachdem um was es geht, etwas günstiger oder gleich teuer wie in Deutschland. Vor allem Dienstleistungen sind deutlich günstiger und alle Importgüter sind deutlich teurer oder es gibt sie einfach nicht zu kaufen.
Visum
Ihr braucht für Argentinien kein Visum um einzureisen (Deutsche Staatsbürger*innen), sondern könnt mit dem Tourist*innenvisum einreisen. Die UNC (Universidad Nacional de Córdoba) verlangt allerdings, dass ihr euch um ein Studi Visum kümmert. Ich empfehle euch, das nicht schon in Deutschland zu machen, sondern in Argentinien um euch wahrscheinlich sehr viel Geld zu sparen: also ganz entspannt ankommen und euch dann vom internationalen Büro beim Migrationsprozess helfen lassen.
Impfungen und Gesundheit
Die UNC verlangt, dass ihr eine Auslandskrankenversicherung abschließt, was auch sinnvoll, aber aufgrund von Argentiniens (noch) kostenlosem Versorgungssystem nichtmal notwendig wäre. Informiert euch vor Ausreise über eine Dengue-Fieber Impfung: als ich dort war, gab es eine Dengue-Epidemie und die Krankheit macht wohl echt keinen Spaß. Die Impfung ist recht neu und daher noch nicht weit verbreitet, aber es ist auf jeden Fall eine Überlegung wert sich vorher schon impfen zu lassen. In Córdoba direkt ist kein Gelbfiebergebiet, allerdings geht das Risiko für eine Gelbfiebererkrankung ab den Iguazu Wasserfällen los, also überlegt vorher grob wo ihr vielleicht hinreisen wollt. Zur Not kriegt ihr diese Impfung aber bestimmt auch in Argentinien.
Sprache
Die Uni fordert sowieso, dass ihr ein gewisses Niveau an Spanisch beherrscht, aber auch in eurer Freizeit und im normalen Stadtalltag werdet ihr sehr wenige Leute finden, die Englisch reden und seid auf Spanisch angewiesen. Ihr müsst für die UNC Niveau B1 nachweisen, aber ihr könnt auch noch in Argentinien an einem Kurs teilnehmen um auf dieses Niveau zu kommen bzw. das Zertifikat zu absolvieren. Das ist günstig und angeblich ganz cool, wenn ihr rechtzeitig in Argentinien seid, um an dem „Pecla-Kurs“ vor Kursbeginn teilzunehmen und angeblich sehr schrecklich, wenn ihr nicht rechtzeitig da seid und dann während des Semesters einmal die Woche Spanischkurs habt. Ich persönlich habe mein Zertifikat in einer Prüfung für 15€ bei der Uni Jena ohne Kurs absolviert und war sehr froh über meine Wahl.
Erfahrungen mit Universitätsbezug
Ankommen in einem neuen Umfeld ist immer schwierig und umso erleichternder ist es zu merken, dass man im Rahmen einer Institution, in diesem Fall der UNC, aufgefangen und begleitet wird. Am ersten Werktag meiner Zeit in Córdoba bin ich zu meinem Termin beim internationalen Büro (PRI) gegangen und wurde warm und freundlich empfangen und beim Einleiten meines Migrationsprozesses fürs Visum begleitet. Auch in der Fakultät Sozialwissenschaften gab es ein Willkommenstreffen mit der Koordinatorin der Austauschstudierenden. Die bürokratieärmere und offenere Kultur der Argentinier erleichterte sowohl die Wahl meiner Kurse als auch den Migrationsprozess, um das vorübergehende Visum zu beantragen. Ich wünsche ausländischen Studierenden in Deutschland, dass sie es auch so leicht haben, befürchte aber, dass das nicht der Fall ist. Nach einigen problemlosen Wechseln von meinen Kursen, hatte ich meine Kurswahl und meinen Stundenplan feststehen: mit „politische Prozesse Lateinamerikas“ ein Kurs aus der Fakultät der Sozial- und Politikwissenschaften und mit „klinische Sexologie mit pro-gender Perspektive“, „Massenpsychologie und Medien der Kommunikation“ und „bewaffnete Konflikte und Friedenskonstruktion“ drei Kurse aus der Fakultät der Psychologie. Ich war begeistert von der Auswahl an Psychologie-Kursen, die im Vergleich zu deutscher Psychologiestudiumserfahrung eine recht kritische und alternative Perspektive erlauben. Die Kurse der Soziologie sind durch die recht neue und eher kleinere Fakultät nicht so zahlreich und interessant wie Soziolog*innen aus Jena gewohnt sind.
Bei den Lehrveranstaltung fiel mir auf, dass ich die Autoritätskluft zwischen Lehrperson und Studierenden in Córdoba deutlich kleiner wahrnahm als in Jena. Studierende wurden mehr dazu angeregt eigene Redebeiträge und Fragen zu äußern und taten dies auch ohne Scham und ohne dazu aufgerufen worden zu sein. Die kleineren Hörsääle, das Mate trinken während der Veranstaltungen und das „miteinander reden“ statt nur Frontalvortrag schaffte eine sehr angenehme Atmosphäre.
Thematisch fand ich sehr interessant, dass besonders in dem Politikwissenschaften-Kurs häufig über den Eurozentrismus der internationalen Wissenschaft geredet wurde. Das Lehren und die Wissenschaftsperspektive der Psychologie, die ich in Jena gelernt habe, hat höchstens Mal erwähnt, dass bestimmte westliche Erkenntnisse in Kulturen des globalen Südens anders wirken können als in westlichen Kulturen. Doch Studien, Experimente und Theorien sind und bleiben eurozentristisch und oft, ohne dies zu reflektieren. Die Lehre in Córdoba hingegen lehrt zwei Perspektiven: die international anerkannte eurozentristische Perspektive, um diese dann häufig kritisch zu betrachten und sie um die Perspektive des globalen Südens zu erweitern.
Das „cuatrimestre“ ist so aufgebaut: Offiziell losgehen tut es Anfang März, doch die Kurse beginnen eher Ende März. So ab Mai beginnen die ersten Gruppenarbeitsabgaben und erste „parciales“- kleine Klausuren. Die „hotte Phase“ ist im Juni und wenn man die Monate über alle Gruppenabgaben und Klausuren mitgemacht und bestanden hat, ist man dann Ende Juni auch schon fertig. Wenn nicht, muss man noch ein paar Klausurschleifen ziehen bis Mitte-Ende Juli.
Erfahrung außerhalb der Universität
Meine Erfahrung mit Argentinier*innen ist, dass sie super offene und herzliche Menschen sind, die schnell auf einen zukommen und mit offenen Armen empfangen. Da könnte sich die deutsche Kultur eine Scheibe von Abschneiden. Die wirtschaftliche Situation in Argentinien ist schon seit mehr als 20 Jahren sehr schwierig und Geld ist ein Dauerthema in Uni, Freund*innenschaften und im Gemüsemarkt von gegenüber. Du wirst für deine stabile Währung beneidet werden und dich wahrscheinlich schrecklich damit fühlen, obwohl kein*e Argentinier*in beabsichtigt, dass du dich schuldig oder schlecht dafür fühlst.
Ich habe Argentinien als Land mit vielen Problemen, aber auch großem Willem der aktiven Teilhabe der Bevölkerung wahrgenommen. Während meiner Zeit in Córdoba gab es drei große Demonstrationen, an denen ich Teilhaben durfte. Eine davon lief unter dem Thema „retten wir die kostenlose Bildung“, bei der die Lehrkräfte, Uni-Mitarbeiter*innen und Studierende gemeinsam auf die Straße gingen, um auf die massiven materiellen Kürzungen in der Universität aufmerksam zu machen. Abgesehen davon gab es auch viele Streiktage der Lehrpersonen, da ihr Gehalt unter der neuen Regierung von Javier Milei inakzeptabel niedrig geworden ist, sowie staatlich finanzierte Forschungsprojekte auf Eis gelegt worden sind. So beeindruckend ich an Argentinien das kostenlose Bildungssystem, das kostenlose Gesundheitssystem und weitere staatlich finanzierte Sozialhilfen finde, so traurig und wütend macht es zu sehen, dass diese Systeme möglicherweise Dinge der Vergangenheit werden unter einem neuen rechten und anarcho-liberalen Präsidenten. Ich werde die fröhlich-friedliche-feierliche und doch wütende Stimmung, die Kreativität und die Energie der Protestzüge nicht vergessen und möchte versuchen, etwas davon in meiner freizeit-politischen Arbeit in Deutschland und bei Streiks zu verbreiten.
Wenn ihr Argentinien als Ort für euer Auslandssemester wählt, informiert euch vorher über die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage. Denn das kann nicht nur logischerweise Auswirkungen auf die Stimmung unter den Leuten und eure Lebensqualität haben, sondern auch darauf, ob und wieviel ihr zur Uni gehen könnt. Bei mir gab es schon viele Streiktage und für das Folgesemester wurde ein Totalstreik angekündigt. Das betrifft voraussichtlich eher die kämpferischen Fakultäten wie die Sozial- und Politikwissenschaften, wo die Studis fürchten müssen gar keine Kurse absolvieren zu können.
Wenn ihr weitere Fragen habt, schreibt mir einfach eine Mail. Meine Emailadresse vermittelt das Internationale Büro.
Viel Spaß!