- Universidad de Buenos Aires
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Die Kommunikation mit der für mich zuständigen Fakultät der UBA (Universidad de Buenos Aires) war leider nicht besonders gut. Auch auf konkrete Nachfragen meinerseits wurde mir nicht so weitergeholfen, wie ich das gehofft hatte, und in mehrere Mail-Verteiler der von mir belegten Kurse hatte man mich wohl aus Versehen nicht aufgenommen, sodass ich wichtige Infos nicht erhielt und für mich alles noch ein bisschen chaotischer wurde. Ich muss hier aber zwei Dinge anmerken: Erstens hatten die Uni-Angestellten wirklich keine leichte Zeit, da man wegen der neuen Regierung (Javier Milei...) nicht wusste, für wie viele Monate die finanziellen Mittel der UBA noch ausreichen würden, um den Normalbetrieb aufrecht zu erhalten. Zweitens bezieht sich meine Erfahrung auf den Master-Bereich der Sozialwissenschaften; dieser ist völlig abgetrennt von anderen Fakultäten und sogar von den Bachelor-Studiengängen der Sozialwissenschaften. Ich weiß von meiner „Nachfolgerin“ an der UBA, dass sie als Bachelor-Austauschstudentin viele Infos bekommen hat und zum Beispiel auch über die Orientierungsveranstaltung für Internationals informiert wurde, über deren Existenz mich einfach nie jemand hingewiesen hatte. Daraus ergibt sich ein weiterer Tipp von mir: Macht das Auslandssemester an der UBA schon im Bachelor, wenn es geht. Auch aus einem anderen Grund ist das sinnvoll: Der Master ist in Argentinien – anders als in Deutschland – eher als optionales Add-on zum Studium zu verstehen und viele studieren ihn berufsbegleitend (weshalb in manchen Mastern alle Kurse von 18 bis 22 Uhr stattfinden) und haben bereits ein bestehendes soziales Umfeld; so richtig Kennenlernstimmung kam da nicht auf und ich fand es sehr schwer, Kontakte zu knüpfen. (Extrovertiertere und kontaktfreudigere Leute könnten da sicher ganz andere Erfahrungen machen.) Der Draht zu den Profs war aber unglaublich gut: Besonders im Master ist die Stimmung sehr locker, die Profs trinken mit den Studis zusammen Mate (quasi das Nationalgetränk) und man kann die Profs alles fragen – wenn man sich das auf Spanisch zutraut. Hier sei noch erwähnt, dass das argentinische Spanisch anders ist als das vieler anderer Länder; das beschränkt sich nicht nur auf Vokabeln, sondern bezieht sich auch auf die Grammatik: „tú“ ist in Argentinien „vos“ und Verben werden in dieser Form auch etwas anders konjugiert. Es lohnt sich also, vorher zu recherchieren und/oder ein paar argentinische Filme zu gucken. Spanischkenntnisse sind für die Seminare unbedingt notwendig, mit Englisch kommt man allgemein nicht weit.
Um noch weitere Menschen kennenzulernen, habe ich einen Yoga-, einen Töpfer- und einen Buchbindekurs besucht. Das geht in Buenos Aires sehr gut, weil solche „tallers“ nicht sehr teuer sind: Der teuerste war der Töpferkurs, bei dem ich für monatlich vier bis fünf Einheiten á 2,5 Stunden umgerechnet nur etwa 40 € bezahlt habe. Außerdem nehmen an diesen Kursen wirklich viele unterschiedliche Menschen teil, die ganz unterschiedlichen Alters waren und verschiedenste Berufe hatten.
Ansonsten sind die Lebenshaltungskosten fast so hoch wie in Deutschland. Glücklicherweise lässt sich fast alles mit Kreditkarte bezahlen, da es etwas kompliziert oder sehr teuer ist, an Bargeld zu kommen – und es außerdem etwas nervig wäre, mit Bargeld-Bündeln durch die Gegend zu laufen. Argentinien steckt seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten, in einer schweren Wirtschaftskrise und die Inflationsrate liegt bei über 250 % im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Armut ist in Buenos Aires allgegenwärtig: Obdachlose, die am Rand der Gehwege schlafen; Bettler:innen vor den Supermärkten; Menschen – nicht selten ganze Familien –, die in Müllcontainern nach Essbarem oder anderweitig Wertvollem suchen. Unsicher fühlen muss man sich deshalb nicht wirklich und auch spätabends sind noch so viele Leute unterwegs, sodass man sich gut durch die Stadt bewegen kann. Klar, so sicher wie in Jena ist es nicht, die südlicheren Viertel sollte man meiden, das Handy immer gut festhalten und Wertsachen nicht allzu sehr zur Schau stellen. Wirklich unsicher habe ich mich vor allem wegen der Mücken gefühlt, derentwegen es vor allem im März und April viele Fälle von Dengue-Fieber gab, weshalb man auf jeden Fall aus Deutschland Anti-Mücken-Spray mitbringen sollte (das in Argentinien oft ausverkauft ist).
Parallel zur Armut existiert in der Stadt auch unglaublicher Reichtum, was sich zum Beispiel im schicken Hafenviertel, an den vielen großen Autos und den mit Portiers, Marmorvertäfelungen und teilweise mit Elektrozäunen (!) ausgestatteten Wohngebäuden in den nördlichen Vierteln zeigt. Gerade diese sozialen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zu sehen und sie auch mit dem noch größeren und alltäglichen Reichtum in Deutschland zu vergleichen, hat mich sehr geprägt und für die Privilegien des Globalen Nordens sensibilisiert. Allein schon dafür hat sich das Auslandssemester gelohnt.
Buenos Aires und Argentinien haben aber auch viele tolle Sehenswürdigkeiten und fantastische, unglaublich vielfältige Landschaften zu bieten: In Buenos Aires sind das zum Beispiel viele historische Gebäude mit unglaublich interessanter, geschichtsträchtiger und pompöser Architektur, Denkmäler noch und nöcher, ein toller Botanischer Garten, Friedhöfe, Theater und so weiter und so fort. Im Norden des Landes gibt es tropische Wasserfälle, im Westen die Anden und Nationalparks mit beeindruckenden Wüstenlandschaften und Felsformationen, ganz im Süden Gletscher. Argentinien hat ein gut ausgebautes und in Relation zu den zurückzulegenden Entfernungen recht günstiges Fernbusnetz, innerhalb der größeren Städte kann man sich super und sehr billig mit dem ÖPNV fortbewegen.
Auch aufgrund der langen Einwanderungsgeschichte ist Argentinien – und vor allem Buenos Aires – unglaublich vielfältig und reich an unterschiedlichen Lebensgeschichten. Auch für’s Feiern gibt es überaus viele Möglichkeiten und Orte. Argentinier:innen sind allgemein sehr herzlich und gastfreundlich und wer das will, kann sich in ein Schwätzchen mit dem Kassierer, der Sitznachbarin in der U-Bahn oder der Kellnerin im Café verwickeln lassen. Ohnehin Café: Das ist als lernende Studentin in Buenos Aires der Place to be und bietet sehr leckere süße Teigwaren als Motivationshilfe. Die lebendige Cafékultur im Land hat mir wirklich sehr gut gefallen und so manchen Tag versüßt.
Ich habe mich damals für Buenos Aires entschieden, weil ich ein paar Bekannte dort hatte. Diese Kontakte haben mir sehr, sehr viel gebracht, denn auch wenn ich im Endeffekt nicht viel Zeit mit ihnen verbringen konnte, konnten sie doch Fragen klären wie: Wie fahre ich Bus? Wo komme ich an eine SIM-Karte? Bis wann ist es draußen sicher? Wo sollte ich wohnen, welche Viertel sollte ich meiden? Wer sich entscheidet, nach Buenos Aires zu gehen und vorher noch nie dort war, sollte auf jeden Fall mit jemandem reden, der/die sich dort etwas auskennt. Also schreibt mir gerne. Meine Mailadresse vermittelt das Internationale Büro.
Fazit: Das Studium und Leben in Buenos Aires war eine Herausforderung, aber vor allem eine gute und schöne Erfahrung, die ich nicht missen möchte.