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Meldung vom: | Verfasser/in: Carolin Hegner/Axel Burchardt
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Die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg haben aufgrund der Resultate der AfD politisch für Erdbeben gesorgt. Noch immer laufen die Sondierungsgespräche zur zukünftigen Regierungsbildung. Eine interdisziplinäre Studie im Rahmen des NurtureDEMOS-Projekts der VolkswagenStiftung an der Universität Trier und des Zentrums für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration (KomRex) der Universität Jena hat Einstellungen und Wahlverhalten in den Ländern im Vorfeld der Landtagswahlen erfasst und analysiert. Die Studie bietet sowohl politikwissenschaftliche als auch psychologische Einblicke in die Krise der Demokratie.
Massives Misstrauen in Demokratie, Staat und Politik
Misstrauen in staatliche Institutionen ist bei Nichtwählerinnen und -wählern und an den politischen Rändern nichts Neues. Dass aber zwei Drittel dieser Gruppen angeben, sie hätten wenig oder gar kein Vertrauen in den Staat, zeigt, wie massiv das Misstrauen in diesem Teil der Bevölkerung ist. Der Stimmenanteil der AfD lag bei allen drei zurückliegenden Landtagswahlen bei etwa 30 Prozent, der Anteil der Nichtwählerinnen und Nichtwähler lag bei über 25 Prozent. Auch Wählerinnen und Wähler des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) sind misstrauisch: „Wählerinnen und Wähler von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken haben insgesamt gegenüber allen Institutionen – außer der Bundesregierung – mehr Vertrauen als Misstrauen. Das Gegenteil ist für AfD- und Nichtwählerinnen und -wähler der Fall. BSW-Wählerinnen und -wähler zeigen insbesondere gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein erhöhtes Misstrauen“, sagt Politikwissenschaftlerin Dr. Anna-Sophie Heinze von der Universität Trier.
Daneben zeigt die Studie aber noch eine weitere, direkte Gefahr für die Demokratie. Die AfD-Wählerschaft ist nicht nur kritisch gegenüber demokratischen Institutionen oder der aktuellen Ausgestaltung von Demokratie in Deutschland eingestellt. Sie lehnt zu einem bedeutsamen Anteil die Demokratie als Staatsform ab. „Dieses Ergebnis, das bereits im ARD-Deutschlandtrend zutage kam, zeigt das Voranschreiten der antidemokratischen Tendenzen innerhalb der Partei und ihrer Anhängerschaft“, analysiert das Befragungsteam. Die Gründe dafür sieht Prof. Dr. Eva Walther, die an der Universität Trier zur Psychologie der Rechtsradikalisierung forscht, nicht nur in subjektiv wahrgenommenen sozioökonomischen Nachteilen der AfD-Wählerinnen und Wähler: „Es gibt eine grundlegende starke Unzufriedenheit bei AfD-Wählerinnen und -Wählern, die sich auch in starken Emotionen wie Wut, aber auch Angst ausdrückt.“
Hohe Dynamik im Parteiensystem für Bundestagswahl 2025 erwartet
So deutet das Wahlverhalten in den ostdeutschen Bundesländern laut der Jena-Trierer Studie auf eine Stärkung der politischen Ränder und demokratiekritischer Kräfte hin. Im Unterschied zur Bundestagswahl 2021 zeigt sich, dass es eine größere Wählerbewegung von den etablierten Parteien hin zur AfD und auch zum neugegründeten BSW gab. In ostdeutschen Bundesländern ist die Bindung von Wählerinnen und Wählern an eine bestimmte Partei schon immer deutlich geringer als in den westdeutschen Bundesländern. Die aktuelle Studie zeigt jedoch, dass die AfD mittlerweile über den höchsten Stammwähleranteil verfügt. „Für die Bundestagswahl 2025 könnte das bedeuten, dass sich die AfD in Ostdeutschland zur Volkspartei aufschwingt. Dies wird zukünftige Regierungsbildungen weiter erschweren“, so Prof. Dr. Tobias Rothmund von der Universität Jena.
AfD-Regierungsbeteiligung?
Bei den Regierungsbildungen in den drei Bundesländern, in denen im Herbst gewählt wurde, ist noch kein Ende in Sicht. In der Studie von KomRex und Universität Trier zeigt sich, dass die Bevölkerung in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die Frage nach dem besten Koalitionspartner mit CDU beantwortet. Nur die AfD-Anhängerschaft sieht die AfD als Regierungspartner. Die Wählerinnen und Wähler aller anderen Parteien lehnen eine Koalition mit der AfD mehrheitlich ab. Die Ergebnisse der Sondierungsrunden werden zeigen, ob sich die Koalitionswünsche der Wählerschaft bei der anstehenden Regierungsbildung in den Bundesländern durchsetzen.