Interview mit Juniorprofessorin Anika Klafki zum Einsatz von Podcasts in der Hochschullehre
Dr. Anika Klafki erhielt 2018 eine Auszeichnung für ihr Lehrprojekt "Peer2Peer Lehrvideos" im Zuge des Wettbewerbs "Unseren Hochschulen" der Claussen-Simon-Stiftung. Dieser Wettbewerb fördert außergewöhnliche und herausragende Projekte an Hamburger Hochschulen. Vorschläge werden durch Studierende eingereicht. Schon früh in ihrer Karriere bringt sich Dr. Klafki in die Entwicklung digitaler Werkzeuge für die Hochschullehre ein. Seit Oktober 2019 ist sie Juniorprofessorin für Öffentliches Recht, insbesondere transnationales Verwaltungsrecht, an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und hat gleich in ihrem ersten Semester gemeinsam mit ihren Veranstaltungsteilnehmer/innen den Podcast fLAWless-Ein Podcast von Studierenden für Studierende entwickelt. Diesen kann man (in Kürze) sogar auf iTunes und auf Spotify abrufen.
Was ist ein Podcast und welche ‚future skills‘ erwerben die Studierenden, wenn sie Vorlesungsstoff in Form von Podcasts selbst aufbereiten?
Ein Podcast ist eine Serie von Audio- oder Videodateien, die sich über das Internet abonnieren lässt. Im Rahmen der Veranstaltung „Peer2Peer Podcast Verfassungsrecht“ haben die Studierenden Hörbeiträge zu aktuellen grundrechtsrelevanten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts produziert. Dabei hatten die Studierenden die schwierige Aufgabe, die sehr langen Urteile des Gerichts auf das Wesentliche herunterzubrechen, die Inhalte didaktisch aufzubereiten und die gerichtliche Beurteilung kritisch zu reflektieren. Sie erwerben durch die Beschäftigung mit examensrelevanten Urteilen nicht nur vertiefte Fachkenntnisse, sondern auch weitere Schlüsselkompetenzen, die in der juristischen Praxis von großer Bedeutung sind: Die Lehrveranstaltung fördert die Fähigkeit, im Team zu arbeiten, die Kompetenz, anderen schwierige Rechtsfragen kurz und knapp zu erklären, und rhetorische Fähigkeiten, die Hörfolge schwungvoll im Rahmen der Audioaufnahme zu präsentieren. Außerdem haben die Teilnehmenden der Veranstaltung auch medientechnische Kompetenzen in der Audioaufnahme und Nachproduktion hinzugewonnen.
Wie sieht die Umsetzung in der Lehrveranstaltung ganz konkret aus?
Die Veranstaltung "Peer2Peer Podcast Verfassungsrecht" folgt der Methode „Lernen durch Lehren“. Die Studierenden haben im Rahmen dieser Lehrveranstaltung zunächst gemeinsam mit mir ein Konzept für einen öffentlich verfügbaren Podcast für Jura-Studierende entworfen. Dabei ging es um Fragen wie den Namen des Podcasts, die Grundstruktur der Folgen, die Intromusik und vieles mehr. Die gleichberechtigt eingebrachten Vorschläge wurden diskutiert und mittels eines active audience response-Systems anonym abgestimmt. Anschließend hatten die Studierenden die Aufgabe, in Zweiergruppen mit meiner Unterstützung durch Literaturhinweise und Besprechungsangebote jeweils eine grundrechtliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem - dem Podcast-Konzept entsprechenden - Hörbeitrag von ca. 15 Minuten aufzubereiten. Dazu erarbeiteten die Teams zunächst ein Skript für ihre Hörfolge, das im Plenum besprochen und diskutiert wurde. Nach Überarbeitung des Skripts konnten die Teams nach Rücksprache mit mir ihre Hörfolge und mit Unterstützung von Tino Tschiesche im Multimediazentrum des Universitätsrechenzentrums aufnehmen und bei Bedarf audiotechnisch nachbearbeiten. Ich habe das Konzept auch auf dem E-learning-Tag der Uni Jena am 27. April 2020 vorgestellt. Auf der Homepage des E-Learning Tages wird die Präsentation demnächst für Interessierte verfügbar sein.
Auf welches Interesse stieß Ihr Lehrangebot bisher?
Ich war sehr positiv überrascht von dem Engagement der Studierenden. Man muss wissen, dass das Jurastudium mit dem Ziel des ersten juristischen Staatsexamens keine großen curricularen Spielräume lässt. Bei der Veranstaltung „Peer2Peer Podcast Verfassungsrecht“ handelte es sich daher um eine rein freiwillige Veranstaltung, für die die Studierenden außer der Teilnahmebescheinigung keinen Schein oder Punkte sammeln konnten. Dennoch haben 10 Personen die Veranstaltung belegt und die Mühe auf sich genommen, eine Hörfolge zu produzieren. Das hat mich sehr gefreut. Im abschließenden Feedback-Gespräch und der Evaluation der Veranstaltung haben die Teilnehmenden das Lehrformat sehr positiv bewertet.
Wie war der Betreuungsaufwand zu stemmen? Welche Unterstützung haben Sie von den zentralen Serviceeinrichtungen der Uni Jena erhalten?
Da die Zahl der Teilnehmenden überschaubar war, war der Betreuungsaufwand für mich nicht sehr hoch. Viel größer ist bei solchen neuen Lehrprojekten der administrative Aufwand, um den Stein ins Rollen zu bringen. Insbesondere für die Organisation der Aufnahmen der Hörfolgen und die Veröffentlichung des Podcasts war ich auf vielfältige Unterstützung der Verwaltung der Universität Jena angewiesen. Hierzu hatte ich neben der Verwaltung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, die mich sehr unterstützt hat, viel Kontakt mit dem Multimediazentrum, Servicestelle LehreLernen, der Digitalen Bibliothek Thüringen, der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena und der Hochschulkommunikation. Allen Beteiligten sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Ich bin begeistert von der tollen Unterstützung aller beteiligten Stellen. Auch die große Offenheit für dieses Pilotprojekt ist keine Selbstverständlichkeit. Besonderen Dank schulde ich Tino Tschiesche vom Multimediazentrum, der dieses Projekt durch seine unablässige tatkräftige Unterstützung überhaupt erst möglich gemacht hat.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Krise – wie können Lehrende Podcasts oder andere Instrumente als Mittel der digitalen Vermittlung von Wissen einsetzen und welche Tipps können Sie für die Umsetzung geben?
Podcasts eignen sich hervorragend, um Studierenden Wissen zu vermitteln. Einfacher ist es, reine Audio-Podcasts zu erstellen. Didaktisch wertvoller sind aus meiner Sicht aber kurze Videoeinheiten, da man hier einen zusätzlichen visuellen Lernanreiz bietet. Ganze Vorlesungen über internetbasierte Konferenztools anzubieten, halte ich für schwierig, da ich nicht gewährleisten kann, dass alle zu Hause eine Internetverbindung haben, die leistungsstark genug ist. Daher möchte ich den Studierenden im Zuge der Corona-Krise neben den kurzen Videolerneinheiten ausformulierte Skripten zur Verfügung stellen. Über ein Video-Konferenztool möchte ich dann gerne nur die Fragen der Studierenden mit ihnen besprechen.
Ich nutze für meine kurzen Videoeinheiten gerne Powerpoint-Präsentationen mit Piktogrammen und wichtigen Aufbauschemata, die ich dann durchklicke und bespreche (hier findet sich ein Beispiel zum InfektionsschutzrechtExterner Link). Man braucht dafür nur ein Screencast-Programm, das den eigenen Bildschirm abfilmt wie etwa Camtasia oder Screncast-O-Matic und ein separates Mikrophon. Um den Raumklang zu verbessern, hilft es, eine Wolldecke über den Schreibtisch zu legen. Ich versuche, meine Video-Folgen so zu konzipieren, dass sie eine Dauer von 15 Minuten nicht überschreiten. Schon in der Vorlesung, in der man ja einen echten Menschen vor sich hat, ist es für viele schwierig, die Konzentration aufrechtzuerhalten. Noch schwerer ist das, wenn der persönliche Kontakt wegfällt.
Schon im letzten Semester habe ich in einer Lehrveranstaltung, die viel Wissen aus dem Grundstudium voraussetzt, zur Vorbereitung auf die Vorlesung kurze Videoclips mit den „Basics“ zum jeweiligen Rechtsbereich auf Moodle zur Verfügung gestellt. Laut der Evaluation kam das bei den Studierenden sehr gut an. Auch die Klickzahlen waren hoch und ich hatte in der Veranstaltung das Gefühl, dass die Teilnehmenden besser mitgekommen sind.
Welche digitalen Werkzeuge möchten Sie persönlich zukünftig für Ihre Lehre einsetzen?
Ich möchte weiterhin mit kurzen Videoeinheiten zur Vorbereitung auf die Vorlesung arbeiten; freue mich aber auch schon sehr auf die Zeit, wenn wieder Präsenzveranstaltungen möglich sind! Es ist schwer, die Studierenden über digitale Werkzeuge aktiv zu beteiligen.
Gerne würde ich meine kurzen Lernvideos in Zukunft um kleine interaktive Elemente, wie etwa Quizfragen, ergänzen. Lernpsychologischen Studien zufolge wirkt sich das positiv auf die Aufnahmekapazität der Betrachterinnen und Betrachter von Lernfilmen aus. Leider gibt es derzeit an der Uni Jena noch kein geeignetes Programm dafür. Zwar bietet die open source Plattform „H5P“ entsprechende Möglichkeiten und eine Moodle-Schnittstelle an. Bislang scheitert die Implementierung in Jena aber wohl an datenschutzrechtlichen Bedenken. Das ist schade, denn ich habe in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen mit den H5P-Tools gemacht. Ich hoffe darauf, dass man eine Lösung für dieses Problem finden wird. Das Team von LehreLernen hat mir aber versichert, man arbeite bereits daran, so dass ich sehr zuversichtlich bin! Ich bin der ServiceStelle LehreLernen generell sehr dankbar für ihr Engagement für digitale Lehrformate. Die vielen Workshops ebenso wie die individuellen Beratungsangebote sind für mich sehr wertvoll!