Die Krise als Innovations-Katalysator für die digitale Lehre!? - Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik startet digitales Sommersemester

Newsletter Lehre 01 2020

Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik

Foto: Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik

Wir haben uns für das Sommersemester 2020 dazu entschlossen, alle universitären Veranstaltungen (Praktikumsanteile schulpraktischer und betriebspraktischer Studien ausgeschlossen) in einem digitalen Format anzubieten. Unser Lehrangebot für das Sommersemester umfasst dabei Vorlesungen, Übungen, Seminare und die Betreuung von Abschlussarbeiten (Bachelor, Master, Examen). Dies ist natürlich maßgeblich durch die aktuelle Corona-Krise begründet. Gleichzeitig sehen wir als Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik diese Situation jedoch auch als echte Chance um innovative, digitale Lehrformate zu konzipieren und erproben zu können. So können wir auch Hinweise auf Potenziale, Herausforderungen und Grenzen dieser Formate ausloten.

Unsere Motivation und unser Optimismus, ein digitales Sommersemester stemmen zu können, sind jedoch auch mit der Einschätzung verbunden, dass qualitativ hochwertige Lehre aus unserer Sicht des persönlichen Austausches, Diskurses und der Interaktion zwischen Studierenden (untereinander) und Lehrenden bedarf. Hier stoßen digitale Formate durchaus an ihre Grenzen. Daher sehen wir das aktuelle Semester als Experiment, das Hinweise auf digitale Ergänzungsformate unserer Lehre liefern kann, jedoch keinesfalls als Dauerformat angelegt sein kann.

Die Idee, ein durchweg digitales Sommersemester 2020 zu planen, kam relativ schnell auf. Mir als Lehrstuhlinhaberin war es aber wichtig, dass diese Umstellung vom gesamten Lehrendenteam mitgetragen wird und insbesondere in Bezug auf die je zu betreuenden Veranstaltungen auf Umsetzbarkeit überprüft wird. Zudem verfügte jede*r Mitarbeiter*in bereits über verschiedene Erfahrungen mit digitalen Lehrkonzepten oder brauchbaren digitalen Tools, kannten die (ständig wachsende) technische Infrastruktur der Fakultät und Universität etc. Deswegen haben wir in einem ersten Schritt gemeinsam ausgelotet, welche digitalen Potenziale unsere verschiedenen Formate bieten. Da sich zu diesem Zeitpunkt bereits alle Mitarbeiter*innen im Homeoffice befanden, galt es zunächst eine webKonferenz zur digitalen Lehre umzusetzen (zu diesem Zeitpunkt gelang dies noch problemlos über das DFN-Conftool).

  • Fragen, die wir uns gestellt haben, um das digitale Potenzial unserer Veranstaltungen auszuloten
    1. Welche Veranstaltungselemente können über einseitig-darbietende Formate angeboten werden? (z. B. Vorstellung des Veranstaltungskonzeptes, Inputsequenzen zu Vorlesungsinhalten etc.)
      1. Wie können wir gewährleisten, dass die Studierenden ihre Fragen, Problemstellungen etc. adressieren können? (digitales Begleitkonzept)
      2. Wie schaffen wir es, unsere Studierenden dazu zu motivieren, bei diesen Formaten aktiv mitzuarbeiten?
    2. Welche Veranstaltungselemente benötigen partizipative Formate (Nachfragen, Diskussion, gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten etc.?)
    3. Wie ermöglichen wir eine digitale Betreuung und Begleitung am Rande der Veranstaltungen? (Asynchrone Kommunikation (E-Mail, Kommentar etc.) oder synchrone Kommunikation (Chat, Anruf etc.)
    4. Benötigen wir alternative Prüfungsformate?
      1. Können diese ebenfalls digitalisiert erbracht werden (z. B. Präsentationsleistungen?)
      2. Können in Zeiten geschlossener Präsenzbibliotheken ausschließlich online zugängliche Quellen von den Studierenden herangezogen werden?

Da wir unser gesamtes Lehrangebot auf digitale Formate umstellen, nutzen wir (abgeleitet aus den oben formulierten Fragen) diverse Tool für unterschiedliche Zwecke.

  • Einseitig-darbietende Formate

    Für einseitig-darbietende Formate haben wir überwiegend darauf zurückgegriffen, Videos zu unseren Vorlesungsfolien zu drehen bzw. unseren Folien zu besprechen und den Bildschirm zu videografieren (Screencast). Hier haben wir auf die Software OBS Studio zurückgegriffen. Ebenfalls waren Tools zum Schneiden der Videos erforderlich (z. B. Shotcut). Für eine bessere Tonqualität eignet sich ein zusätzliches externes Mikrofon. Mitunter sind die Vorlesungsvideos sehr lang, schlechte Tonqualität kann hier schnell zur Ermüdung führen. Darüber hinaus haben wir in den Folienpräsentationen in PowerPoint mit den digitalen Laserpointern gearbeitet, damit die Studierenden nachvollziehen können, bei welchem Punkt wir uns gerade befinden, was wir nochmals hervorheben wollen etc.

  • webKonferenzen

    Für webKonferenzen haben wir Erfahrungen mit Adobe Connect, DFN Conftool, Zoom, Microsoft Teams und dem neuen Conferenztool der FSU Cloud gesammelt. Die Problematik im Zusammenhang mit der DFN Serverauslastung ist bekannt, für Microsoft Office wird allein die Funktion zu webKonferenzen unterstützt (keine Kurse, Aufgabenbearbeitung etc.), für Zoom kann man datenschutzrechtliche Bedenken heranziehen. Momentan sieht es danach aus, dass wir mit der FSU Cloud arbeiten, ggf. mit Zoom im Backup. In der Kommunikation mit den Studierenden sind wir so verfahren, dass wir sie aufgefordert haben noch vor Semesterbeginn, die technische Infrastruktur am persönlichen Rechner sicherzustellen (VPN-Client, Softwareinstallation etc.). Rechtzeitig zum Termin der webKonferenz wird dann bekanntgegeben (z. B. über einen Einladungslink), über welches Tool wir kommunizieren werden. Da eigentlich jedes Tool irgendeine Einschränkung mit sich bringt, planen wir jeweils ein Konferenztool als Backup einzurichten. Demnächst heißt es dann ausprobieren…

  • Digitales Begleitformat

    Neben Vorlesungsvideos und webKonferenzen haben wir noch ein digitales Begleitformat eingerichtet, z. B. digitale Sprechstunden per Jitsi oder Telefon, Nachfragen per E-Mail oder im Forum der Moodle-Plattform

  • Prüfungen

    In Bezug auf Prüfungsleistungen haben wir uns entschieden, dieses Semester auf Klausuren zu verzichten. Stattdessen bewerten wir eine Portfolioleistung, die sich aus Veranstaltungsdokumentationen und -mitschriften, der Lösung explizit gestellter Aufgaben und schriftlichen Ausarbeitungen zusammensetzt.

Für die Umsetzung des digitalen Sommersemesters benötigten wir in erster Linie Software für die Aufzeichnung / für das Videografieren und Schneiden unserer Folien. Die fehlenden Admin-Rechte zur Installation von Software waren hier zu Beginn problematisch. Teilweise musste auf Privatrechner etc. zurückgegriffen werden. Auch hier wurden dann aber im Laufe der Zeit pragmatische Lösungen gefunden.

Die Betreuung insbes. durch das digiLab der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, die eigens einen moodle-Raum für Lehrende mit Informationen und Hinweisen zur digitalen Lehre eingerichtet haben, war sehr hilfreich. Ein großes Dankeschön von unserer Seite.

Diesen Dank können wir auch an das Team Lehre-Lernen und ihre Hotline zurückgeben, die sich sehr verständnisvoll und geduldig unseren (leider meist technischen) Fragen und teilweise auch Frustrationen gestellt haben.

  • So sieht unser digitales Konzept exemplarisch für ein Bachelor-Modul aus:
    • Das Modulkonzept enthält Informationen zu Kompetenzzielen (fachlich, methodisch), zu Prüfungsleistungen und auch Informationen zur Handhabung im ‚digitalen Sommersemester 2020‘. Die Folien zum Modulkonzept wurden besprochen und als Video zur Verfügung gestellt (neben dem eigentlichen Foliensatz).
    • Allen Informationen (Videos, Folien, Arbeitsblätter etc.) werden in moodle bereitgestellt. Zu jedem Veranstaltungstermin gibt es ein moodle-Forum, in dem Rückfragen zum Vorlesungsvideo gestellt werden können. Diese können jedoch nur bis einen Tag nach der Vorlesung gepostet werden. Es ist geplant, die Fragen zu bündeln und vor der nächsten Veranstaltung gesammelt darauf zu antworten. Dieses Vorgehen soll zu zeitnaher Bearbeitung und Verbindlichkeit der Studierenden führen.
    • Die Vorlesungsvideos nehmen stark input-orientierte Einheiten auf. In den Videos werden jedoch immer wieder ‚Aufgabenstellungen zum Mit- und Nachdenken‘ eingebaut. Diese Aufgaben (Mindmap, Exzerpt, Positionierung etc.) sind von den Studierenden schriftlich zu bearbeiten und in ihr Veranstaltungsportfolio zu überführen, das auch Teil der veränderten Prüfungsleistung ist (siehe Portfolioarbeit).
    • Nach etwa drei Einheiten, die je per Vorlesungsvideo und moodle-Forum durchgeführt werden, findet zur konkreten Vorlesungszeit (12:00 bis 14:00 Uhr) eine webKonferenz mit den Studierenden statt. Hier werden insbesondere interaktive Einheiten (Diskussionen, Positionierungen, Fragen und Anmerkungen) aufgenommen. Wir überlegen momentan, eine wissenschaftliche Hilfskraft als technischen Support / Moderator*in einzubinden. Hier müssen wir erst das Semester und damit erste Erfahrungswerte abwarten.
    • Die Studierenden haben darüber hinaus die Möglichkeit, individuelle Anliegen in online-Sprechstunden zur Veranstaltung zu adressieren.
    • Das Portfolio wird in diesem Semester als ein Prüfungsbestandteil gewertet. Es enthält zwei Teile: Zum einen sollen die Studierenden ihre Veranstaltungsdokumentationen und Mitschriften aufnehmen. Sie sollen damit zeigen, dass sie aktiv an den Veranstaltungen teilgenommen haben. Zweiter Bestandteil des Portfolios sind die in den Vorlesungsvideos explizit gestellten Portfolioaufgaben zum Mit- und Weiterdenken. Darüber hinaus wird eine weitere schriftliche Ausarbeitung zum Modul als Prüfungsleistung eingefordert und anteilig mit der Bewertung des Portfolios verrechnet. Alle Prüfungsleistungen werden dieses Semester digital als pdf eingereicht.

Das ‚digitale Sommersemester‘ hat sich gewissermaßen über Nacht angekündigt. Niemand war darauf wirklich vorbereitet – und dies ist auch allen Beteiligten (Lehrenden, Kolleg*innen, Studierenden etc.) bewusst! Diese besondere Situation birgt aus meiner Sicht großes Potenzial, denn es ermutigt zum Handeln und Ausprobieren. ‚Unfertige‘ Wege, Konzepte, Ideen sind erstmal erlaubt, sofern es dazu beiträgt, die Lehre im Sommersemester 2020 bewerkstelligen zu können. Dieser ‚geschützte Raum‘ kann aus meiner Sicht ein echter Innovations-Katalysator sein. Dies ist kein Plädoyer für einen unreflektierten digitalen Aktionismus, aber ein Plädoyer für das Erproben digitaler Formate mit einer Prise Pragmatismus, der Mut und Lust macht auf Weiterentwicklung und Verbesserung in der Zukunft.

  • Schwierigkeiten bei der Umsetzung digitaler Konzepte und wo wir Unterstützung gefunden haben:

    Schwierigkeiten:

    • Technische Infrastruktur der Mitarbeiter*innen gewährleisten (Software, Zugänge / Accounts)
    • Einarbeitung in technische Handhabung (Editieren von Videos)
    • Mikrofon / Headset ist hilfreich
    • Es darf nicht vergessen werden, dass nicht nur wir Lehrenden uns in die digitalen Tools einarbeiten müssen, sondern auch die Studierenden. Intuitive Tools mit niedriger Einarbeitungs- und Zugangshürden (z. B. Zoom) sind daher besonders geeignet
    • Einbindung Externer (z. B. Lehrbeauftragte) war mit technischen Hürden verbunden
    • Vielzahl an Tools, die jeweils jedoch Restriktionen mit sich bringen
      • DFN / Adobe Connect - Serverproblematik (Auslastung / Zuverlässigkeit im Semester)
      • Zoom - Datenschutz, Begrenzung auf 40 min
      • Microsoft Teams - kann lediglich zu webKonferenz genutzt werden, die anderen Funktionen sind nicht freigeschaltet; Studierenden müssen Software haben, VPN-Client etc.
    • Insgesamt kann man nicht auf ein Tool zurückgreifen, das alles kann, sondern muss aktuell ein Set aus verschiedenen Tools nutzen. Wir agieren überwiegend über moodle, die FSU Cloud und verschiedene Videokonferenztools.

    Unterstützung:

Wie die Studierenden mit der Situation zurecht kommen, können wir aktuell noch nicht abschätzen, da wir uns noch inmitten der Semesterferien befinden. Persönliche Kontakte zu Studierenden hatten wir bisher kaum. Wir können die Unsicherheit der Studierenden zum jetzigen Zeitpunkt nur antizipieren. Daher haben wir frühzeitig auf unserer Homepage darauf hingewiesen, dass alle Lehrveranstaltungen im Sommersemester turnusmäßig durchgeführt werden und in den moodle-Räumen Modulkonzepte über Screencasts zur Verfügung gestellt. Zum Ende des Semesters führen wir wie immer eine Evaluation der Veranstaltungen durch. Ergänzend werden wir hier sehr umfangreich auch Rückmeldungen zur digitalen Lehre einholen und im Lehrendenteam auswerten.

Wichtig ist unseres Erachtens auch in der Kommunikation zu den Studierenden, dass wir vor neue / andere Herausforderungen gestellt werden, die Hinweise der Studierenden sehr wichtig sind und wir gemeinsam versuchen, das Beste aus der aktuellen Lage zu machen.

Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik

Sprechzeiten:
Montag bis Donnerstag 10:00 - 13:00 Uhr

Postanschrift:
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik
Carl-Zeiss-Straße 3
07743 Jena

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