Der Teufel steckt im Detail – Informatiker Professor Martin Mundhenk über Fallstricke und Lösungsansätze für die Digitalisierung einer Programmierungsvorlesung

Newsletter Lehre 01 2020
Professor Martin Mundhenk
Professor Martin Mundhenk
Foto: Thüringer Allgemeine

Ich bin dabei, die Veranstaltung „Einführung in das Programmieren (mit Python)“ umzusetzen. Sie besteht aus 2semestriger Vorlesung und Übung für Studierende aus allen Fakultäten. Die Veranstaltung ist für Anfänger gedacht. Die Teilnehmer kommen aus sehr verschiedenen Fächern, haben sehr unterschiedliche Vorkenntnisse und sind sehr motiviert.

Welche Alternativen zum Aufzeichnen Ihrer Vorlesung standen für Sie im Raum und für welche haben Sie sich am Ende entschieden?

Am einfachsten und effizientesten wäre es gewesen, die Vorlesung beim Live-Streamen aufzuzeichnen. Das ist ja unerwünscht. Also sind Screencasts die nächste Wahl. Auf diese Idee wurde ich durch die Webseite von LehreLernen gebracht. Die Tools, die auf der Webseite dazu genannt werden, sind für Windows- und Mac-Rechner geeignet. Mit meinen Linux-Rechnern kann ich sie nicht benutzen. Das systemunabhängige OpenCast wurde leider noch nicht zugänglich gemacht. Ich habe mit Kollegen in Jena und an anderen Unis gesprochen, ein paar Programme ausprobiert und mich dann für OBS Studio (aufnehmen), openshot (schneiden) und VLC media player (nachbearbeiten) entschieden. Diese Software ist kostenlos. Zum Aufnehmen der Screencasts benutze ich Kamera und Mikrofon des Notebooks.

Wie unterscheidet sich die Aufzeichnung von der echten Vorlesung?

Bei der Live-Vorlesung habe ich gesprochen, Folien gezeigt, kurze Programmabschnitte am Notebook programmiert (der Bildschirm des Notebooks wird dabei mit dem Beamer gezeigt), an die Tafel geschrieben und mit den Teilnehmern kommuniziert. Bis auf die direkte Kommunikation ist alles auch im Screencast enthalten (ohne dass man mich dabei sieht). Statt an die Tafel zu schreiben, schreibe ich auf ein Blatt Papier und filme das mit dem Fotoapparat. Dafür habe ich mir ein Stativ gekauft.

Wie läuft die Erstellung des Screencasts konkret ab?

Die Erstellung der Screencasts ist sehr zeitaufwendig. Ich spreche meinen Text frei. Viele Formulierungen, die nicht auf Anhieb 100%ig glücken, hätte man in der Vorlesung einfach nochmal geradegebogen. Aber in den Screencasts möchte man das gerne gleich richtig zeigen. Dazu kommt, dass ich alles unterbringen will, was für die Teilnehmer mit unterschiedlichen Vorkenntnissen nötig ist – ich kann ja nicht auf Fragen der Teilnehmer reagieren. Dadurch entsteht aus einer 90-minütigen Vorlesung ein 120-minütiger Screencast. Zum Aufnehmen, Schneiden und Einstellen bei Moodle benötige ich einen Arbeitstag mit teilweise etwas nervtötenden Beschäftigungen. Das Erstellen der Screencasts ging mit der Zeit schneller, da man Erfahrung mit dem Aufnehmen gewinnt und z. B. rechtzeitig die Pause-Taste drückt, bevor man sich verplappert. Das spart dann Zeit beim Schneiden. Von LehreLernen habe ich sehr hilfreiches Feedback zu einem Screencast erhalten, den ich dort zum Probesehen hingeschickt hatte.

Über welche Fallstricke sind Sie gestolpert und welche Lösungen konnten Sie finden?

Mein Problem ist Moodle. Um die Screencasts dort zugänglich zu machen, muss man sie zuerst bei der Digitalen Bibliothek Thüringen (DBT) einreichen, eine Email darüber ans MMZ schreiben, auf die händische Freigabe von dort warten (nur zu normalen Arbeitszeiten) und dann die Videos bei Moodle verlinken. Dieser Prozess ist steinzeitlich und verlangt von mir außerdem, Rechte an meinen Screencasts an die DBT abzutreten. Am Ende funktioniert er nicht einmal. Meine Screencasts in der DBT sind bei Moodle plötzlich nicht mehr zugreifbar, und auf eine Lösung oder zumindest eine Antwort zu meiner Email-Nachfrage bei moodle@uni-jena.de warte ich derzeit noch. Wie soll das im Vorlesungsbetrieb werden? Ich habe spaßeshalber mal einen nicht-öffentlichen YouTube-Kanal mit den Screencasts eingerichtet, damit ich im laufenden Lehrbetrieb eine Reserve-Option habe. Das ging problemlos und schnell. Allerdings will ich meine Studierenden und mich eigentlich nicht diesem überwachungskapitalistischen Angebot ausliefern und hoffe auf eine Verbesserung der von der Universität angebotenen Lösungen.

Können Sie schon ein kurzes Fazit zum Einsatz von Screencasts ziehen?

Der Inhalt dieser Vorlesung (kaum Theorie, viel Programmierpraxis) lässt sich mit Screencasts gut vermitteln. Mein Ziel ist es, die Screencasts auch in den folgenden Jahren verwenden zu können. Ansonsten wäre der Produktions- und Verwaltungsaufwand viel zu hoch. Ob der Übungsbetrieb mit Betreuung der Studierenden in der Ferne über Moodle inhaltlich erfolgreich laufen wird, wird sich zeigen. Ich bin gespannt auf die Reaktion der Studierenden und hoffe auf eine schnellere Reaktionszeit durch das URZ/MMZ. Mir ist nochmal klar geworden, dass in Vorlesungen viele Arten von Kommunikation stattfinden, die man nicht ersetzen kann.

Kontakt

Martin Mundhenk, Univ.-Prof. Dr.
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