Olga Schmitz (r.) und Paul Mehlhorn beim Beproben des Sediments einer Lagune in Richards Bay (Südafrika).

Muschelkrebse geben Auskunft über den ökologischen Zustand von Gewässern

Internationales Forschungsteam stellt Methode für das Gewässermonitoring vor, die kleine Wasserorganismen als Bioindikatoren nutzt
Olga Schmitz (r.) und Paul Mehlhorn beim Beproben des Sediments einer Lagune in Richards Bay (Südafrika).
Foto: Peter Frenzel (Universität Jena)

Meldung vom: | Verfasser/in: Ute Schönfelder
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Industrieabwässer, Gülle, Mikroplastik oder Schwermetalle – die Liste der Schadstoffe, die in Gewässer gelangen, ist lang. Vor allem von Menschen intensiv genutzte Gewässer, wie Flüsse, Seen und Küsten, sind in unterschiedlichem Maße und mit unterschiedlichsten Stoffen belastet. Um Gefahren für Mensch und Umwelt abzuwenden, hat sich die EU zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 sämtliche Gewässer in den EU-Staaten in ihren natürlichen Zustand zurückzuführen.

Das setzt voraus, dass wir den natürlichen Zustand erst einmal kennen“, sagt apl. Prof. Dr. Peter Frenzel von der Universität Jena. „Und darüber hinaus bedarf es Methoden, die verlässlich über die Wasserqualität Auskunft geben“, so der Forscher vom Institut für Geowissenschaften weiter. Während für letzteres bereits verschiedene biologische und chemische Methoden etabliert sind, ist die Rekonstruktion des vorindustriellen, natürlichen Zustands eines Gewässers schwierig.

Archiv des vorindustriellen Gewässerzustands

Das Team von Peter Frenzel arbeitet an dieser Fragestellung und stellt nun in einer aktuellen Publikation eine kritische Übersicht von Methoden vor, mit der sich gleich beide Fragestellungen beantworten lassen. Wie die Forschenden im Fachmagazin „Earth-Science Reviews“ schreiben, sind winzige Muschelkrebse, sogenannte Ostrakoden, geeignete Bioindikatoren für die aktuelle Wasserqualität und können zugleich als Archiv des vorindustriellen Gewässerzustands herangezogen werden und damit Auskunft über den ursprünglichen Zustand des Gewässers geben.

Ostrakoden reagieren empfindlich auf Umweltveränderungen wie Salzgehalt, Temperatur und Schadstoffbelastung. Das macht sie für das Monitoring von Seen und Flüssen sehr geeignet“, sagt Dr. Olga Schmitz, die Erstautorin der jetzt vorgestellten Studie. „Anhand ihrer Artenvielfalt und Häufigkeit können wir nicht nur aktuelle und vergangene Umweltbedingungen rekonstruieren, sondern sogar zukünftige Veränderungen prognostizieren. Dies kann insbesondere für die Landwirtschaft und das Wassermanagement mit Blick auf den Klimawandel von Bedeutung sein.“

Olga Schmitz hat sich den Ostrakoden im Rahmen ihrer Promotion gewidmet. Die vorgelegte Publikation ist die erste umfassende Zusammenstellung des bisherigen Forschungs- und Wissensstandes zur Rolle von Muschelkrebsen als Bioindikatoren. Die nur bis zu einem Millimeter kleinen Tiere kommen in nahezu allen Gewässern vor: in Seen, Flüssen, Lagunen, ja sogar im Grundwasser und in heißen Quellen. Rund 15.000 heute lebende Arten sind bekannt, etwa 20.000 fossile Vertreter beschrieben. Die mikroskopisch kleinen Krebstiere sind von Kalkschalen umschlossen, die auch nach ihrem Tod lange in Schlamm und Sand des Gewässergrundes erhalten bleiben. Diese können den Forschenden bei ihren Umweltanalysen und als Fossilien für die Rekonstruktion von Milieu- und Klimabedingungen dienen.

KI hilft bei der Identifizierung und Analyse der Kleinstlebewesen

Doch die Geowissenschaftlerin wertet nicht nur vorhandene Studien über Ostrakoden aus. Sie und das Jenaer Team haben auch selbst bereits unterschiedlichste Gewässer beprobt und die Ostrakodenpopulationen untersucht, vom Großen Stechlinsee in Brandenburg bis zu küstennahen Gewässern in Südafrika. In Kooperation mit Forschenden der Universität Hongkong entwickeln sie heute sogar den Einsatz Künstlicher Intelligenz, um die Muschelkrebse in den Proben unter dem Mikroskop identifizieren, zählen und ausmessen zu können. „Für unsere Analysen brauchen wir lediglich einen Kubikzentimeter Sediment, um Rückschlüsse auf anthropogene Einflüsse oder vergangene hydrologische Veränderungen zu ziehen, was diese Arbeitsweise besonders kostengünstig macht“, unterstreicht Olga Schmitz einen weiteren Vorteil der Methode. Ihre nun veröffentlichte Übersichtsarbeit, so die Hoffnung der Forschenden, könnte maßgeblich dazu beitragen, die Ostrakoden künftig gezielt für das Umweltmanagement und die Renaturierung von Gewässern in Deutschland und darüber hinaus zu nutzen.

Kalkschalen verschiedener Muschelkrebse aus dem Umlalazi Ästuar in Südafrika. Die Maßstabsbalkenlänge entspricht jeweils 100 Mikrometer.

Abbildung: Olga Schmitz
Information

Original-Publikation:

Olga Schmitz et al. Ostracoda (Crustacea) as indicators of anthropogenic impacts — A review. Earth-Science Reviews 2025. https://doi.org/10.1016/j.earscirev.2025.105049Externer Link

Kontakt:

Peter Frenzel, apl. Prof. Dr.
Wiss. Mitarbeiter
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Lehrstuhl Allgemeine und Historische Geologie
Raum H 110
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Olga Schmitz
Doktorandin
vCard
Lehrstuhl Physische Geographie
Raum 211
Löbdergraben 32
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