Der Physiologe Prof. Dr. Klaus Benndorf und sein Team entdeckten eine unerwartete Spezifik der für Herz und Hirn wichtigen Schrittmacher-Ionenkanäle.

Leitfähigkeit ist Visitenkarte der Schrittmacherkanäle

Physiologen des Jenaer Uniklinikums entdecken unerwartete Spezifik der für Herz und Hirn wichtigen Ionenkanäle
Der Physiologe Prof. Dr. Klaus Benndorf und sein Team entdeckten eine unerwartete Spezifik der für Herz und Hirn wichtigen Schrittmacher-Ionenkanäle.
Foto: Michael Szabó/UKJ
  • Forschung

Meldung vom: | Verfasser/in: Uta von der Gönna

Physiologen des Universitätsklinikums Jena (UKJ) untersuchten mit Einzelkanalmessungen die Leitfähigkeit von Schrittmacher-Ionenkanälen, die die rhythmische Aktivität von Nerven- oder Herzmuskelzellen steuern. Sie zeigen, dass diese charakteristisch für die vier Kanaltypen ist und erklären gemeinsam mit Biophysikern aus Berlin die Ursachen der spezifischen Leitfähigkeiten auf molekularer Ebene. Diese funktionelle Unterscheidbarkeit bietet einen Ansatz, bestimmte Kanäle zielgerichtet mit Wirkstoffen anzusprechen.  

Ionenkanäle sind keine starren Öffnungen, durch die Kalium- oder Natrium-Ionen die Zellmembran passieren. Sie besitzen wie Katzenklappen oder Autotüren verschiedene Größen, Öffnungsmechanismen und Durchlässigkeit. Die Zelle kann bei Bedarf auch neue Ionenkanäle bilden oder nicht benötigte abbauen. Die Kanäle bestehen aus Eiweißmolekülen in der Zellmembran, die durch Spannungsunterschiede oder das Andocken passender Botenmoleküle ihre Form so verändern, dass sie Ionen durchlassen können. Schrittmacher-Ionenkanäle steuern die rhythmische Tätigkeit von spezifischen Zellen, zum Beispiel die Kontraktion von Herzmuskelzellen und den Ruherhythmus bestimmter Nervenzellen im Tiefschlaf. Wie die Unruhe in einer Pendeluhr triggert ein Wechselspiel von Ladungstrennung und Ladungsausgleich in den Zellen lebenswichtige Prozesse in Herz und Hirn. Dadurch sind diese Ionenkanäle höchst interessante Angriffspunkte für spezifische Wirkstoffe. 

Die Kanäle bestehen aus je vier Proteinbausteinen, von denen es wiederum vier verschiedene gibt. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Klaus Benndorf erforschte detailliert die Funktionsweise der verschieden aufgebauten Schrittmacherkanäle. „Zur Leitfähigkeit der Schrittmacherkanäle gibt es in der Literatur nur wenige Untersuchungen mit sehr verschiedenen und teilweise nicht plausiblen Werten“, so der Direktor des Instituts für Physiologie II am Universitätsklinikum Jena. Das war der Anlass für die Vermessung von Ionenströmen durch einzelne Kanäle, die entweder aus gleichen oder verschiedenen Untereinheiten bestehen. 

Die Leitwerte sind außergewöhnlich klein

Dazu untersuchte er an einem sogenannten Patch-Clamp-Messplatz den Stromfluss durch weniger als Tausendstel Quadratmillimeter kleine Stücke der Zellmembran von Frosch-Eiern. In diesen war zuvor gentechnisch die Produktion der Kanalmoleküle einer bestimmten Bauart angeregt worden. Zeigten die gemessenen Stromspuren nur zwei Amplituden, so enthielt das Membranstück genau einen Kanal – entweder geöffnet oder geschlossen. So ließ sich die Leitfähigkeit für den spezifischen Kanal sehr genau bestimmen. „Die Leitwerte sind im Vergleich zu den meisten anderen Ionenkanälen außergewöhnlich klein, sie liegen bei etwa einem Picosiemens und darunter“, so Klaus Benndorf zum Ergebnis. „Sie galten lange als kaum messbar. Überraschenderweise unterscheiden sich die nun bestimmten Leitfähigkeiten zwischen den Kanaltypen bis zu dreifach, sie sind also ganz spezifisch für den jeweiligen Schrittmacherkanal.“ Die Leitwerte der Mischformen liegen dazwischen.

Diese Unterschiede der Leitfähigkeiten liegen nicht in den Engstellen der Kanalpore begründet, wie die Biopysikerin Prof. Dr. Han Sun vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie in Berlin in anschließenden molekulardynamische Simulationen zeigen konnte. Verantwortlich dafür sind vielmehr negative Ladungen im Außenbereich der Kanäle, die die positiv geladenen Kalium-Ionen vermehrt in die Kanalpore führen. Klaus Benndorf: „Diese Messungen geben uns ein Instrument in die Hand, die Kanäle dieser klinisch sehr relevanten Kanalklasse im Gewebe zu unterscheiden. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung gewebespezifischer Medikamente.“

Information

Original-Publikation:
K. Benndorf et al.: Subunit-specific conductance of single homomeric and heteromeric HCN pacemaker channels at femtosiemens resolution, Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. 122 (5) e2422533122, https://doi.org/10.1073/pnas.2422533122Externer Link

Kontakt:

Klaus Benndorf, Prof. Dr.
Institut für Physiologie II, Universitätsklinikum Jena
Am Klinikum 1
07747 Jena Google Maps – LageplanExterner Link