Kommunikation in der Natur: Hyänen beobachten das Verhalten eines kreisenden Geiers, um auf die mögliche Präsenz eines nahegelegenen Kadavers zu schließen.

Einblicke in das „Internet der Natur”

Neue Studie zeigt, warum der Informationsaustausch zwischen Arten entscheidend ist für die Stabilität von Ökosystemen
Kommunikation in der Natur: Hyänen beobachten das Verhalten eines kreisenden Geiers, um auf die mögliche Präsenz eines nahegelegenen Kadavers zu schließen.
Foto: Maximilian/AdobeStock
  • Life
  • Forschung

Meldung vom: | Verfasser/in: Christine Coester

Eine aktuelle Studie, geleitet von Prof. Dr. Ulrich Brose von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), eröffnet neue Perspektiven auf die Funktionsweise von Ökosystemen. Im Fokus steht das sogenannte „Internet der Natur“. Dieses Konzept zeigt, wie Lebewesen nicht nur Materie und Energie austauschen, sondern auch Informationen, die ihr Verhalten, ihre Interaktionen und die Dynamik von Ökosystemen entscheidend prägen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift „Nature Ecology and Evolution“ veröffentlicht und bietet einen neuen Blick auf die verborgenen Mechanismen in der Natur.

Um Ökosysteme besser zu verstehen, nutzen Forschende Computer, mit denen sie die Interaktionen zwischen Lebewesen simulieren. Traditionell lag der Schwerpunkt ökologischer Forschung auf dem Austausch von Materie und Energie wie zum Beispiel Nahrungsketten, Bestäubung oder die Verbreitung von Samen. Die aktuelle Studie zeigt jedoch, wie wichtig der Informationsaustausch zwischen Arten für das Verständnis von Ökosystemen ist. 

Ohne Berücksichtigung der Informationsflüsse im ‚Internet der Natur‘ gleicht unser Verständnis natürlicher Prozesse dem Versuch, den globalen Warenverkehr zu erklären, ohne das Internet als Kommunikationsmedium zu berücksichtigen“, so Erstautor Ulrich Brose, Leiter der Forschungsgruppe Biodiversitätstheorie bei iDiv und der Universität Jena.

Drei Ebenen des Informationsaustauschs in Ökosystemen

Die Forschenden identifizieren drei Ebenen des Informationsaustauschs in Ökosystemen: trophische Informationsflüsse, reine Informationsflüsse und Umweltinformationsflüsse. 

Trophische Informationsflüsse umfassen Signale, die zwischen Beute und Räubern ausgetauscht werden. Ein Beispiel: Wölfe nutzen ihre Nasen, Ohren und Augen, um Elche und ihre Fährten aufzuspüren. Die Elche wiederum reagieren auf die Wölfe, indem sie sich in Gruppen sammeln und in dichte Vegetation zurückziehen. 

Reine Informationsflüsse beziehen sich auf Interaktionen zwischen Arten, die nicht direkt an Nahrungsbeziehungen beteiligt sind. Zum Beispiel beobachtet eine Hyäne das Verhalten eines kreisenden Geiers, um auf die mögliche Präsenz eines nahegelegenen Kadavers zu schließen. 

Umweltinformationsflüsse ermöglichen es Arten, ihr Verhalten an Umweltbedingungen wie Lärm, Licht oder Temperatur anzupassen. Beispiele sind Motten, die nachts auf Licht reagieren, Spinnen, die ihre Netze in der Nähe von Lichtquellen bauen, oder Chamäleons, die ihre Tarnung je nach Umgebung anpassen.

Herausforderungen durch Störungen der Sinneswahrnehmung

Die Studie zeigt, wie menschliche Einflüsse – etwa künstliches Licht, Lärm oder Vibrationen – diese Informationsflüsse stören können. „Straßenverkehr und Industrieanlagen verschmutzen nicht nur die Luft, sondern stören auch die Vibrationssignale, mit denen sich beispielsweise Ameisen koordinieren“, erklärt Co-Autorin Dr. Myriam Hirt vom iDiv und der Universität Jena. „Das ist nur ein Beispiel dafür, wie menschliche Aktivitäten die Vibrations- oder auch Pheromonkommunikation beeinträchtigen können, die für Fortpflanzung, Nahrungssuche und sozialen Interaktionen bei Insekten essenziell ist."

Solche Faktoren verändern die Informationslandschaften, beeinträchtigen die Signalübertragung und können es Arten erschweren, miteinander zu kommunizieren, Ressourcen zu finden oder sich an ihre Umgebung anzupassen. Dies verdeutlicht die Bedeutung von Maßnahmen gegen Lärm und Lichtverschmutzung.

Das ‚Internet der Natur‘ zu berücksichtigen, wird unser Verständnis der Interaktionen von Tieren, Pflanzen und Mikroben grundlegend verändern“, erklärt Brose. „Wir werden sie nicht mehr als passive Partikel sehen, wie es aus der Physik oder Chemie bekannt ist, sondern als Lebewesen, die aktiv Informationen produzieren und nutzen. Diese neue Perspektive wird auch für den Naturschutz von zentraler Bedeutung sein, um nicht nur Lebensräume, sondern auch die Informationswege zwischen Arten durch verschiedene Medien wie Luft, Wasser oder Boden zu schützen.“

Information

Original-Publikation:
Brose, U., Hirt, M. R., Ryser, R., Rosenbaum, B., Berti, E., Gauzens, B., Hein, A. M., Pawar, S., Schmidt, K., Wootton, K., Kéfi, S. Embedding information flows within ecological networks. Nature Ecology & Evolution (2025). DOI: 10.1038/s41559-025-02670-2Externer Link

Kontakt:

Ulrich Brose, Univ.-Prof. Dr.
Leiter der AG Theorie der Biodiversitätswissenschaften
vCard
Professur Theorie der Biodiversitätswissenschaften
Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig, Raum B.03.23
Puschstraße 4
04103 Leipzig Google Maps – LageplanExterner Link