Kurze Lehreinheiten für mehr Aufmerksamkeit - Historikerin Professor Kim Siebenhüner stellt ihre Lösung für eine digitale Vorlesung vor
Wie zahlreiche andere Lehrende bin ich im Zuge der Corona Krise und den damit verbundenen Auswirkungen damit konfrontiert, ad hoc und unvorbereitet Lösungen zu finden, um meine Lehrveranstaltungen ohne sozialen Kontakt anbieten zu können. Die Umstellung auf digitale Lehre ist zeitaufwendig, denn die didaktischen Formate der Präsenzlehre lassen sich nicht einfach ins Digitale „übersetzen“. Ich versuche deshalb, die Inhalte neu, auf das digitale Format angepasst, aufzubereiten.
Das Studium der Geschichte lebt in besonderem Maß von Gesprächen und Diskussionen, die den Austausch von Argumenten und die Formulierung von Thesen schulen. Es kommt darauf an, empirisches Wissen kritisch zu reflektieren, in einen Zusammenhang stellen zu können und Positionen begründen zu können. Die Vermittlung dieser Kompetenzen können wir nicht einfach in ein 90minütiges virtuelles Meeting verlagern, schon aus technischen Gründen nicht – schon jetzt sind die Netze überlastet. In diesem Semester wird die Vermittlung von Diskussionskompetenzen zurücktreten zugunsten von Kompetenzen, die im angeleiteten Selbststudium geübt werden können.
Was waren Ihre ersten Schritte?
In einem ersten Schritt habe ich mich über die Digitalisierung von Lehrveranstaltungen auf den Seiten des Hochschulforum Digitalisierung (https://hochschulforumdigitalisierung.de/) informiert. Dort werden insbesondere für „digitale Anfänger“ fünf hilfreiche „Coronatipps“ gegeben, an die ich mich gehalten habe. Gut durchdachte Onlinekurse brauchen Zeit, die es gerade nicht gibt und damit müssen alle, Lehrende, Studierende, aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Serviceeinrichtungen an der Universität umgehen lernen. Dies impliziert anzuerkennen, dass die Umsetzung digitaler Lehrkonzepte komplex ist und unter jetzigen Bedingungen nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden können. Gerade wenn man Anfänger ist, bedeutet das, nicht alles zu wollen, was möglich ist, sondern sich auf einige wenige Tools zu beschränken. Ich habe mich entschieden, es fürs Erste mit Moodle zu probieren und für Sprechstunden oder gezielte virtuelle Live-Treffen MS Teams zu nutzen.
Auf welche Schwierigkeiten sind Sie gestoßen und wo haben Sie Unterstützung erfahren?
Die Servicestelle LehreLernen hat großartige Unterstützung geleistet. Ich habe auf kleine Fragen schnelle Antworten bekommen und, nachdem ich eine Lehreinheit eingereicht hatte, ein ausführliches Feedback erhalten. Mein Kompliment an die Servicestelle sowie Universitätsrechenzentrum und Multimediazentrum, die bei Fragen ebenfalls schnell und kompetent zur Verfügung standen.
Anfänglich war das größte Problem die Bibliotheksschließung. Ich hatte zwei neu zu entwickelnde Veranstaltungen geplant, für die ich umfängliche Literatur aus der Thulb benötigt hätte. Dann kam der 17. März und mir wurde klar, dass die Neuentwicklung der Veranstaltungen unrealistisch war. Also habe ich Themen geändert und greife nun auf vorhandenes Material zurück. Viele haben vermutlich auf den 20. April gehofft, das Datum an dem laut 3. ThürSARS-CoV-2-EindmaßnVO Bibliotheken öffnen dürfen. Positiv ist das Angebot des Kopierservices. Auch das Angebot einer Aufstockung digitaler Bestände war und ist vorhanden. Doch Jahrzehnte von Beständen, auf die wir als Historikerinnen und Historiker zurückgreifen, können nicht über Nacht digital zur Verfügung gestellt werden …
Wie sieht die Umsetzung Ihrer Vorlesung ganz konkret aus?
Für die Vorlesung sind zwischen 50 und 60 Studierende eingeschrieben. Ich plane keine Live-Meetings, außer für individuelle Sprechstunden. Auch das Modell des flipped classroom schien mir ungeeignet. Ich denke, keiner möchte 90minütigen Aufnahmen von Vorlesungen zuhören. Wenn einen selbst schon 30minütige Corona-Podcasts langweilen, wie soll man dann 90 Minuten Geschichte hören? Stattdessen präsentiere ich die Inhalte anhand von kurzen Powerpointpräsentationen mit Audiospur. Ich habe meinen Vorlesungsstoff in ca. zwei Dutzend Kurzeinheiten gegliedert. Pro Kurzeinheit gibt es eine „besprochene“ Powerpointpräsentation von 10 - 15 Minuten. Zur Erstellung der Audiospur habe ich die einfach zu handhabende Funktion „Bildschirmpräsentation aufzeichnen“ in Powerpoint benutzt. Die Einheiten enthalten z.T. Lernaufgaben oder Recherche- und Lektüreaufträge, die zum verbindlichen Lernstoff gehören. Meine Präsentationen kombiniere ich mit dem „Forum“ in Moodle. Dort sind die Kurzeinheiten zu Themenpaketen zusammengefasst. Zu jedem Themenpaket gibt es ein Forum, in dem Studierende ihre Fragen/Ideen notieren können, auf die ich dann reagiere. Noch unsicher bin ich, wie und ob ich die Chat-Funktionen integrieren kann …
Wie sehen Sie das auf Sie zukommende Semester?
Ich glaube, dies wird ein ausgesprochen experimentelles Semester: für mich selbst, aber auch für die Studierenden. Sie sind möglicherweise viel vertrauter als ich mit digitalen Tools. Vielleicht kommen Vorschläge, wie es noch besser geht, die ich dann gerne aufnehme. Im besten Fall wird es ein gemeinsamer Lernprozess.
nach Vereinbarung über das Sekretariat