Entscheidend ist in der Postdoc-Phase die zunehmende wissenschaftliche Selbständigkeit. Vorgesetzte und Mentor/innen bleiben wichtig, aber neben der Arbeit mit diesen müssen Postdocs ein erkennbar eigenständiges Profil entwickeln.
Dieses Profil ist entscheidend für die wissenschaftliche Laufbahn. Der Kern des wissenschaftlichen Profils sind die Forschungsschwerpunkte, die durch Publikationen, Projekte und Kollaborationen sichtbar werden. Daneben gehört zu einem ausgewogenen wissenschaftlichen Profil aber auch Lehrerfahrung und Erfahrung in der Drittmitteleinwerbung. Weitere Bausteine können internationale Erfahrungen, Engagement in der universitären Selbstverwaltung, administrative Erfahrungen oder Engagement in der Wissenschaftskommunikation sein.
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Forschungsschwerpunkte
In der Forschung ist die Spezialisierung meist so stark, dass Sie sich durch Ihre Themen und Publikationen für eine, maximal zwei bestimmte Subdisziplin(en) qualifizieren.
Die Promotion bildet den ersten Forschungsschwerpunkt. Während der Postdoc-Phase sollte ein zweiter Forschungsschwerpunkt entstehen. Dies kann durch Einzelveröffentlichungen oder eine Habilitation geschehen.
Die beiden Forschungsschwerpunkte bestimmen zusammen, auf welche Professuren Ihr Profil passt. Je vielfältiger oder interdisziplinärer Sie forschen, desto mehr Möglichkeiten können sich öffnen, aber desto eher kann es auch passieren, dass Ihr Profil als zu wenig greifbar, zu unklar oder nicht in eine Disziplin passend abgelehnt wird.
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Mobilität, Forschungsaufenthalte und Kooperationen
Forschung lebt vom Austausch, von neuen Ideen und gegenseitiger Kritik. Deshalb gehört Mobilität schon immer zum Idealbild in der Wissenschaft. Wer sein Studium, seine Promotion und seine gesamte Postdoc- oder Habilitationsphase am selben Ort verbringt, vermindert die Chancen auf eine spätere Professur deutlich. Gleichzeitig gibt es oft familiäre oder finanzielle Gründe, die einen Ortswechsel erschweren.
Welche Orte bzw. Forschungsumgebungen und welche Zeiträume sind für Ihre Forschung sinnvoll, und was ist Ihnen möglich? Welche Kontakte bestehen über Ihre Arbeitsgruppe oder Ihren Vorgesetzten, und welche Kontakte können Sie selbst knüpfen?
Die Graduierten-Akademie berät Sie zur Anbahnung und Finanzierung von Auslandsaufenthalten. Zum Aufbau von Kontakten und Kooperationen im In- oder Ausland bietet die Universität Fördermöglichkeiten für Tagungsreisen oder die Einladung von Gastreferent/innen.
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Publikationen und Vorträge
Publikationen sind wohl das Wichtigste für das wissenschaftliche Profil. Dabei spielen neben den Themen vor allem die Qualität, die Anzahl und die Art der Publikation und die Art der Autorschaft bzw. Herausgeberschaft eine Rolle. Auch die Zahl, wie häufig eine Publikation zitiert wird, und das Renommé einer Zeitschrift oder eines Verlags, fließen in die Bewertung eines wissenschaftlichen Profils ein.
Vorträge haben den Vorteil, dass sie manchmal auch "work in progress" präsentieren oder bereits publizierte Forschungsergebnisse vermitteln können (zum Beispiel als eingeladene Vorträge). Im Unterschied zu Publikationen haben die Hörer bei Vorträgen außerdem die Chance, einen persönlichen Eindruck von Ihnen zu bekommen. Deshalb eignen sich eigene Vorträge besonders gut, um anschließend ins Gespräch zu kommen und Forschungskontakte zu knüpfen.
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Drittmitteleinwerbung
Je mehr Personal und Ausstattung für einen Forschungsbereich benötigt wird, desto wichtiger ist die Fähigkeit, Mittel dafür einzuwerben.
Postdocs unterstützen ihre Vorgesetzten häufig darin, Drittmittelanträge auszuarbeiten. Nicht immer können dabei die Namen aller Beteiligten als Mitantragsteller genannt werden – dies hängt vom Geldgeber, der Förderlinie und dem Maß der Beteiligung ab.
Besonders wertvoll für das eigene wissenschaftliche Profil sind Anträge, die eigenständig oder als namentlich genannte/r Mitantragsteller/in erfolgreich eingereicht werden.
Auch Drittmitteleinwerbung will gelernt sein. Neben guten Forschungsideen und -konzepten ist die angemessene Darstellung und Projektplanung eine wichtige Fähigkeit. Die Graduierten-Akademie bietet mit dem Servicezentrum Forschung und Transfer regelmäßig Workshops zur Drittmitteleinwerbung in deutscher und englischer Sprache an, die Sie im QualifizierungsportalExterner Link finden. Beim Servicezentrum Forschung und Transfer (Bereich Forschungsförderung) bekommen Sie außerdem Informationen zu Ausschreibungen, Hinweise zur Antragstellung und persönliche Beratung zu Ihrem Drittmittelantrag.
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Gutachtertätigkeit
Die Bewertung von wissenschaftlichen Leistungen geschieht nicht nur bei Abschlussarbeiten von Studierenden oder bei Promotionen, sondern auch wenn Sie als Gutachter/in bzw. Reviewer für Zeitschriften, Tagungsvorträge oder Drittmittelprogramme tätig werden. Je nach Fachgebiet sind auch Herausgeberschaften und Buchrezensionen üblich.
In Ihrem wissenschaftlichen Profil weisen Ihre Gutachtertätigkeiten Sie als Expertin bzw. Experten für bestimmte Forschungsthemen aus und dokumentieren Ihre Eingebundenheit und Ihr Engagement innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft.
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Lehre
Forschung und Lehre bilden gemeinsam das Aufgabengebiet vieler Wissenschaftlerstellen, einschließlich der Professuren. Spätestens in der Postdoc-Phase gehört Lehre zur wissenschaftlichen Qualifizierung dazu. Wenn Sie aktuell keine Lehrverpflichtung haben, kann es sinnvoll sein, sich auf eigene Initiative um einen Lehrauftrag (ggf. unbezahlt) zu bemühen. Auch wenn es mehr Vorbereitungsarbeit erfordert, ist es sinnvoll, verschiedene Themen und Lehrveranstaltungsformate in der Lehre abzudecken.
Das Servicezentrum LehreLernen bietet Workshops und Beratung zur Lehre an: Zur Vorbereitung und Durchführung von Lehrveranstaltungen, zum Prüfen, zur Bertreuung von Abschlussarbeiten, zu digitalen Formaten und diversen Einzelfragen, die für Lehrende wichtig sind. Für das Feedback und die Dokumentation Ihrer Lehrerfahrung sind Evaluationen Ihrer Lehrveranstaltungen wichtig. Hierfür ist das Universitätsprojekt Lehrevaluation (ULe) Ihr Ansprechpartner.
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Promotionsbetreuung
Die Betreuung von Promovierenden ist ebenfalls eine zentrale wissenschaftliche Aufgabe. Postdocs werden in vielen Fächern in die Betreuung von Promovierenden eingebunden und sammeln auf diese Weise Betreuungserfahrung. Dies geschieht allerdings meist, ohne dass die Postdocs als Betreuer im Sinne der Promotionsordnungen auftreten dürfen.
Erst nach der Habilitation können Sie als Privatdozentin oder Privatdozentin eigenständig Promotionen betreuen und begutachten. Auch als Leiterin oder Leiter einer anerkannten Nachwuchsgruppe (Emmy Noether und Vergleichbares) haben Sie an der Friedrich-Schiller-Universität das Recht, eigenständig Promotionen zu betreuen. Unter welchen Voraussetzungen andere promovierte Wissenschaftler/innen das Recht zur Promotionsbetreuung haben, regeln die Promotionsordnungen.
Die Graduierten-Akademie bietet regelmäßg im Sommersemester einen deutsch- oder englischsprachigen Workshop zur Promotionsbetreuung an. Sie finden diesen im QualifizierungsportalExterner Link. Für Tenure-Track-Professor/innen, Juniorprofessor/innen und Nachwuchsgruppenleiter/innen bietet die Personalentwicklung außerdem einen Weiterbildungsworkshop zur Promotionsbetreuung im Rahmen des Tenure-Track-Qualifizierungsprogramms an, den Sie ebenfalls im QualifizierungsportalExterner Link finden.
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Gremienarbeit
Gremienarbeit gehört nicht zu den Schwerpunkten von wissenschaftlichen Stellen, hat aber an deutschen Hochschulen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Hochschulen sind in akademischer Selbstverwaltung organisiert: Wichtige Entscheidungen werden von Gremien wie dem Senat, den Fakultätsräten und den entsprechenden Ausschüssen getroffen. Von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird erwartet, dass sie zur Mitarbeit in Gremien und zur Übernahme von Aufgaben für das Institut, die Fakultät oder die Gesamtuniversität bereit sind.
Eine Übersicht über die zentralen Gremien der Friedrich-Schiller-Universität finden Sie auf der Seite des Senats und des Beirats für Gleichstellungsfragen.
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Administration, Projektmanagement, Führung
Nach dem Promotionsprojekt als dem ersten großen Forschungsprojekt ist in der Postdoc-Phase oft die Übernahme von Projekten dran, die mehrere Personen und mehrere parallele Bausteine umfassen. Dabei gewinnen Postdocs oft Erfahrungen in Administration, Budgetverwaltung und Personalführung - Fähigkeiten, die ein wissenschaftliches Profil bereichern.
Falls Sie im Rahmen Ihrer Anstellung oder Ihres Stipendiums wenig Gelegenheit haben, sich in diesen Bereichen weiterzuentwickeln, können Sie dafür andere Möglichkeiten finden. Dies kann zum Beispiel ein kleineres Projekt mit Fachkollegen (Ausrichtung einer Tagung oder eines Workshops inklusive Mitteleinwerbung dafür, Publikationsprojekt etc.) oder auch ein gemeinsames Projekt im Rahmen der Lehre oder im Rahmen eines freiwilligen Engagements sein.
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Wissenschaftskommunikation und Anwendung
International wird es schon lange geschätzt, wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihrer Forschung auch direkt in die Gesellschaft hineinwirken. Auch in Deutschland gewinnt das zunehmend an Bedeutung. Was wäre Corona ohne Christian Drosten, die großen Zeitungen ohne Wissenschaftsteil oder eine gute Talkshow ohne Experten aus der Wissenschaft? Auch in der Politikberatung und in Initiativen und Vereinen sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktiv. Was passt zu Ihnen und Ihrem Forschungsgebiet?
Ein wichtiger erster Anlaufpunkt bei Fragen zur Kommunikation von Wissenschaft ist die Abteilung Hochschulkommunikation mit ihrem Service für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie können auch eine Vorlesung für Kinder im Rahmen der Kinderuni geben. Die Graduierten-Akademie bietet im QualifizierungsprogrammExterner Link regelmäßig Workshops zum Thema Wissenschaftskommunikation an.