Prof. Dr. med. Marie von Lilienfeld-Toal
»Was ist das Schwerste von allem? Was dir das Leichteste dünket: mit den Augen zu sehen was vor den Augen dir liegt.«
(Johann Wolfgang Goethe)
Werdegang
1998 · Studienabschluss
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
1999 · Promotion
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
2010 · Habilitation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
2013 · Erste Professur
Friedrich-Schiller-Universität Jena
seit 2023 · Ruhr Universität Bochum
Interview
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit als Wissenschaftlerin? Weshalb haben Sie sich für die Wissenschaft entschieden?
Ich bin neugierig, ich mag Geschichten, spiele gerne und löse gerne Rätsel - alles das findet sich in der Wissenschaft wieder. Insbesondere in der Medizin ist das der Unterschied zur rein klinischen Routine - Sorgfalt, analytisches Denken und Verantwortung wird von wissenschaftlich tätigen ebenso wie von nicht-wissenschaftlich tätigen Ärztinnen und Ärzten gefordert.
Welche Vorbilder haben Sie beruflich geprägt?
Mein Vater Prof. Hermann v. Lilienfeld-Toal, mein erster klinischer Lehrer Prof. Tilman Sauerbruch, meine Mentorinnen und Mentoren Prof. Axel Glasmacher, Prof. Angela Märten und Prof. Gordon Cook. Alle vermittelten mir Gründlichkeit, sei es im Experiment, in der Literaturrecherche oder in der Untersuchung einer Patientin oder eines Patienten, sowie die kritische Analyse der Befunde, deren Einordnung in den Gesamtzusammenhang und das geradlinige Eintreten für die Ergebnisse, die Erkenntnisse oder die Patientinnen und Patienten.
Wer oder was hat Ihnen auf dem Weg zur Professur am meisten geholfen? Welche resp. wessen Unterstützung war Ihnen besonders wichtig?
Die wichtigste Unterstützung kam aus der Familie - meine Eltern und Geschwister, die die Grundlage gelegt haben und mein Mann, der sich bewußt für eine Wissenschaftlerin entschieden hat und dessen Unterstützung immer die Form annimmt, die gerade notwendig ist.
Ist Ihre Karriere gradlinig verlaufen – und wie haben Sie eventuelle Umwege und Durststrecken bewältigt?
Nein, ich glaube nicht, dass irgendeine Karriere geradlinig verläuft. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass, wenn man sich selber treu bleibt, alle Umwege und Durststrecken doch einen Sinn haben und ultimativ zum Erfahrungsschatz beitragen. Meine Mutter brachte das auf den Punkt: entweder es ist gut für die Karriere oder es ist gut für den Charakter.
Akademische Karrieren sind oftmals von einem großen Maß an Unsicherheit geprägt. War das bei Ihnen auch der Fall – und wie sind Sie damit umgegangen?
Ja, das war auch der Fall. Immer, wenn ich kurz vor dem Aufgeben war, passierte etwas, das doch wieder den wissenschaftlichen Werdegang bestätigte - ein Paper wurde angenommen, ein Antrag kam durch, ein Stipendium tat sich auf. Wichtig ist, diese Bestätigungen auch als solche wahrzunehmen und positiv zu bewerten.
Für wie wichtig halten Sie Networking in Ihrem Beruf? Gibt es eine besondere Strategie, die Sie dabei verfolgen?
Wichtig, sollte aber nicht überbewertet werden. Mir fällt kein Zacken aus der Krone, wenn ein vereinzeltes Treffen langweilt oder anstrengend ist, andererseits bedeutet es auch nicht das Ende der Karriere, wenn ich mal partout keine Lust habe, mit jemandem den Abend zu verbringen, den ich nicht mag. Die gute Nachricht ist: je länger man dabei ist, desto mehr wirklich sympathische Menschen lernt man kennen und irgendwann entsteht Networking von alleine, weil es Spaß macht, mit interessanten Leuten Zeit zu verbringen und Ideen auszutauschen.
Wie schaffen Sie es, einen solch anspruchsvollen und fordernden Beruf mit dem Privatleben in Einklang zu bringen?
Einklang? Welcher Einklang? Das aktuelle Lieblingsbuch meines Sohnes trägt den Titel »Wo ist Mami?« Es ist eine tägliche Balance aller Prioritäten - wichtig ist, dass alle Familienmitglieder ausreichend beachtet werden und dass man sich alle Hilfe und Unterstützung holt, die man irgend bekommen kann - koste es, was es wolle. Da habe ich besonderes Glück mit meiner Familie und dem Freundes- und Bekanntenkreis. Trotzdem wird es oft genug sehr eng und die Zeit zu knapp.
Ihre Tipps für Nachwuchswissenschaftlerinnen: Was sollten sie keinesfalls versäumen zu tun? Und was sollten sie unbedingt vermeiden?
Ohne dass ich für mich behaupten kann, das selber immer vollkommen zu berücksichtigen: Sie sollten auf keinen Fall die Wendepunkte im Leben versäumen - wann ist es Zeit, eine neue Stelle anzunehmen, ein neues Projekt zu beginnen oder gerade bei etwas zu bleiben, wann ist es Zeit, eine Entscheidung aus privater Motivation zu treffen? Diese Wendepunkte kommen von innen und folgen keiner exemplarischen Biographie, daher müssen sie oft gegen die Außenwelt duchgesetzt werden. Unbedingt vermeiden sollten sie, beleidigt zu sein und irgendwelche Kränkungen persönlich zu nehmen - das frißt nur Energie und vernebelt das Denken.
Sind Wissenschaftlerinnen an der Universität Jena gut aufgehoben? Was macht die Universität Jena für Sie attraktiv?
Wissenschaftlerinnen sind in Jena genau so gut aufgehoben wie anderswo. Allerdings war ich bei meiner Ankunft hier erstaunt, dass trotz gutem wissenschaftlichen Umfeld und ausgezeichneter Infrastruktur relativ wenig Frauen in Führungspositionen sind - ich habe noch nicht herausgefunden, woran das genau liegt.