Dörte Meeßen, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Philosophischen Fakultät
Ich habe in der digitalen Lehre seit April 2020 unterschiedliche Lehrkonzepte getestet: Von der rein asynchron angelegten Übung (mit audiovisuellem Materialangebot wie Videos, mündlich kommentierten Präsentationen, Aufgaben und Selbsttests bei Moodle) über eine Mischung aus asynchronen Selbstlernphasen und synchronen Online-Meetings bis hin zu einem Seminar mit wöchentlichen Videokonferenzen und zusätzlichen asynchron abzurufenden Materialien.
Am besten hat für mich die ,goldene Mitte‘, also die Mischung aus asynchronen und synchronen Lernphasen funktioniert, denn sie vereint die Vorteile der digitalen Lehre: Zeit- und ortsunabhängiges Lernen und das Vernetztsein mit Kommiliton:innen und Lehrkräften in Meetings und Chats. Bei diesem Konzept treffen sich die Studierenden und die Lehrperson alle 2–3 Wochen in Videokonferenzen und besprechen Aufgaben und Fragen der Selbstlernphasen. Oft ergeben sich daraus interessante Seminardiskussionen. An den allein oder in Gruppen bearbeiteten Aufgaben erkennt man als Lehrkraft den ,Stand‘ der Seminarteilnehmenden und sowie etwaige Probleme oder Fragen, auf die man bei einer individuellen Kontaktaufnahme mit dem Studierenden eingehen kann oder gemeinsam im Plenum in einer Videokonferenz. Besonders wichtig war mir in den digitalen Semestern das Feedback für die Studierenden: Viele sind unsicher und wollen und müssen wissen, was sie gut und/oder vielleicht nicht so gut gemacht haben und wollen sich stetig verbessern und Neues lernen. In der Präsenzlehre sendet und empfängt man als Lehrperson häufig Signale der Rückmeldung – in der digitalen Lehre ist dies nicht selbstverständlich, deswegen halte ich das Feedback der Lehrperson (und auch das Peer-Feedback der Studierenden untereinander) für wichtiger denn je.
In der rein digitalen Lehre erscheint mir die Abwechslung zwischen synchronen und asynchronen Lernphasen am effektivsten, weshalb ich dies für meine beiden Seminare im WS 2021/22 wieder so plane. Zukünftig möchte ich gerne noch stärker kollaborative Konzepte in meine Lehre einbauen, bei denen (vor allem) die Studierenden zu Beginn ihres Studiums noch stärker in Kleingruppen (Anbahnung von Chatgruppen) zusammenarbeiten sollen (und einander Peer-Feedback geben). Dies fördert den Kontakt zwischen den Studierenden, der in den digitalen Semestern oft zu kurz gekommen ist.
Besonders fruchtbar in der digitalen Lehre war und ist die Möglichkeit, Gastvorträge von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Videokonferenzen abzuhalten (so konnten an einem Seminar Lehrende und Studierende aus ganz Deutschland teilnehmen, ohne dass jemand eine vielleicht beschwerliche Reise auf sich nehmen musste). In der Zukunft kann ich mir sehr gut vorstellen, dass man auch in die übliche Präsenzlehre einzelne Videokonferenzen mit Gastvorträgen einbaut (dies ermöglicht einen guten Austausch über die eigene Universität oder das eigene Fach hinaus).
Bei der Prüfungsform bin ich in allen drei digitalen Semestern von der Vorgabe im Modulkatalog abgewichen: Statt einer Präsenzklausur habe ich von den Teilnehmenden ein Online-Essay gefordert, das dem Umfang einer Klausur in etwa entspricht. Für das Verfassen des Essays hatten die Studierenden nach der letzten Seminarsitzung eine Woche lang Zeit. Anders als bei Klausuren gab es keine reine Wissensabfrage, sondern Transferaufgaben und Fragen, bei denen die Reflexion des Gelernten sowie die Einschätzung eines Forschungsstandes auf der Grundlage der erworbenen Kenntnisse im Vordergrund standen.
Die Prüfungsform ,Essay‘ gibt den Studierenden mehr Freiheiten in der Formulierung ihrer Antworten als dies in einer Klausur der Fall ist: Das Essay lässt viel Spielraum, um Gelerntes zusammenzufassen und anzuwenden (z.B. bei der Einordnung oder Einschätzung eines Sachverhaltes) und kann dabei unterschiedliche Formen annehmen, z.B. die Form einer Reflexion (in der vor allem der individuelle Lernfortschritt herausgestellt wird) oder die Form eines Kommentars (bei dem es vor allem um die Darstellung der eigenen Fähigkeit geht, zu Theorien und Methoden Stellung zu beziehen). Gleichzeitig verlangt das Essay aber nicht die wissenschaftliche Tiefe bei der Recherche wie dies bei einer schriftlichen Hausarbeit der Fall ist und belastet die Studierenden nicht unverhältnismäßig hinsichtlich ihres Workloads. Die Ergebnisse der Essays entsprachen im Durchschnitt den Ergebnissen der Präsenzklausuren der Semester davor.