Studierende mit Mund-Nasen-Bedeckung in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek

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Studierende mit Mund-Nasen-Bedeckung in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek
Image: Jens Meyer (University of Jena)

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Themenfokus im Sommersemester 2021: Fair in der Pandemie

Excursus in winter semester 21/22: Still incompatible in the pandemic

Research around gender equity in the Corona pandemic.

Excursus in winter semester 21/22: Still incompatible in the pandemic

On the subject: Still incompatible in the pandemic

In this digression, we talk about the current state of gender equity in care work during the second pandemic winter of 2021/2022.

For this we have interviewed two women of the University:

Anja Dragowsky gives us insights into her practice as the person in charge of the family office, and thus as the contact person in questions concerning the compatibility of work or studies and family.

Dr. Eva Tolasch, as the Equal Opportunity Officer of the Faculty of Social and Behavioral Sciences and as a sociologist in the fields of parenthood and care work, assesses the current situation from a personal perspective.

At the same time, we would like to present the diversity of female biographies at the Friedrich Schiller University and provide insight into the daily work and areas of responsibility. Not incidentally, we would like to "give a face" to women whom you may only know as a name on letterheads or as a voice on the telephone.

When women are referred to in the following, this refers to a social position(ization) with (in)social effects in gender relations. The designation woman is at the same time open and closed: Open, because woman cannot be reduced to femininity along biological attribution criteria, but is quite open to gender diversity. Closed, because the term woman is strongly heteronormatively imbued and not infrequently associated with exclusion and rejection of gender diversity. An attempt to keep the term open is the spelling with gender asterisk - Frau*/Frauen*-, which is used in the text by Dr. Eva Tolasch. Both spellings, i.e. with and without gender asterisk, refer to the open character of the term.

 

 

Portrait Anja Dragowsky
Portrait Anja Dragowsky
Image: Anja Dragowsky

Anja Dragowsky, M.A.

Lassen Sie uns mit Ihrer Person beginnen: Wie sind Sie an die Hochschule gekommen? Was sind ihre Aufgabenbereiche?

 Ich habe an der Friedrich-Schiller-Universität studiert und 2008 meinen Magisterabschluss in Sozialwissenschaften gemacht. Und wie das Leben so spielt, habe ich Anfang 2009 als Überbrückung vor dem Berufsstart, im Rahmen des Projektes „Familie in der Hochschule“ als wissenschaftliche Hilfskraft angefangen. Aus dem Projekt heraus wurde, in Kooperation mit dem Studierendenwerk Thüringen, 2011 das Hochschul-Familienbüro gegründet – und seit seiner Gründung bin ich dort als Koordinatorin tätig.

Die Projektarbeit war ursprünglich bei Professor Koschmieder (ehemaliger Prorektor für Lehre und Struktur) angesiedelt und er hat das Hochschul-Familienbüro in seiner Gründung oft als „One-Stop-Agency“ bezeichnet – und dies trifft es im Grunde sehr gut.

Durch die gute Vernetzung zu den verschiedenen Akteuren inner-, aber auch außeruniversitär sowie die Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen im Rahmen des Vereins „Familie in der Hochschule“, ist das Hochschul-Familienbüro eine erste Anlaufstelle für Hochschulangehörige mit Familie. Dabei wird Familie nicht im „klassischen“ Sinne verstanden, sondern entsprechend der Pluralität von Familienformen und -phasen. Die Hochschulangehörigen mit ihren individuellen Betreuungsaufgaben, finanziellen Anfragen aber auch häuslichen Pflegeaufgaben finden hier Informationen und Beratung nach Bedarf.

Neben der Beratung zum Thema Vereinbarkeit, werden auch (Familien)Veranstaltungen organisiert sowie (außer)universitäre Veranstaltungen begleitet, neue Projekte initialisiert und beispielsweise auch die Antragstellung für das Familiensiegel sowie die Re-Zertifizierung lief über das Familienbüro.

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage für Frauen (besonders in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf oder Studium und Familie) im zweiten „Corona-Winter“ ein? Was hat sich Ihrer Meinung nach verbessert oder verschlechtert?

Das erste Corona-Jahr ist mir noch sehr gut in Erinnerung. Eine ganz neue Situation und gerade Familien haben sich komplett neu organisieren müssen. Die Schließung von Kindertagesstätten und Schulen, die Umstellung auf Homeoffice, Homeschooling bis hin zu Quarantäne – eine ganz neue Herausforderung. Und gerade für Studierende eine schwierige Situation – Prüfungsvorbereitung mit Kleinkind, ist nur bedingt vereinbar. Gab es zu Beginn noch die Option der Betreuung bei der flexiblen Betreuung JUniKinder am Campus, musste auch diese aufgrund der steigenden Inzidenzen geschlossen werden. Mit der Umstellung auf Online-Formate und den angepassten Zugangsvoraussetzungen zur (Not)Betreuung wurde zu einer vorsichtigen Entlastung der Familien beigetragen.

Daneben haben die weitreichenden Homeoffice-Regelungen und Flexibilisierungen der Arbeitszeit für viele Familien eine Vereinbarkeit von Studium/Beruf und Familie erst ermöglicht.

Geändert hat sich im zweiten Corona-Jahr, dass sich Familien mittlerweile (gut) mit Homeoffice und Homeschooling arrangiert haben. Kurzfristige Änderungen bei der Betreuung, Wechsel ins Homeoffice, weitgehende Akzeptanz Vorgesetzter zu familiären Verpflichtungen – dies ermöglicht den Familien oftmals erst den Spagat der Vereinbarkeit.

Was wären Maßnahmen, die Ihrer Meinung nach zur Verbesserung der Situation von Frauen an der Universität unter den aktuellen pandemischen Gegebenheiten führen würden?

In den Beratungen geht es immer wieder auch um Frauen in der Wissenschaft, die sich im Rahmen ihrer Qualifizierung vor der Herausforderung gekürzter Öffnungszeiten in Betreuungseinrichtungen sehen. Fehlt ein soziales Netzwerk – auch bedingt durch die Kontaktbeschränkungen – stehen diese Familien unter enormen Belastungen. Da sind Homeoffice-Regelungen und weitreichende Online-Formate sicherlich eine Möglichkeit.

Im Familienbüro unterstützen wir zudem ganz individuell beispielsweise bei der Frage des Aufbaus eines Betreuungsnetzwerkes oder auch bei der Suche nach geeigneten Babysittern, um diese Zeiten gut zu meistern und die Familien zu entlasten. Eine durch die Universität unterstützte Entlastung mit einem Babysitterpool auf den Eltern im Notfall (und zeitlich begrenzt) zugreifen kann oder auch eine finanziell unterstützte Ferienbetreuung für Eltern von Schulkindern, wäre sicherlich ebenso eine gute Entlastung.  

Zum Schluss nochmal ganz persönlich: Wie sieht bei Ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus? Und wie ist Ihre persönliche Lage in der Pandemie?

Vereinbarkeit heißt für mich ein Höchstmaß an Flexibilität. Ich arbeite in Teilzeit und als Alleinerziehende mit 3 Kindern (10, 8, 6) ist dies für mich genau das richtige Maß, um den beruflichen aber auch den familiären Anforderungen gerecht zu werden.

Im Familienalltag gibt es aber natürlich feste Strukturen und ein gutes soziales Netz – dann haben wir auch mal eben 4 Kinder daheim und es geht trubelig zu und manchmal sind dann nur noch 2 Kinder daheim und es ist merkwürdig still – was wir dann auch genießen.

Wichtig ist sich Auszeiten zu nehmen und für Entlastung zu sorgen – lastet die Verantwortung nur auf einem Elternteil, umso wichtiger. Ich empfehle Eltern bewusst „faule“ Tage einzulegen. Der Schulalltag meiner Jungs und mein Arbeitsalltag (zusammen mit den Herausforderungen des Familienalltags) sind anstrengend genug – da muss es am Wochenende zum Beispiel kein 3-Gänge-Menü sein.

Auch wenn man mit Familie gern plant – die Pandemie hat uns ein Stück weit gezeigt, dass man manches auch entspannt angehen kann. Wir haben zwei Jahre Corona und die ein oder andere Quarantäne erlebt – auch meine Jungs sind technisch mittlerweile sehr versiert, wenn es doch mal wieder ins Homeschooling geht.

Der familiäre Zusammenhalt ist durch Corona eindeutig stärker geworden und auch wenn Brüder manchmal „doof“ sind – in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Quarantäne lernt man Familie ganz neu zu genießen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Pandemie ein Ende hat, Kinder wieder ohne Kontaktbeschränkungen ganz Kind sein dürfen, es statt (Kontakt)Quarantäne „nur“ ein einfaches Kindkrank gibt und in allen Lebensbereichen wieder Normalität einkehrt.

Portrait Eva Tolasch
Portrait Eva Tolasch
Image: Eva Tolasch

Dr. Eva Tolasch

Lassen Sie uns mit Ihrer Person beginnen: Wie sind Sie an die Hochschule gekommen? Was sind ihre Aufgabenbereiche?

Ich arbeite als Postdoc am Institut für Soziologie mit einem starken Schwerpunkt auf Geschlecht als soziale Ungleichheitsdimension. Care (insbesondere Mutterschaft), Ernährung, Körpergewicht und Gewalt sind meine Forschungsschwerpunkte.

Vor der Friedrich-Schiller-Universität Jena war ich in unterschiedlichen Positionen an Hochschulen tätig (LMU München, Universität Göttingen, Frankfurt UAS und Universität Innsbruck). Meine Dissertation habe ich zu dem Thema „Die protokollierte gute Mutter in Kindstötungsakten“ verfasst. Derzeit habilitiere ich zum Thema Fürsorgeverantwortlichkeiten zwischen öffentlichen Zugriff und individuellen Eigensinn im Gesundheitsfeld geschlechterkritisch reflektiert. Dies am Beispiel von Säuglingsernährung und Körpergewicht.

Wie ich zu dieser Position gekommen bin? Ich habe mich auf die „Postdoc“-Stelle beworben, da diese überaus gut vom Profil gepasst hat und mir die Arbeiten von der Arbeitsbereichsinhaberin sehr vertraut waren.

Nicht nur mein Arbeitsplatz, sondern auch das Institut für Soziologie ist aus meiner Sicht ein ganz besonders attraktiver Ort.

Die Kombination von kritischer Reflexion der Macht- und Herrschaftsverhältnisse und eine sehr gute Methodenausbildung, ohne dabei die Theorie zu vernachlässigen, ist ein gesellschaftlich relevanter wissenschaftlicher Zugang – gerade im Hinblick auf soziale Ungleichheiten. Es ist ein Ort, an dem strukturelle Position(ierung)en, die zu Ausschluss und Verwerfung entlang unterschiedlicher Differenzdimensionen – wie beispielsweise Behinderung, Generation, Geschlecht, Klasse, Milieu – führen können, kritisch fokussiert werden.

Zwei weitere doch eher persönliche Gründe waren retrospektiv sicherlich von enormer Bedeutung. Da das Private durchaus auch politisch ist, um den Slogan aufzugreifen, erzähle ich gern darüber: Meine Mutter in ihrer Vorbildfunktion und die Lektüre „Häutungen“. Wobei die eigene (un)gleiche Situiertheit in (Geschlechter-)Verhältnisse den Blick für bestimme Problemstellungen schärft. 

Ein Schlüsselerlebnis war das Buch „Häutungen“ – ein Zusammenspiel unterschiedlicher Texte wie Tagbucheinträge und Gesprächsauszüge – von Verena Stefan, welches in der Frauen- und Lesbenbewegung zu verorten ist (weitere Informationen zum Buch finden Sie hier: https://geschichtedergegenwart.ch/die-faelschungen-der-eigenen-geschichte-korrigieren-poesie-und-politik-in-verena-stefans-haeutungen/External link). Das Buch habe ich damals in der Oberstufe gelesen und rezensiert. Danke an Randolf Retzlaff an dieser Stelle, meinen damaligen Klassenlehrer, der oft gesellschaftskritische Sichtweisen ins Klassenzimmer geholt hat. Und danke an den damaligen Frauenbuchladen in Hamburg-Eppendorf, der mich beim Schreiben mit weiterführender Lektüre inspiriert hat. Cloe, eine junge Frau, ist die Hauptprotagonistin des Buches und wir werden Zeug:innen, wie sie sich in patriarchalen Interaktionen, Sprechweisen etc. wiederfindet, die das Verhältnis zu sich und anderen (fremd-)bestimmt. Der weibliche Körper wird einer patriarchalen Kolonialisierung ausgesetzt, von dem sie sich emanzipieren will. Häutungen. Das Script ist männlich. Auch wenn das Buch aus den unterschiedlichsten Gründen kritisiert wurde, ist für mich eine Frage sehr zentral geblieben: Wenn zwei – in diesem Fall Männer* und Frauen* – das gleiche tun, warum wird es dann unterschiedlich bewertet? Und welche Folgen hat das? Dies waren Fragen, die dann auch zentral für meine Dissertation zu Diskursen von Müttern* und Vätern* im Strafrecht wurden. Gerade das Strafrecht ist ein Feld, das häufig mit Neutralität und Objektivität verbunden wird und als geschlechtsneutral erscheint. Aber auch das Recht ist kulturell durchsetzt und nicht frei von Geschlechtsstereotypen. Und es ist ein besonderes Feld, was nicht zuletzt über Freiheit und Inhaftierung, wie Michel Foucault aufgezeigt hat, bestimmt.

Das andere Schlüsselerlebnis ist ganz sicher die Vorbildfunktion meiner Mutter. Sie hat mit drei Kindern alleinerziehend – über 90 Prozent Alleinerziehende sind weiblich – ihr Studium erfolgreich abgeschlossen und mich sehr unterstützt. Dies war sicherlich auch herausfordernd für sie. Und nicht, weil sie sie ist, sondern weil sie eine Frau* ist und als Mutter ungleich positioniert wird. Die Scheidung meiner Eltern war vermutlich auch ein entscheidender Punkt, der viele Geschlechter- und Carefragen aufgeworfen hat. Wer sorgt sich? Welche materiellen Auswirkungen hat die Trennung? Wer ist da? Wer zahlt nicht? Wer entscheidet über die Kinder? Gibt es Hilfen? Welche normativen Bilder von guter Elternschaft haben diese Hilfen? Gibt es Konflikte bei der Trennung und wie werden diese ausgetragen? Haben die Kinder Mitspracherecht? Werden sie als eigenständige Akteur:innen wahrgenommen? Ich erwähne die Scheidung nicht, weil ich es dramatisch finde, wenn Eltern sich trennen, aber hier werden gesellschaftliche (Ordnungs-)Verhältnisse höchst virulent, transparent und vor allem leiblich spürbar.

Und hätte ich die Werke „Illusion der Chancengleichheit“ (Bourdieu) und „Illusion der Emanzipation“ (Koppetsch/Burkart) bereits in der Schule gelesen, wären diese sicherlich auch eine Ermunterung für die Hochschule gewesen.

Dazu: Auch Texte zur Frage, wer eigentlich (nicht) repräsentiert wird, wer eigentlich (nicht) sprechen kann und wie zu welcher Zeit über was gesprochen werden kann, – wie wir in die „Spiele der Wahrheit“ eingebunden sind (Foucault) –, sind zentrale Fragen, die ebenfalls auf Chancen(un)gleichheit verweisen und zeigen, dass sich intervenieren, aushandeln etc. lohnt (etwa Angela Davis, Gayatari Spivak, Barbara Duden, Judith Butler, Michel Foucault).

Wie schätzen Sie die aktuelle Lage für Frauen im zweiten „Corona-Winter“ ein?

Da vor allem Frauen* empirisch gesehen maßgeblich für die Sorgearbeit von Angehörigen (Kinder oder die eigenen Eltern etwa), trotz aller Gleichheitsrethorik „wir teilen uns die Arbeit“, zuständig sind, sind viele – nicht alle! – Frauen* sehr hart von der Pandemie betroffen. Aber die Frauen gibt es nicht. Frauen* sind ganz unterschiedlich in gesellschaftliche Verhältnisse eingebunden und haben entsprechend (un)gleiche Ressourcen und Rahmenbedingungen den Alltag zu bewältigen. Da die Betreuung (Schließung der Betreuungseinrichtungen wie Kita, Schule etc.) nicht mehr gewährleistet ist und fremde Hilfe in Coronazeiten aufgrund der Kontaktregeln schwierig ist, trifft die Pandemie ganz sicher alleinerziehende Frauen* oder Frauen* in Partnerschaft(en), die hauptverantwortlich die Sorge um Kinder (inkl. Haushalt etc.) im Homeoffice übernehmen, besonders hart. Noch stärker sind diese sicherlich betroffen, wenn materielle Sorgen dazu kommen und keine Care-Unterstützung von der Familie, Freund:innen und Verwandten, als auch Bekannten zu erwarten ist. Hier kann man absolut von einer Unvereinbarkeit von Beruf/Studium/Ausbildung und Familie sprechen: Wie soll es gehen für die Kinder da zu sein und gleichzeitig der Tätigkeit (Beruf, Ausbildung oder Studium) nachzugehen? Und was immer wieder unsichtbar gemacht wird, ist neben dem Sorgen auch das Mehr an Hausarbeit: Kochen, Abwaschen, Wäsche, Wohnung aufräumen. „Vermischtes Tun“ hat Ilona Ostner das damals genannt. Zu sagen, dann kann man sich am Abend noch kümmern, funktioniert so auch nicht. Wer bewältigt das Chaos? Wer kümmert sich? Wer organisiert das ganze Familienprojekt? Im öffentlichen Diskurs schwirrt derzeit der Begriff „Mental Load“ herum. Das familiale Gesamtmanagement – Organisation und Verantwortung – obliegt häufig der Frau*, auch wenn der Mann* mitmacht. Dabei lohnt sicher auch ein Blick auf die Zeitbudgeterhebung (Zeitaufwendung für Sorgearbeit von Frauen* und Männer* klaffen enorm auseinander). Die Hauptlast der Sorge lastet auf den Schultern der Frauen*.

Dazu wurden von unterschiedlichen Studien aufgezeigt, dass es in einigen Familien, in denen es eine egalitäre Aufgabenverteilung gegeben hat, diese sich während der Corona-Pandemie zu Gunsten einer sogenannten traditionellen (das Wort ist ungeschickt – Was heißt denn Tradition? Das Frauen* Haushalt, Kinder, Erziehung üblicherweise übernehmen?) Aufgabenteilung zwischen Mann* und Frau* verschoben hat.

Aber zurück zu den Differenzen unter Frauen*: Viele Frauen* ohne Sorge um Pflegebedürftige oder Kinder, die vorher gependelt sind und jetzt aufgrund von Homeoffice zu Hause sind, sind ggf. sogar privilegiert. Es trifft nicht alle gleich.

Und ja es gibt ganz sicher die Väter* mit Sorgeverantwortung, die es genauso betrifft und die, die sich tatsächlich die Arbeit gemeinsam mit der Frau* teilen. Aber das sind empirisch gesehen die Ausnahmen. Sorgearbeit ist feminisiert und die harten Folgen der Coronapandemie ebenfalls. Folgen sind Überforderung, enormer Stress, der durchaus auch krank machen kann, Leistungseinbußen (z.B. Veröffentlichungen in der Wissenschaft gehen bei Frauen* zurück) und weniger Geld bis hin zur Armut (siehe Armuts- und Reichtumsbericht). Und bekannt ist auch, dass der berufliche Wiedereinstieg für Frauen* nach dem ersten Lockdown schwerer war als für Männer* (Studie Hans-Böckler-Stiftung).

Auch wenn jetzt viele Sorgeverantwortlichen mit Unvereinbarkeitsproblemen kaum noch laut werden oder auch wurden, heißt es nicht, dass es kein Problem mehr ist. Ich lese das als Resignation und auch mangelnde Zeitressourcen unter diesen Umständen.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigen gesellschaftlichen Veränderungen, zur Verbesserung der Situation von Frauen unter pandemischen Gegebenheiten?

Grundsätzlich: Dass Gleichstellung nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sondern zur Praxis wird. “Taten statt Worte“, wie es von den bewegten Frauen* so richtig hieß. Und die Anerkennung von unbezahlter Reproduktionsarbeit. Im Sinne von Barbara Duden: Liebe (etwa Klatschen!) allein reicht nicht, sondern Lohn. Es darf nicht sein, dass die, die sich um andere sorgen, nicht versorgt werden.

Das Wichtigste ist Konzepte und Maßnahmen zu entwickeln, die die strukturellen Eingebundenheiten von Sorgenden* im Fokus haben. Dass diese Probleme nicht als individuelle Probleme behandelt werden, sondern der Blick auf die Ordnungen des Gesellschaftlichen gelegt wird.

Als Beispiel zu den Herausforderungen des universitären Alltags: Es müsste bei Bewerbungsverfahren tatsächlich berücksichtigt werden, dass in vielen Fällen von Sorgenden weniger Leistung (Veröffentlichungszahlen etwa) erbracht wurde – dies nicht nur rhetorisch, sondern auch in der Praxis. Es müsste bei allen Stellen, die von Sorgeverantwortlichen (Kinder, Pflege von Angehörig:innen) besetzt werden, unabhängig von den vorgesetzten Personen und unabhängig von den genauen Stellen – bei Qualifizierungsstellen (Projekt, Haushaltsstellen, Zusatzstellen) zum Beispiel – dafür gesorgt werden, dass die Stellen verlängert werden. Die Hochschulen bräuchten entsprechend mehr Budget. Auch müsste solidarisch geschaut werden, wie die Arbeit ggf. anders verteilt werden kann.

Hilfefonds für private Betreuungsmöglichkeiten ohne formale Verwaltungshürden wären sicher auch sinnvoll. Dazu müsste die Diversität der Mitarbeitenden und Studierenden berücksichtigt werden. Beispielsweise gibt es viele Pendler:innen, da nützen Betreuungsangebote für Kinder in Jena zwar vielen Mitarbeitenden, aber eben nicht allen. Es müssten Räume der Vernetzung geschaffen werden. Es könnte Online-Kinder- und Jugend-Betreuung für Hausaufgaben oder gemeinsames Spielen eingerichtet werden. Einige dieser und weiterer Punkte finden sich auch in der Stellungnahme des Beirats für Gleichstellungsfragen (Link: https://www.soziologie.uni-jena.de/sozmedia/genderkommission/stellungnahme-des-gleichstellungsbeirates.pdf?nonactive=1&suffix=pdf [PDF, 284 KB] [pdf, 284 kb]External link ).

Es sollten bei allen Preisen etc. Diversität mitgedacht werden. Und in einer solchen Zeit auf Solidarität gesetzt werden und nicht auf Wettbewerb unter denen, die zeitlich und bezogen auf Ressourcen privilegiert sind. Hier ist der Vorschlag der zentralen Gleichstellungsbeauftragen – im Zuge des LiP-Awards (Lehre in Pandemiezeiten Award) – einer kollektiven Nominierung aller Sorgeverantwortlichen, die die Lehre in Pandemiezeiten aufrechterhalten haben, eine wichtige geschlechtergerechte Geste gewesen.

Und bezogen auf Rahmenbedingungen im Allgemeinen: Es gibt allgemeine Rahmenbedingungen auch schon vor der Pandemie, die in der Pandemie nochmals besonders brisant werden. Um nur drei Beispiele zu nennen:

Auch wenn die Daten und Fakten so klar nicht sind, muss berücksichtigt werden, dass Familie gerade in Zeiten von Homeoffice und Stress nicht nur ein romantischer Raum der Liebe und Fürsorge ist, sondern auch des Konfliktes, der Krise, des Streites und auch der häuslichen Gewalt (Partner:innen) und Gewalt an Kindern.

Ganz anders gelagert – Stichwort Ehegattensplitting etwa. Wenn eine Person in Teilzeit arbeitet oder gar nicht wird diese Ungleichheit quasi begünstigt. Das sind vor allem die Frauen auf Teilzeitstellen und die, die den Haushalt machen.

Darüber hinaus müsste es flächendeckend – auch auf dem Lande und auch jenseits der Pandemie – qualitativ gute Betreuungs- und Bildungseinrichtungen und flexible Mobilität geben. Gerade auf dem Land ist die Mobilität (Bus, Bahn) noch eine große Herausforderung. Und auch die Ganztagsbetreuung gibt es noch nicht flächendeckend. Es geht darum die Wahl zu haben und überhaupt entscheiden zu können Beruf und Familie vereinbaren zu können.  

Was hat sich verbessert und verschlechtert? In Kürze: Insgesamt zeigt sich, dass bestehende geschlechtsbezogene Ungleichheiten, die es vor der Pandemie schon gegeben hat, bei vielen Betroffenen durch die Pandemie, verstärkt werden.

Es gibt noch viel zu tun!

Zum Schluss nochmal ganz persönlich: Wie sieht bei Ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus? Und wie ist Ihre persönliche Lage in der Pandemie?

Als Akademikerin, Pendlerin und Mutter von zwei Kindern, die derzeit doch relativ gut abgesichert ist, mit einem befristeten Vertrag (wie leider üblich im Mittelbau – betrifft über 90 Prozent der Stellen an der Hochschule – eine interessante Initiative dazu: https://mittelbau.netExternal link #IchBinHanna #HannaOrganisiertSich), bin ich insofern privilegiert, dass mein Partner und ich uns die Sorge teilen und aushandeln können, wer, wann, was macht. Können heißt, dass es aufgrund unserer beruflichen Eingebundenheit die Möglichkeit dazu überhaupt gibt. Danke an meine Chefin, Danke an die Universität Jena, die hier Strukturen mit Freiräumen eröffnet. Das erlebe ich als Privileg. Aber auch bei uns kann häufig von Vereinbarkeit nicht mehr die Rede sein. Das ist dann der Fall, wenn ins Homeschooling gewechselt wird oder die Schule schon wieder früher endet, weil Unterricht ausfällt. Dann stellt sich die Frage, ob nicht auch mal jemand Drittes einspringen kann. Auch zu zweit ist es schon häufig nicht immer machbar.

Nehme ich das Betreuungsangebot meiner Mutter an, dass sie aushilft? Sie wohnt weiter weg. Ist das die Lösung? Dass die eigene Mutter die Hausarbeit und Sorge übernimmt? Nein. Und doch halte ich mir die Option offen. Gleichzeitig weiß ich, dass es nicht die Lösung auf dieses strukturelle Problem ist. Care-Arbeit verschiebt sich unter den Frauen* wie Elisabeth Beck-Gernsheim damals schon geschrieben hat, aber die Forderung der Frauenbewegung, dass sie empirisch auch von Männern* gemacht wird, davon sind wir noch sehr weit entfernt.

Eine Karriere mit befristeten Verträgen und ungewisser Zukunft muss man sich leisten können. Und das können nicht alle. Was ist beispielsweise mit denen, die alleinerziehend ein Kind mit starker Behinderung haben und aufgrund der Sorgeverantwortung nicht sehr flexibel, nicht abrufbereit, nicht ständig mobil sein können? Die Bedingungen des Feldes machen es nicht immer einfach. Die Herausforderungen sehe ich darin nicht nur Geschlechter- und Diversitätsgerechtigkeit zu postulieren, sondern es in der konkreten Praxis lebbar zu machen. Denn: Vieles ist nicht fair, sondern zutiefst unfair! Aber da sind wir dran. Vielleicht beginnen wir mit besseren Arbeitsbedingungen: weniger befristete Stellen, angemessene Entlohnung und Absicherung bei Lehraufträgen, keine Titellehre mehr und demokratischere Struktur in den Instituten. Das wäre ein Gewinn für die Mitglieder der Universität, der Hochschule selbst und ganz besonders für die Gleichstellung!

Portrait of Luisa Conti
Portrait of Luisa Conti
Image: Luisa Conti

Topic focus in the summer semester 2021: Fair in the pandemic

On the topic: Fair in the pandemic

The Corona pandemic, which has been rampant for a year now, is a global challenge and has also had a lasting impact on and changed our everyday university life. 

The crisis often hits structurally already disadvantaged groups particularly hard. The current situation also exacerbates gender inequalities. Women in particular often work in underpaid professions, where pandemic-related losses hurt especially, resulting from time off, short-time work and unemployment overall. At the same time, traditional role models are becoming increasingly effective in everyday life - many women do most of the housework and family chores and are responsible for the majority of family care work. They do this in addition to their regular working hours or are forced to reduce them. 

Thus, the following questions arise: How can we continue to deal with the crisis? How can we support those who are more affected? What can we do in addition to the existing services offered by the university as a university community?

Dr. Luisa Conti 

Eine Fairness-Frage zum Einstieg...

Unser Semesterthema lautet Fair in der Pandemie, wozu wir später noch Ihre Meinung hören werden. Für ein kleinen Ausblick: Woran müssen Sie bei diesem Thema spontan denken?

"Der Virus handelt insofern fair, dass er sich vom ökonomischen Kapital oder der sozialen Macht einer Person nicht beeindrucken lässt. Die 
Politiken sind auch insofern fair, dass es für alle eine Eingrenzung der eigenen üblichen Freiheit bedeutet.
Das ist aber alles, was Fairness und Pandemie verknüpft. Die negative Auswirkung der zur Eindämmung der Verbreitung der Pandemie in Kraft getretenen Regelungen verhält sich proportional zu der Position der Einzelnen. Je weniger Privilegien eine Person hat, desto schwerwiegender die Auswirkung."

Frau im Fokus – Zur Person 

Ihr Weg an die Universität Jena

„Die Anstellung an der FSU gibt mir die Chance, zentralen Fragestellungen zur Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft nachzugehen. Es ist mir wichtig, dass meine Erkenntnisse auch in der Alltagswelt ankommen und dort eine Auswirkung haben.“

Dr. Luisa Conti arbeitet seit 2006 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Bereich Interkulturelle Wirtschaftskommunikation und ist dort am Institut DAF/DAZ und Interkulturelle Studien beschäftigt. Zuvor absolvierte sie bis 2003 in Italien an der Università degli Studi di Udine ihr Studium der Relazioni Pubbliche, einem interdisziplinären Studiengang an der Schnittstelle zwischen Kultur-, Kommunikations-, Wirtschaftswissenschaften und Soziologie mit internationaler Ausrichtung.

Seit 2007 arbeitet sie als Interkulturelle Trainerin, Coach und Projektleiterin für Unternehmen, NGOs, Vereine und staatliche Institutionen, was den größten Teil ihrer außeruniversitären Berufserfahrung darstellt. Hervorzuheben ist ihre darauffolgende binationale Promotion, welche sie 2012 sowohl an der Universität Jena im Bereich Interkulturelle Wirtschaftskommunikation als auch an der Universität Padua (Italien) im Bereich Interkulturelle Pädagogik abschloss. Aus ihrer Dissertation Webbasierte interkulturelle dialogische Interaktion. Entwicklung eines reflexiv-orientierten Modells ging im Anschluss die Monographie Interkultureller Dialog im virtuellen Zeitalter. Neue Perspektiven für Theorie und Praxis hervor. Mit ihrer Habilitationsschrift Inklusion durch Dekonstruktion. Der dialogische Ansatz zur Verwirklichung von Inklusion im Bildugnsbereich setzt Frau Conti den Fokus auf Schule und insbesondere auf die interkulturelle Kompetenzentwicklung für Lehrkräfte. 

Aktuelle Herausforderungen

Die ambitionierte interdisziplinäre Forscherin war bis zu seiner Vollendigung mit der Leitung des dreijährigen Erasmus+ Aktionsforschungsprojektes SHARMED Deutschland (SHARed MEmories and Dialogues) betraut. Eines ihrer Hauptaufgabengebiete ist die Verbreitung und Weiterentwicklung der Projektergebnisse zur Innovation im Bildungsbereich, was an ihren bisherigen Werdegang anknüpft. Sowohl in der Wissenschaft mit Publikationen, Vorträge, Lehrveranstaltungen als auch im pädagogischen Bereich mit Workshops und Trainings findet das Projekt durch Frau Conti seinen Nachklang. Zudem basiert ihre bereits erwähnte Habilitationsschrift auf Erkenntnissen des SHARMED-Projekts. Ein weiterer momentaner Schwerpunkt liegt in ihrer Arbeit als Dozentin
im Bereich Interkulturelle Kommunikation und Interkulturelle Bildung.

Aktuell steht Frau Conti vor neuen Herausforderungen: Nach einer erfolgreiche Drittmittelakquise ist im November das Forschungsverbund ReDICo (Researching Digital Interculturality Co-operatively) erfolgreich aufgestellt worden; als Mitglied dessen widmet sich Frau Conti hier der interkulturellen Kommunikation im virtuellen Raum. Im April 2021 startete außerdem KIDS4ALLL (Key Inclusive Development Strategies for Life Long Learning), wofür Frau Conti die Verantwortung der zu entwickelnden internationalen E-Learning-Plattform trägt. Wir wünschen einen guten Start und spannende Erkenntnisse!

Und worüber forschen Sie?

Schwerpunkte ihrer Forschung stellen für Luisa Conti also die gesellschaftliche Kohäsion zwischen Exklusion und Inklusion, die interkulturelle Öffnung von Institutionen aber auch interkulturelles Lernen und interkultureller Dialog, interkulturelle Kompetenz im Bildungsbereich und digitale Innovationen in der Lehre dar.

Die eingangs zitierte Aussage von Frau Conti dokumentiert ihren Willen, ein inklusives Verständnis in der Alltagswelt der Gesellschaft zu etablieren. So engagiert sie sich nebenberuflich und ehrenamtlich im zivilgesellschaftlichen Bereich für eine gerechte, demokratische und solidarische Gesellschaft, in der jeder Mensch als gleichwertiges und einzigartiges Individuum anerkannt wird, dem die Möglichkeit geboten ist, sich einzubringen und sein Leben selbstbestimmt zu gestalten. Aus der Leidenschaft für internationalen Austausch nimmt Luisa Conti immer wieder Forschungsaufenthalte und Gastdozenturen im Ausland wahr. Bisher verbrachte sie längere Zeit in Mexiko, Chile und Italien. Wichtig ist für sie auch die Förderung der internen Zusammenarbeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, unter anderem im Rahmen des Diversity Days, im Bereich der Lehrer:innenbildung und mit dem Fachbereich DAF/DAZ – ein Engagement, durch das sie Synergien freisetzen und stärken möchte.

Stichwort Gleichstellung

In Sachen Gleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist Frau Conti ein Beispiel für sich ändernde und auf Gleichberechtigung abzielende Rollenverteilungsmodelle. Sie selbst beschreibt die Situation wie "in einer traditionellen (Wissenschaftler-)Familie – nur ist unser Modell 'anders herum'": Ihr Partner ist Hauptbezugsperson für die Kinder und hauptverantwortlich für die Hausarbeit. Außerdem berät er Luisa Conti in Bezug auf wissenschaftliche Projekte und hilft beim Korrekturlesen ihrer Publikationen. Auf diese Weise schafft es Luisa Conti als Mutter, als Nicht-Muttersprachlerin und als Pendlerin wissenschaftliche wie persönliche Interessen und Pflichten zu vereinen. Aber auch Contenance und Selbstdisziplin seien dafür unabdingbar, fügt sie augenzwinkernd hinzu.

Fair in der Pandemie

Wie schätzen Sie die Lage für Frauen ein?

"Die Pandemie hat klar gezeigt, dass unsere Gesellschaft sich von der patriarchalen Tradition immer noch nicht emanzipiert hat. Die Daten zeigen beispielsweise, dass die fehlende externe Betreuung der Kinder meistens den Frauen zu lasten fällt, was berufliche Folgen als auch erhöhte psychische Belastung mit sich trägt. Insbesondere Alleinerziehende sind gefährdet: ihre fragilere Lage bricht schnell unter den gleichzeitig auszuführenden Aufgaben Kind(er) zu betreuen und arbeiten zu gehen. Da sind starke Netze von Nöten, die aber gerade in Zeit der physischen Distanzierung verschwinden. Vom Armut sind Familien mit beiden Eltern seltener betroffen, jedoch häuft sich die wirtschaftliche Abhängigkeit von Frauen gegenüber deren Männern in Heterofamilien. Diese Abhängigkeit, addiert zu erhöhtem Stress-Level, geschwächte soziale Netze und verengten Wohnverhältnissen, erhöhte häusliche Gewalt, während Hindernisse zum Hilferuf größer werden."

Und wenn Sie durch Zauberhand eine Maßnahme für mehr Fairness in der Pandemie ergreifen bzw. etwas verändern könnten, was wäre es?

"Schöne Wohnprojekte zu schaffen, die untereinander isoliert, jedoch innerhalb funktionierende, solidarische soziale Systeme sind. Dadurch haben Kinder mehrere Bezugspersonen (sowie andere Kinder) und die Care-Arbeit wird geteilt."

Und zuletzt noch einmal ganz persönlich...

Wenn Sie auf einer einsamen Insel wären, welches Buch würden Sie mitnehmen?

"Ein Buch, das mir das Wissen gibt, dort zu überleben oder sogar gut zu leben! Ich merke, dass das Leben in der vorgefertigten, bequemen Gesellschaft mich abhängig vom leichten Konsum gemacht hat, ignorant darüber, wie ohne die Dinge und die Dienste das Leben funktionieren kann. Das Wissen, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde, ist bei mir wenig angekommen. Jedoch denke ich, dass einiges Wissen, das in meiner Generation und in meiner Sozialisation als Frau als nicht nützlich eingestuft wurde, doch aktuell aufgewertet wird und hoffe ich, dass zu Gunsten eines ökologischen Wandels auch vermehrt und geschlechterübergreifend tradiert wird. Also die Erfahrung auf einer einsamen Insel fände ich nicht schlecht. Aber gibt es dort auch Netz?"

 

Mehr über Dr. Luisa Conti finden Sie auf Ihrer WebseiteExternal link und auf den Seiten des Bereichs IWKExternal link (Interkulturelle Wirtschaftskommunikation der Universität Jena).

published june 2021

Portrait Barbara Ähnlich
Portrait Barbara Ähnlich
Image: Anne Günther (University of Jena)

PD Dr. Barbara Aehnlich

Eine Fairness-Frage zum Einstieg...

Unser Semesterthema lautet Fair in der Pandemie, wozu wir später noch Ihre Meinung hören werden. Für ein kleinen Ausblick: Woran müssen Sie bei diesem Thema spontan denken?

"An die Familien und vor allem die Alleinerziehenden, die es seit einem Jahr extrem schwer haben, wenn sie alles vereinbaren wollen."

Frau im Fokus – Zur Person 

Der Bildungsweg in Jena 

Bereits ihre Schulzeit verbrachte PD Dr. habil. Barbara Aehnlich in Jena, woran sich bis zum Jahr 2000 ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universität Jena anschloss. Aufgrund eines gestiegenen Interesses an sprach- und literaturwissenschaftlichen Zusammenhängen entschied sie sich für einen Wechsel zum Magisterstudium der Germanistik, Rechtswissenschaften und Psychologie, das sie 2004 mit sehr gutem Erfolg beendete. Als Frau Aehnlich im selben Jahr mit ihrer Promotion begann, erhielt sie ein einjähriges Frauenförderstipendium der Universität Jena. 2011 wurde sie dann mit der ausgezeichneten Dissertation Die thüringische Flurnamenlandschaft – Wege zu ihrer Erforschung promoviert. 2019 folgte ihre Habilitation mit ihrer Arbeit Verteütſcht das yeder die mag leſen? Die sprachliche Vermittlung neuer Rechtsinhalte im Zuge der Rezeption des römischen Rechts für Rechtspraktiker. Dargestellt am Beispiel des Klagspiegels Conrad Heydens und des Laienspiegels Ulrich Tenglers. Im November 2019 hielt sie ihren öffentlichen Habilitationsvortrag über Gewohnheit und Recht. Die Paarformel in der Rechtspraktikerliteratur der Frühen Neuzeit an der Universität Jena.

Und wie ging es beruflich weiter?

Frau Aehnlichs berufliche Karriere begann 2005 mit der Anstellung als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena; eine Tätigkeit, die sie bis 2019 ausübte. Eine weitere Stelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin hatte sie von 2016 bis 2017 in der Geschäftsstelle des Thüringer Kompetenznetzwerks Gleichstellung (TKG) inne. Zudem arbeitete Frau Aehnlich als selbständige Lektorin für den VKU-Verlag und wirkte mehrmals als externe Lehrbeauftragte an der Universität Klagenfurt. Seit 2015 fungiert Frau Aehnlich als Koordinatorin des von ihr mitbegründeten DHnet Jena, welches sich fakultäts- und institutionenübergreifend mit dem Themengebiet der Digital Humanities (DH) auseinandersetzt. Sie verantwortet am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft die Institutspartnerschaft mit der Universität Kutaissi (Georgien) und engagiert sich sehr für den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch. Nachdem Frau Aehnlich zunächst die Professur für Geschichte der deutschen Sprache an der Universität Jena und darauffolgend die Professur für eHumanities an der Universität Halle-Wittenberg vertrat, arbeitet sie seit April 2021 an einem neuen Projekt mit: Data Literacy. Was das ist? Data Literacy ist die Fähigkeit, planvoll mit Daten umzugehen und sie im jeweiligen Kontext bewusst einsetzen und hinterfragen zu können. Ziel ist es diese Datenkompetenz im Curriculum aller Studierenden an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu verankern. Wir wünschen ein gutes Gelingen!

Schwerpunkte in Forschung und Lehre

Dem Thema ihrer Promotion folgend übernahm Frau Aehnlich 2006 die wissenschaftliche Betreuung des Projektes Flurnamen und Regionalgeschichte beim Heimatbund Thüringen e.V. In diesem Projekt sammeln über 350 ehrenamtliche Sammler:innen unter ihrer Anleitung die Flurnamen ihrer Heimatorte und ordnen sie nach vorgegebenen Kriterien.    

Während ihrer Habilitationszeit war Barbara Aehnlich Mentee im Jenaer Mentoring-Programm für Postdoktorandinnen; sie erhielt zudem Förderungen vom damaligen Prorektorat für Forschung aus dem Programm zur Förderung der Drittmittelfähigkeit und im Rahmen von ProChance, einer Förderlinie zur Förderung der Berufungsfähigkeit von Frauen.

Forschungsschwerpunkte von Frau Aehnlich sind die (Historische) Rechtssprache, Digital Humanities, Onomastik, Korpuslinguistik, Genderlinguistik und Frühneuhochdeutsch. Ihre entsprechende Publikationsliste ist lang und reicht von dialektologischen Fragestellungen über Ausführungen zur frühneuhochdeutschen Rechtssprache bis hin zu Untersuchungen zur Benennung von Haustieren durch Kinder.

Neben der Forschungstätigkeit liegt ein Schwerpunkt ihres Wirkens auf der universitären Lehre. Hier sind vor allem die Projektseminare zu erwähnen, in denen Studierende sich mit den Namenlandschaften Thüringens befassen und Feldforschung betreiben oder sich mit den Aufzeichnungen von Frauen aus dem letzten Jahrhundert befassen und dabei ganz "nebenbei" das Lesen historischer Dokumente erlernen.

Karriere und Kinder?

Frau Aehnlich, die bereits während des Jurastudiums ihre beiden Kinder bekam, war seit der späten Promotionsphase alleinerziehend. Spannend ist dabei aus Gleichstellungsperspektive, dass Frau Aehnlich diese Phase zwar durchaus als herausfordernd erlebte, aber auch viel Unterstützung seitens ihrer Familie und der Universität erfuhr. Da ihre Söhne nun erwachsen sind, sieht sich die Wissenschaftlerin inzwischen in einer sehr vorteilhaften Position: "Ich kann nun wieder der Flexibilität des Wissenschaftssystems genügen. Das ist ein 'Luxus', den andere frisch habilitierte Frauen mit kleinen Kindern so nicht haben."

Fair in der Pandemie

Wie schätzen Sie die Lage für Frauen ein. Wenn Sie durch Zauberhand eine Maßnahme für mehr Fairness in der Pandemie ergreifen bzw. etwas verändern könnten, was wäre es?

"Ich glaube, wir sind in einigen Punkten wieder deutlich schlechter geworden. Vor allem Mütter arbeiten seit der Pandemie doppelt und dreifach, um alles zu schaffen, und sie geraten damit oft über ihre Grenzen hinaus. Sie arbeiten oft in den nun als "systemrelevant" eingestuften, aber schlecht bezahlten Berufen und sind einem besonderen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. In zahlreichen Familien sind sie nun stärker als zuvor häuslicher Gewalt ausgesetzt. Es gibt viele Probleme, die besonders Frauen hart treffen.

Und wenn ich zaubern könnte, dann würde ich diese Fähigkeit einsetzen für:

  • Faire Löhne statt warmer Worte aus der Politik;
  • funktionierende Hygienekonzepte für Schulen und Kitas, damit die Kinder betreut werden können
  • Ausbau von Beratungen und Möglichkeiten für von Gewalt betroffene Familien"

Und zuletzt noch einmal ganz persönlich...

Wenn Sie auf einer einsamen Insel wären, welches Buch würden Sie mitnehmen?

"Schwierig. Da die meisten Bücher doch irgendwann langweilig würden, würde ich mir ein Georgisch-Lehrbuch mitnehmen, da ich diese Sprache schon sehr lange lernen möchte. Sonst vielleicht noch ein Buch, das ich regelmäßig immer mal wieder lese, weil es so schön, so lustig, so tragisch, so klug ist: 'Garp und wie er die Welt sah' von John Irving."

 

Mehr über PD Dr. Barbara Aehnlich finden Sie auf den Seiten des Instituts für Germanistische SprachwissenschaftExternal link der Universität Jena.

published April 2021