Prof. Dr. Julia Asbrand
»Problem talk creates problems, solution talk creates solutions.«
(Steve de Shazer)
Werdegang
2011 · Erster Studienabschluss
Universität Freiburg (Diplom Psychologie)
2019 · Zweiter Studienabschluss
Freiburg (Approbation & Fachkunde Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie)
2016 · Promotion
Universität Freiburg (Klinische Psychologie und Psychotherapie)
2020 · Juniorprofessur
Humboldt-Universität zu Berlin
2023 · Professur
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Interview
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit als Wissenschaftlerin? Weshalb haben Sie sich für die Wissenschaft entschieden?
Mir gefällt die Freiheit - die ich mal mehr, mal weniger - habe, mich mit den Themen zu beschäftigen, die mich interessieren und die ich für relevant halte. Ich persönlich finde es außerdem befreiend, nicht profitorientiert sondern gesellschaftsdienlich arbeiten zu dürfen.
Welche Vorbilder haben Sie beruflich geprägt?
Professorale Kolleginnen - umso mehr, wenn diese ebenfalls Familie hatten/haben - die auch nur 24 Stunden am Tag haben, es aber trotzdem schaffen, eine Abteilung mit zufriedenen Mitarbeiter:innen zu führen, sich gesellschaftlich zu engagieren und Spitzenforschung zu leisten.
Wer oder was hat Ihnen auf dem Weg zur Professur am meisten geholfen? Welche resp. wessen Unterstützung war Ihnen besonders wichtig?
Mir haben mehrere Mentor:innen, auf kollegialer Ebene, aber auch in strukturierten Programmen geholfen, um mich selbst und meinen Weg realistisch einschätzen zu können. Von unschätzbarem Wert sind außerdem Familie und Freunde als Ausgleich zur Wissenschaft, die doch sehr vereinnahmen kann. Mehr als Referenzpunkt als durch tägliche Gespräche hilft mein nichtakademischer Familienhintergrund. Das stellt noch mal einen Bezugspunkt dar, dass es ein Leben abseits der Universität gibt.
Ist Ihre Karriere gradlinig verlaufen – und wie haben Sie eventuelle Umwege und Durststrecken bewältigt?
Von außen betrachtet war meine Karriere sehr geradlinig: Abschluss, Promotion nach 5 Jahren, Approbation 8 Jahre später (in meinem Bereich essentiell), Juniorprofessur nach 9 Jahren, Voll-Professur nach 12 Jahren. Mir war es selbst jedoch nie so klar, dass ich eine Professur anstrebe. Ich wollte v.a. forschen, lehren und klinisch arbeiten. Ich habe immer wieder auch nach links und rechts geschaut und überlegt, welche Alternativen es gibt und ob diese gegebenfalls besser zu mir passen.
Durststrecken waren v.a. Zeiten der Doppelqualifikation (klinisch und wissenschaftlich) mit sehr langen Arbeitszeiten und wenig Freizeit. Auch der Start der beiden Professuren war und ist sehr intensiv. Hierbei helfen mir meine Familie und mein Freundeskreis sowie sportlicher Ausgleich. Zudem versuche ich stets im Blick zu behalten, warum ich das alles tue, wofür ich mich engagiere, welchen Sinn ich darin sehe.
Akademische Karrieren sind oftmals von einem großen Maß an Unsicherheit geprägt. War das bei Ihnen auch der Fall – und wie sind Sie damit umgegangen?
Auch in meinem Bereich war die Unsicherheit mit befristeten Verträgen und der Qualifikationszeit des Hochschulrahmengesetzes vorhanden. Allerdings hatte ich durch die Qualifikation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin stets die Möglichkeit problemlos auch außerhalb der Universität eine Anstellung zu finden oder mich selbstständig zu machen, wodurch ich keine Existenzängste haben musste.
Für wie wichtig halten Sie Networking in Ihrem Beruf? Gibt es eine besondere Strategie, die Sie dabei verfolgen?
Ein Netzwerk ist ein toller Schatz. Bei einer offenen Frage oder Idee sofort zu wissen, wen man ansprechen könnte, ist enorm hilfreich. Interessanterweise hat das bei mir erst mit der Juniorprofessur so richtig angefangen. Meine Strategie war recht simpel: Ich habe Menschen, die mir wichtig oder interessant erschienen, direkt angeschrieben, ein wenig von mir erzählt und um ein Treffen gebeten. Dabei musste nicht immer sofort ein gemeinsames Projekt herauskommen - manchmal ergab sich erst Jahre später etwas. In jedem Falle empfehle ich Offenheit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft - das zahlt sich aus.
Wie schaffen Sie es, einen solch anspruchsvollen und fordernden Beruf mit dem Privatleben in Einklang zu bringen?
Das ist in der Tat herausfordernd, da ich eine kleine Tochter habe. Es funktioniert hauptsächlich über meinen sehr unterstützenden Ehemann und die sehr gute Aufteilung der Carearbeit. Die Wochen sind sehr voll, jedoch ist es hilfreich, dass ich meinen Terminkalender größtenteils selbst bestimmen kann. Das war in der Zeit meiner klinischen Ausbildung in der Klinik sehr anders.
Jedoch ist gerade der Aufbau einer Professur - und in meinem Fall zudem einer psychotherapeutischen Hochschulambulanz - extrem anspruchsvoll. Ich tue dies gerade zum zweiten Mal und freue mich sehr auf die Zeit, wenn wir in meinem hervorragenden Team etwas mehr Alltag und Normalität erreicht haben.
Ihre Tipps für Nachwuchswissenschaftlerinnen: Was sollten sie keinesfalls versäumen zu tun? Und was sollten sie unbedingt vermeiden?
Es wird oft die Professur als ultimatives Ziel der Wissenschaftskarriere in Aussicht gestellt. Zunächst einmal sollte aber jede:r auch für sich prüfen, ob es das tatsächlich ist, was man möchte. Vielleicht gibt es andere Stellen und Formate, die für die eigene Forschung sehr viel attraktiver sind. Mir persönlich hat es immer sehr geholfen, Dinge zu tun, die nicht direkt für "die Karriere" wichtig sind und einen Blick dafür zu gewinnen, was ich spannend finde. Auch halte ich viel davon, sich Positivbeispiele für den eigenen Weg zu suchen - also: Was würde ich gerne tun? Wie würde ich gerne sein? und weniger, was möchte ich nicht sein.
Sind Wissenschaftlerinnen an der Universität Jena gut aufgehoben? Was macht die Universität Jena für Sie attraktiv?
Die Universität Jena ist zugleich klein (z.B. durch kurze Wegzeiten) und groß (z.B. viele Studierende). Für mich steht sie für eine spannende Mischung aus lokal und weltoffen. Ich bin hier bislang sehr gut angekommen und fühle mich - bis auf die im öffentlichen Dienst üblichen Hürden der Bürokratie - sehr wohl. Ganz besonders hervorheben möchte ich die Freundlichkeit und das Wohlwollen aller Menschen, die an der Universität arbeiten und wirken.