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Meldung vom: | Verfasser/in: Stephan Laudien
Die Lebenserwartung der Menschen ist in den westlichen Ländern seit Jahren gestiegen. Eine erfreuliche Entwicklung, die jedoch ihre Schattenseiten hat: „Das Alter ist das größte Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Morbus Huntington“, sagt Prof. Dr. Janine Kirstein. Die aus Cottbus stammende 45-jährige Wissenschaftlerin ist neue Professorin für Biochemie des Alterns. Sie forscht und lehrt am Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut und der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ihre Motivation bringt Janine Kirstein auf den Punkt: „Wir möchten verstehen, welche Mechanismen diese Krankheiten des Alters auslösen, weil wir nur mit diesem Wissen geeignete Therapien entwickeln können.“
Der Fadenwurm C. elegans ist der optimale Modellorganismus
Das Hauptaugenmerk von Janine Kirstein und ihrer Forschungsgruppe gilt Störungen im Protein-Stoffwechsel, die dazu führen, dass zunächst einzelne Nervenzellen und dann ganze Gehirnareale absterben. Bei isolierten Proteinen lasse sich im Labor beobachten, dass einzelne Proteine nicht korrekt gefaltet sind und zu Verklumpungen neigen, die sich immer mehr ausweiten. Letztlich verlaufen diese neurodegenerativen Erkrankungen immer tödlich, so Janine Kirstein.
Ein möglicher Schlüssel, diese Prozesse zu beeinflussen, könnten die sogenannten molekularen Chaperone sein. Der Begriff entstammt dem Französischen und bedeutet sinngemäß „Anstandsdame“ und meint Proteine, die unerwünschte Kontakte zwischen Proteinen verhindern sollen. „Gelänge es, diese molekularen Chaperone im Alter zu stärken, könnten sich die Fehlfaltungen und Verklumpungen verlangsamen lassen“, sagt Prof. Kirstein. Doch sei das noch Zukunftsmusik. Vorerst geht es darum, die Prozesse zu beobachten und zu verstehen.
Janine Kirstein und ihr Team setzen dabei auf einen Modellorganismus namens Caenorhabditis elegans oder einfach C. elegans. Es handelt sich um einen winzigen Fadenwurm, der im Erdreich lebt und sich vorrangig von Bakterien ernährt. Die Würmer werden ca. einen Millimeter groß und sie leben etwa einen Monat und damit lassen sich Alterungsprozesse im Labor wie in einem Zeitraffer verfolgen. Wie Janine Kirstein erläutert, kommen sie vorwiegend als Zwitter vor. Besonders günstig für die Forscher: Die Nachkommen von C. elegans sind alle genetisch identisch. Damit seien sie hervorragend für Versuche geeignet, sagt Janine Kirstein: „Wir können das Erbgut des Wurms verändern und uns live die pathologischen Veränderungen anschauen.“
Die Studierenden motivieren und zur Neugier ermutigen
Janine Kirstein hat in Greifswald Biologie studiert und ihre Diplom-Arbeit über Stressfaktoren geschrieben. Während des Studiums sei ihre Begeisterung für die molekulare Biologie geweckt worden, sagt sie. Die schiere Menge an Nichtwissen in diesem Forschungsfeld sei für sie bis heute Ansporn, immer wieder Neuland zu betreten. Eine Sicht auf die Forschung, die sie ihren Studierenden zu vermitteln sucht: „Sie sollen lernen, selbst Wissenschaftler zu sein, ihre Neugier auszuleben.“ Ihr eigener Weg führte zunächst über Heidelberg nach Berlin an die Freie Universität. Ihre Promotion 2007 trug den Titel „Regulation of the AAA+ protein ClpC by adaptor proteins“ und wurde mit „summa cum laude“ ausgezeichnet.
Als Postdoc ging Janine Kirstein in die USA an die Northwestern University in Chicago, wo sie ab 2009 auch als Dozentin tätig war. In den USA erlernte sie das Handwerkszeug im Umgang mit C. elegans und entwickelte Imaging-Verfahren, mit denen der transparente Fadenwurm lebendig unter dem Mikroskop erforscht werden kann. Weitere Stationen führten Janine Kirstein ans Leibniz-Institut für molekulare Pharmakologie in Berlin, wo sie u. a. als Projektleiterin eines Sonderforschungsbereichs und des NeuroCure Excellence Clusters tätig war.
Ihren ersten Ruf auf eine Professur nahm sie 2019 an der Universität Bremen an und seit April dieses Jahres forscht sie nun am Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut und lehrt an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ihre Forschungsgruppe ist international besetzt; die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen u. a. aus Brasilien, Nepal, der Türkei, Italien, dem Libanon, Indien und Deutschland. Sie empfinde dieses internationale Team genauso bereichernd wie die Interdisziplinarität der Forschungsfragen und -methoden, sagt Prof. Kirstein.
Ein langes und gesundes Leben ist das Ziel der Forschung
Ihre Ziele beschreibt Janine Kirstein so: „Wir verstehen schon vieles, was in den Zellen passiert, jetzt geht es darum zu verstehen, warum manche Zellen anfälliger für Degeneration sind.“ Noch sei das Grundlagenforschung, doch wenn diese Prinzipien erkannt sind, könne über Therapien nachgedacht werden. Dabei betont Janine Kirstein: „Wir forschen nicht an der Unsterblichkeit, unser Ziel ist ein langes und gesundes Leben.“ Dabei seien die Forschungsbedingungen in Jena hervorragend, zudem hat sie sich mit dem sechsjährigen Sohn und ihrem Ehemann in der Stadt gut eingelebt.
In ihrer – knapp bemessenen – Freizeit sucht Janine Kirstein sportliche Herausforderungen: Seit ihrer Zeit in den USA betreibt sie Triathlon und trainiert wenn möglich jeden Tag. Bei Wettkämpfen geht sie meist in der Mitteldistanz an den Start, das sind zwei Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer auf dem Rad und 21 Kilometer Laufen. Da ist Ausdauer gefragt, genau wie in der Forschung.